Bernhard Lassahn / 06.12.2019 / 06:52 / 3 / Seite ausdrucken

Advent: Der lauschige Kalender mit Laterne (6)

Der Nikolaus kommt. Heute ist der Tag der Rute. Aber keine Sorge – das war einmal. Das muss vor meiner Zeit gewesen sein. Ich habe das nicht mitgekriegt. Ich war sowieso von Anfang an dagegen. 

Ich bin auf dem Land aufgewachsen und in eine Zwergschule gegangen, in der – es ging nicht anders – mein Vater zugleich mein Lehrer war. Wenn ich selber später auch Lehrer geworden wäre – was ich durchaus vorhatte – dann wäre aus mir jemand geworden, den Urs Widmer als „lebenslänglich Schulhäusler“ charakterisiert hätte: in die Schule, aus der Schule, wieder in die Schule, immer nur Schule.

Migrationshintergrund habe ich außerdem, aber hauptsächlich bin ich von einem dermaßen starken Pädagogik-Hintergrund geprägt, dass es mir selbst heute nicht leichtfällt, die erworbene Pädagogen-Mentalität, die leicht ins Gutmenschenhafte abgleitet, abzulegen wie einen aus der Mode gekommenen Mantel. 

Als ich nicht mehr in die Zwergschule, sondern aufs Gymnasium ging, aber immer noch im Schulhaus wohnte, habe ich bei Advents- und Weihnachtsfeiern ausgeholfen, habe das traditionelle rote Kostüm übergeworfen und den Weihnachtsmann gegeben. Ich tat es nur unter eine Bedingung: Keine Rute!

Ich brachte den kulturellen Wandel ins Dorf

Inzwischen hatte sich herumgesprochen, dass die Prügelstrafe endgültig der Vergangenheit angehört und dass – wie man gerüchteweise hörte – demnächst überall die anti-autoritäre Erziehung eingeführt würde. Da wollte ich auch ein Teil der fortschrittlichen Bewegung sein und als progressiver Weihnachtsmann grundsätzlich ohne Rute auftreten.

Ich war bestimmt nicht der erste Weihnachtsmann ohne Rute, doch es kam mir so vor. Pädagogisch vorbelastet und vom Zeitgeist angehaucht, brachte ich persönlich den kulturellen Wandel ins Dorf: Ich war der sanfte Weihnachtsmann, die Verkörperung des Männer-Ideals des Softies. Ich kam nicht etwa draußen vom Walde, sondern direkt aus dem Schulhaus und brachte Verständnis statt Rute, Gespräche statt Strafe.

Die Gespräche finden immer noch kein Ende. Später werden wir vielleicht sagen: Gut, dass wir drüber geredet haben. Es wird immer wieder neu verhandelt. Die Sache mit der Rute ist noch nicht geklärt. Auch heute nicht. Obwohl es viele neue Hilfsmittel gibt.

 

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Esther Burke / 06.12.2019

A propos “aus der Mode gekommener Mantel”: stelle bei mir eher eine diskrete Tendenz fest, den guten alten Wintermantel wieder in Mode kommen zu lassen. Hab vor langer Zeit wunderbare Wintermäntel 2nd hand quasi geschenkt bekommen - klassisch geschnitten, schlicht kamelhaarfarben, beste Wolle, und ebenso klassisch, lang ,herrlich dunkelgrün ,KASCHMIR ! Dann waren mir die Teile etwas zu “posh”; nie getragen, der leichte warme Anorak war halt praktischer.  Aber eigentlich könnte ich mir den Luxus von ein bißchen mehr Eleganz gltl. leisten ?? ( klitzekleiner kultureller Fortschritt ?)

Jörg Themlitz / 06.12.2019

Ihre Ruten Erfahrungen haben eine andere Rutengeschichte aus meinem Gedächtnis hervorgezaubert. Hier nicht ganz so passend. Aber, aber… Fritz Reuter erzählt von spartanisch ausgestatteten Theateraufführungen in seiner Kindheit, in seinem Heimatort, so ganz ohne Theatergebäude, doch mit einem theaterbegeisterten, engagierten Bürger. In Ermangelung anderer schauspielernder Bürger musste seine Frau den feschen Offizier mit Reitgerte / Rute spielen. Was für die Frau sicherlich sehr bedrückend war. Weil sie zu Hause von ihrem Mann mit selbiger Rute traktiert wurde.  Oder passt die Geschichte doch???

H.Roth / 06.12.2019

Nicht nur die Rute des Rotgekleideten mit Vollbart ist nicht mehr zeitgemäß. Sehr bedenklich ist der Pelzbesatz am Mantel, die Ausbeutung von Rentieren zum Transport schwerer Pakete, sowie das Verteilung von klimabedenklich hergestellten und weit transportieren Südfrüchten. Dazu kommt, daß diese Figur des alten, weißen Mannes weder gendergerecht noch multikultigerecht ist. Der Weihnachtsmann kann vermutlich bald einpacken.

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