So ist es tatsächlich: ein Fest nennen wir „Fest“, weil es fest ist. Daher der Name. An dem Termin wird nicht gerüttelt. Auch wenn er womöglich einigen der viel beschäftigten und einflussreichen Managern nicht passt und sie diesen lästigen Heiligabend lieber um eine Woche verschieben würden … Es geht nicht. Es bleibt dabei. Der Termin wird eingehalten. Er ist fest.
So ist Weihnachten. Der Termin – 24.12. – ist fest und bleibt auch so. Der Tannenbaum behält sein Grün, auch zur Winterzeit. Zuverlässig und treu. Das ist schön. Es gibt doch noch Dinge, auf die man sich verlassen kann.
Die Menschen möchten etwas Festes. Sie brauchen das. Sie brauchen etwas, dem sie vertrauen können. Etwas, das sich nicht mehr ändert, das auch nicht nachverhandelt wird. Wenn schon die Liebes-Beziehungen heute nicht mehr richtig fest sind („Was?! Seid ihr jetzt etwa richtig fest zusammen? Das hätte ich nicht gedacht … “), wenn es keine Preisbindungen mehr gibt und auch die Fahrkarten neuerdings flexibel sind (und die Ankunftszeiten sowieso nicht eingehalten werden), dann freut man sich umso mehr, wenn es trotzdem noch etwas Festes gibt. Auch wenn es nicht mehr viel ist, das nach wie vor fest ist – und festlich.
Tattoos sind auch etwas Festes
Die Sehnsucht nach etwas Festem zeigt sich an der Mode, Tattoos stechen zu lassen. Man sieht sie heute überall. Ob bei den neuen Superstars, die Deutschland angeblich sucht oder beim Fußball. Manchmal hat man den Eindruck, es ginge gar nicht mehr darum, Tore zu schießen, sondern Tattoos vorzuzeigen.
Tattoos sind keine Abziehbilder. Das ist nicht aufgemalt. Das ist keine Schminke. Das soll nicht vorläufig sein. Die Tattoos sollen jetzt so bleiben (zwar kann man sie wieder entfernen lassen, aber … nun ja). Tattoos sind in die Haut eingehämmert. Richtig fest. Sie sollen so bleiben – jetzt und immerdar.
Wer sich ein Tattoo machen lässt, gibt der Welt zu verstehen, dass die Entwicklung seines persönlichen Geschmacks und seines Empfindens für Schönheit, Kunst und Schmuck an einem Endpunkt angekommen ist. Das soll von nun an so bleiben. Endstation.
Was wollen uns die Zeichen sagen?
Siehe da: ein Delfin. Was soll das bedeuten? Ist diese Frau mit einem Delfin als Tattoo etwa eine gute Schwimmerin? Gar eine Rettungsschwimmerin? Oder will sie einfach nur ihre Vorliebe für diese wunderbaren Tiere zum Ausdruck bringen und uns signalisieren, dass sie Delfine ganz besonders mag – im Unterschied zu Haien?
Wie soll ich sie verstehen? Sind die Zeichen auf ihrer Haut Warnungen oder Verlockungen? Will diese Frau womöglich meine Süße sein oder will sie mir Saures geben?
Ich wollte es genau wissen. Ich wollte sie kennenlernen. Ich dachte, dass es sich bei ihrem Tattoo möglicherweise um Blindenschrift handelt und bin ganz vorsichtig mit dem Finger darübergefahren. Mit Fingerspitzengefühl. Ein schönes Wort übrigens, das sich Joachim Heinrich Campe ausgedacht hatte. Das verwundert womöglich. Man hält es nicht für ein deutsches Wort.
Ich wollte jedenfalls probieren, ob ich ihr Tattoo mit der sanften Berührung meiner Finger entziffern und ihr Zeichen deuten konnte. Ich konnte. Ich habe es sofort an ihrer Reaktion gemerkt. Es war eindeutig, was sie mir damit sagen wollte. Übersetzen ließe sich das am besten mit der Formulierung: „Finger weg!“
Den ganzen virtuellen Adventskalender mit den bereits geöffneten Türchen 1-13 finden Sie bei o-gott.com.
Noch ein Tipp: Geschichten und Gedichte zu Weihnachten von den so genannten Dienstagspropheten (das ist eine Gruppe von Literaten und Musikern – Martin Betz, Sebastian Krämer, Bernhard Lassahn und Georg Weisfeld –, die im Zebrano-Theater in Berlin am zweiten Dienstag des Monats auftreten) gibt es hier: Diesmal wird Weihnachten ein Dienstag.