Rainer Grell / 24.01.2019 / 16:00 / 31 / Seite ausdrucken

Adieu Aufklärung

Wenn man ein gewisses Alter erreicht hat, dann erschüttert einen so leicht nichts mehr. Weil man eben schon so viel erlebt hat. Doch diese Regel kennt etliche Ausnahmen. Bei mir jedenfalls.

Ich will die verehrten Achse-Leserinnen und -Leser nun nicht damit langweilen, all das aufzuzählen oder gar auszubreiten, was mich erschüttert. Vielmehr konzentriere ich mich auf ein Phänomen, das mich besonders umtreibt und nicht zur Ruhe kommen lässt. Es geht um das, was als „westliche Werte“ apostrophiert und als Ergebnis der Aufklärung bezeichnet wird. Meine Erschütterung geht umso tiefer, als wir, das heißt unsere Eltern und Großeltern, in der Zeit von 1933 bis 1945 einen Rückfall in die Barbarei erlebt haben, den kaum jemand im zivilisierten „Land der Dichter und Denker“ für möglich gehalten hätte und von dem hinterher wohl die meisten glaubten, dass wir dadurch ein für allemal kuriert seien. Werch ein Illtum (Ernst Jandl).

Zwar vermittelte die Charta der Vereinten Nationen vom 26. Juni 1945 zunächst den Eindruck, als habe die Welt verstanden, worum es geht. Doch je mehr die Wirkung der beiden Weltkriege nachließ, umso mehr zeigte sich, dass auch der moderne Mensch immer noch an seinem evolutionären Erbe zu tragen hat, das ihm zwar eine gottgleiche Technik (godlike technology) ermöglicht, aber immer noch „steinzeitliche Gefühle“ (Stone Age emotions) hinterlassen hat (Edward O. Wilson). Auch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) der UNO vom 10. Dezember 1948 (seitdem „Human Rights Day“ – „Tag der Menschenrechte“) kann über diese Faktenlage nicht hinwegtäuschen, so schön ihre 30 Artikel auch klingen.

Und so stellen wir mit Verblüffung fest, dass sich eine Religion in Deutschland und Europa etablieren konnte, die Apostasie (arab. irtidad), also den Abfall vom Glauben, wie einst die römisch-katholische Kirche im Mittelalter, mit dem Tode bedroht, wenn die Strafe auch nur selten vollstreckt wird. Denn ihr Gründer hat befohlen: Wer den Islam verlässt, den tötet. Auf weitere Einzelheiten kann ich in diesem Zusammenhang nicht eingehen. Interessenten finden sie hier. Von Religionsfreiheit (Artikel 18 AEMR) keine Spur, obwohl Muslime und Islamapologeten nicht müde werden, westlichen Skeptikern Sure 2, 256 vorzuhalten, wo es heißt: „Es gibt keinen Zwang im Glauben/in der Religion“ – lā ikrāha fī‘l-dīn). Es gibt wenige Sätze im Koran, die so umstritten sind wie dieser. „Warum wird so viel Aufhebens um diesen Vers gemacht?“, fragte die 2015 verstorbene dänische Islamwissenschaftlerin und Princeton-Professorin Patricia Crone in ihrem Festvortrag anlässlich der Eröffnungsfeier des 30. Deutschen Orientalistentags in Freiburg am 24. September 2007. Und gab diese Antwort: „Nun, ein Grund dafür ist, dass er einen toleranten Aspekt zum Ausdruck bringt, den Westler gerne hören, so dass es eine gute Passage ist, ihre Vorurteile über den Islam zu zerstreuen“ (Übersetzung von mir). Crone nennt gleich sechs Interpretationen dieses Satzes und Tilman Nagel (Islam oder Islamismus? Probleme einer Grenzziehung, 2005, S. 32f.) fügt noch eine siebte hinzu. Bei der Gelegenheit muss eine besonders subtile und deshalb schwer durchschaubare Form der Täuschung erwähnt werden: Sie besteht darin, dass sich Muslime die Unkenntnis des „islamischen Kontextes“ bei ihren (meist gutgläubigen und gutwilligen) westlichen „Dialog“-Partnern zunutze machen. Manche bezeichnen das auch als „taqiyya“, während ich lieber auf diesen aus dem schiitischen Islam stammenden theologischen Begriff verzichte, weil er entbehrlich ist (Täuschung reicht) und nur eine unnötige Angriffsfläche bietet.

Mut zum eigenen Verstand

Aber, wendet einer der erwähnten Dialog-Partner ein, der Islam kennt doch die Menschenrechte und führt als Beleg „Die Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam“ vom 5. August 1990 an. Folgen wir nun der Kant’schen Devise der Aufklärung und haben den Mut (ja, man braucht heutzutage wieder Mut dazu!), uns unseres eigenen Verstandes zu bedienen (sapere aude!), so lautet gleich die erste Frage: Wieso brauchen die 56 Staaten der am 25. September 1969 gegründeten OIC (Organisation of Islamic CooperationOrganisation für islamische Zusammenarbeit), die allesamt Mitglieder der UNO sind (1948 gehörten allerdings erst elf islamische Staaten der Weltorganisation an), eine gesonderte Erklärung der Menschenrechte im Islam? Warum genügt ihnen nicht die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der UNO? Die Antwort findet sich in Artikel 24 der Kairoer Erklärung: „Alle Rechte und Freiheiten, die in dieser Erklärung genannt wurden, unterstehen der islamischen Scharia.“ Und Artikel 25 stellt klar: „Die islamische Scharia ist die einzig zuständige Quelle für die Auslegung oder Erklärung jedes einzelnen Artikels dieser Erklärung.“ Insgesamt stehen die Menschenrechte im Islam 13-mal unter Scharia-Vorbehalt.

Nun dürfte das für Leute wie Schäuble, Wulff und Merkel (alle CDU – zur Erinnerung: „C“ steht für „Christlich“) kein Problem sein, denn für sie gehört der Islam ja zu Deutschland. Und: „Wer Ja zum Islam sagt, muss auch Ja zur Scharia sagen“, wie Henryk M. Broder deutlich gemacht hat. Doch zählen Logik und Konsequenz bekanntlich nicht unbedingt zu den hervorstechenden Eigenschaften von Politikern (m./w./div.).

Aber diejenigen, die gewohnt sind, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen, sollten es besser wissen und nicht auf die Rosstäuschereien reinfallen, von wem auch immer sie ausgehen.

Was sind denn nun die „westlichen Werte“, von denen ich eingangs gesprochen habe? Ohne Rangfolge nenne ich: Gleichberechtigung von Mann und Frau, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit (einschließlich der Freiheit, keine zu haben, oder die Religion zu wechseln), Trennung von Kirche und Staat, sprich von religiöser und weltlicher Macht, Volkssouveränität, „rule of law“; kurz Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaat. Alle diese Werte stehen im Grundgesetz (GG). Aber jeder Jurastudent lernt spätestens im dritten Semester den Unterschied zwischen Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit kennen.  

Vernichtung der Toleranten?

Ein Begriff, der derzeit Hochkonjunktur im politischen und gesellschaftlichen Diskurs unserer „offenen Gesellschaft“ (Karl Popper) hat, ist „Toleranz“. Zwar sucht man ihn im Grundgesetz vergeblich (lediglich in Artikel 27 Absatz 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt taucht er als „Erziehungsziel“ auf), doch begegnet er einem inhaltlich im Grundrechtsteil auf Schritt und Tritt. Deshalb heißt es auch über die Toleranz, „Sie sei eine der ‚Lebenswurzeln der Demokratie‘ und liege dem ‚grundrechtlichen Wertsystem‘ des Grundgesetzes zugrunde. Mehr noch: Toleranz sei im grundgesetzlichen Rechtsstaat nicht nur Voraussetzung von Recht, sondern selbst geltendes Recht – sie sei ‚Rechtsprinzip‘, ja sogar ‚Verfassungsprinzip‘“, wie Stefan Mückl in einem lesenswerten Aufsatz unter dem programmatischen Titel „Grenzen der Toleranz im Rechtsstaat“ ausgeführt hat. Besonders häufig wird „Toleranz“ von Islamapologeten ins Feld geführt, was letztlich zur Etablierung dieser Politreligion in Deutschland und anderen Staaten Europas geführt hat.

Demgegenüber steht das Prinzip „Keine Toleranz für Intoleranz“, das auf Poppers „Paradox der Toleranz“ zurückgeht, das aber leider in der Praxis weitgehend ignoriert wird. Popper schreibt in seinem zweibändigen Werk „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“ (1944, München 1977, Band 1, Seite 359): „Weniger bekannt ist das Paradox der Toleranz: Uneingeschränkte Toleranz führt mit Notwendigkeit zum Verschwinden der Toleranz. Denn wenn wir die unbeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen.“

In einem Gespräch mit dem Philosophen und Publizisten Willi Hochkeppel zu seinem 90. Geburtstag (30.07.1992) hat Karl Raimund Popper diese Gedanken geäußert (von 47:20 - 47:40): „In der Freiheit nämlich ist einem die Freiheit selbstverständlich, man weiß nicht, dass es nötig ist, sie zu verteidigen. Aber ohne Verteidigung der Freiheit kommen alle möglichen Ideologien auf, in denen die Freiheit verloren geht.“

Warnungen gab es genug

Dabei hätten wir auch ohne diese Worte gewarnt sein können und zwar ausgerechnet aus den Reihen derjenigen, die heute unsere Toleranz bedrohen und sich mehr und mehr als Feinde der offenen Gesellschaft etablieren:

In einem türkischen Märchen wird von einem barmherzigen Kamelreiter erzählt, der eine Schlange in der Hoffnung auf ihre Dankbarkeit aus dem Feuer rettet und dann eine furchtbare Enttäuschung erlebt. Die Schlange sagte nämlich nach ihrer Rettung: „Ich will nicht von hier gehen, ehe ich dich gebissen habe.“ Auf den Einwand des Kamelreiters, er habe es nicht an Menschlichkeit fehlen lassen, erwiderte die Schlange: „Ja, du hast es nicht an Menschlichkeit fehlen lassen, aber sie war nicht angebracht, und deine Güte hat einen Unwürdigen getroffen. Du weißt, dass ich eine Quelle des Giftes und des Schadens bin. Wenn du also einen so großen Schädling nicht im Feuer hast umkommen lassen, so kannst du von ihm als Belohnung jedenfalls nichts anderes als Unheil und Böses erwarten.“ Dass die Sache am Ende trotzdem für den Kamelreiter gut ausgeht, hat er dem Fuchs zu verdanken, der ihm mit List dazu verhilft, die Schlange zu töten.   

Mein (persischer) Lieblingsdichter Saadi (1210-1292) fasst seine Erfahrung noch knapper: „Zum Wolfe wird des Wolfes Brut, lebt sie auch unter Menschenhut.“

Doch wer liest heute noch solche alten Geschichten und zieht seine Lehren daraus?!

Henryk M. Broder drückt es in seinem Buch „Kritik der reinen Toleranz“ (2008, in Anlehnung an Kants „Kritik der reinen Vernunft“, 1781) in der ihm eigenen Diktion noch deutlicher aus: „Falls Sie bis jetzt [Seite 210] dabeigeblieben sind, könnte bei Ihnen der Eindruck entstanden sein, dass ich kein Anhänger der reinen Toleranz und eher bereit bin, der gezielten Intoleranz das Wort zu reden. Ihr Eindruck ist richtig. Ich halte Toleranz für keine Tugend, sondern für eine Schwäche – und Intoleranz für ein Gebot der Stunde.“

So weit geht Mückl in dem erwähnten Aufsatz nicht. Aber er betont: „In keinem Fall vermag der Rekurs auf ein ‚Prinzip‘ der ‚Toleranz‘ die von der Verfassung gewollten und niedergelegten Wertentscheidungen zu unterlaufen.“ Das wird durch Artikel 18 Satz 1 GG ausdrücklich bestätigt, der bestimmt: „Wer die Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere die Pressefreiheit (Artikel 5 Abs. 1), die Lehrfreiheit (Artikel 5 Abs. 3), die Versammlungsfreiheit (Artikel 8), die Vereinigungsfreiheit (Artikel 9), das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Artikel 10), das Eigentum (Artikel 14) oder das Asylrecht (Artikel 16a) zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht, verwirkt diese Grundrechte“ (Hervorhebung von mir). Die entsprechende Entscheidung trifft das Bundesverfassungsgericht. Den erforderlichen Antrag kann nur der Deutsche Bundestag, die Bundesregierung oder eine Landesregierung stellen, § 36 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht. Zwar hat es Anträge nach dieser Vorschrift gegeben, eine Verwirkung von Grundrechten hat das BVerfG aber noch nie ausgesprochen.

Unglückliche Rolle der Richter

Was sich unter dem Label „Religionsfreiheit“ in der Bundesrepublik abspielt, hätte ich etwa während meines Jurastudiums (von 1961-1965) nie für möglich gehalten. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht aus meiner Sicht keine sehr glückliche Rolle gespielt. Das kommt nicht nur in verschiedenen Entscheidungen zum Ausdruck, sondern auch in „außergerichtlichen“ Äußerungen. So hat beispielsweise die seinerzeitige Präsidentin des höchsten deutschen Gerichts, Jutta Limbach (gest. 2016), bei den „Landauer Gesprächen“ 1994 geäußert, dass Religionsfreiheit auch bedeuten müsse, andere Normen zu tolerieren. Die Freiheitsrechte der Religionen könnten ohne Zweifel mit anderen verfassungsrechtlich garantierten Grundrechten wie der Gleichberechtigung von Mann und Frau in Konflikt geraten (Fundstelle: Ursula Spuler-Stegemann, Muslime in Deutschland, Herder 1998, S. 220f.).

Und Winfried Hassemer (gest. 2014), ehemaliger Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts (vom 10. April 2002 bis 7. Mai 2008, dem Gericht gehörte er seit 3. Mai 1996 an), Vorsitzender des Zweiten Senats, und o. Professor an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main, brachte in seinem Vortrag „Religiöse Toleranz im Rechtsstaat. Das Beispiel Islam“ (2004), gehalten vor der Juristischen Studiengesellschaft Regensburg (!) am 3.2.2004, das Kunststücke fertig, über den Islam zu sprechen (und zu schreiben, zum stolzen Preis von 18,80 € für 56 Seiten), ohne auch nur einmal dessen Grundlagen, den Koran und die Sunna, zu erwähnen. Auch auf Poppers „Paradox der Toleranz“ ging er mit keinem Wort ein. Während dieser Vortrag weitgehend unbeachtet blieb, erregte Hassemer Aufsehen mit einer Äußerung in einem Spiegel-Online-Interview (vom 13. Mai 2009) über sogenannte Ehrenmorde: „Ich finde, bei einer derartigen Tat müssen auch der soziale Kontext und die Sozialisation des Täters bedacht werden.“ Das könnte im Extremfall bis zur Straffreiheit führen, selten jedoch zu einer Verurteilung wegen Mordes. Glücklicherweise ist die Rechtsprechung dieser Linie nicht gefolgt, sondern sieht in „Ehrenmorden“ tatsächlich Morde im Sinne von § 211 Strafgesetzbuch und nicht etwa nur Totschlag.

Aber es bleiben noch genügend seltsame Blüten, die die Toleranz gegenüber der mittelalterlichen Politreligion Islam treibt. Eine, die mir besonders ins Auge sticht, weil sie offenbar als vollkommen selbstverständlich hingenommen wird, sind die 50 Fatih-Moscheen (Fatih Camii) in Deutschland. Der Name bedeutet „Eroberer Moschee“ und bezieht sich auf die Eroberung des christlichen Konstantinopel durch Sultan Mehmed II. am 29. Mai 1453, der in einem Mausoleum der Fatih-Moschee in Istanbul begraben ist. Auch die teilweise Anerkennung der islamischen Zweitehe, trotz deren Verbotes (§ 1306 BGB, § 5 Ehegesetz) und Strafbarkeit (§ 172 StGB), gehört zu diesen Blüten. Zwangsheirat ist mittlerweile strafbar, § 237 StGB, während man zu „Kinderehen“ auf der Homepage des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz liest: „Der Deutsche Bundestag hat am 1. Juni [2017] ein Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen beschlossen. Dieses dient dem Schutz der betroffenen Minderjährigen und soll Rechtsklarheit schaffen. Dazu sieht das Gesetz Änderungen im Eheschließungs- und Eheaufhebungsrecht, des Asyl- und Aufenthaltsrechts sowie des Kinder- und Jugendhilferechts vor.“ Von den Erscheinungen im Schulbereich ganz zu schweigen.

Jahrhundertfehler

Der unerträglichste Verstoß gegen unsere Werteordnung ist jedoch für mich die Behandlung muslimischer Frauen mitten unter uns, so, als ob der mühsam erkämpfte Artikel 3 Absatz 2 Satz 1 GG (Männer und Frauen sind gleichberechtigt) nicht existierte. Und wo bleibt der „Aufschrei“, der sonst bei jeder halbwegs anzüglichen Bemerkung losbricht? Fehlanzeige. Terre des Femmes und die verehrte Alice Schwarzer kämpfen auf verlorenem Posten. Bisher jedenfalls.

Die Aufklärung ist eine europäische Erfolgsgeschichte, die lange vor der bekannten Churchill-Sentenz mit "Blood, Toil, Tears and Sweat" (Blut, Mühe, Tränen und Schweiß) erkämpft wurde. Dafür stehen Namen wie

England (“enlightment“): John Locke (“Two Treatises of Government”), Thomas Hobbes (”Leviathan“) David Hume (“A Treatise of Human Nature” – Inhaltsverzeichnis)

Deutschland: Immanuel Kant (mit dem berühmten Aufsatz „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“), Gotthold Ephraim Lessing („Nathan der Weise“), das klassische „Viergestirn“ von Weimar: Johann Gottfried Herder, Christoph Martin Wieland, Johann Wolfgang Goethe und Friedrich Schiller

Frankreich („les Lumières“): Jean-Jacques Rousseau, Denis Diderot, Voltaire (nach dem in Frankreich das 18. Jahrhundert der Aufklärung als „le siècle de Voltaire“ benannt ist)

Italien: Cesare Beccaria („Dei delitti e delle pene“)

Niederlande: Baruch de Spinoza („Tractatus theologico-politicus“)

Spanien („siglo de las luces”): Gaspar Melchor de Jovellanos.

Es gibt eine Immanuel Kant-Stiftung in Bonn, die der AfD nahesteht und eine Immanuel Kant-Stiftung in Freiburg, die sich die „Förderung eines kantischen Weltbürger-Ethos“ zum Ziel gesetzt hat.

Ein Kuriosum, jedenfalls in meinen Augen, sind die Voltaire Foundation an der University of Oxford und die John Locke Foundation in North Carolina (USA). In ihren Geburtsländern existieren offenbar keine Stiftungen der großen Aufklärer.

Doch ist das letztlich ohne Belang: Keine der Stiftungen hat sich nach meinen Recherchen bisher gegen den Abbau der aufklärerischen Werte engagiert oder sich gar kritisch zum Islam geäußert. Außer der AfD-nahen Kantstiftung natürlich, aber die ist eben politisch pfui und überzeugt wohl nur diejenigen, die ohnehin überzeugt sind.

Allerdings gibt es noch eine Voltaire-Stiftung, die aber offenbar nur über Facebook zu erreichen ist, wozu ich bewusst keinen Zugang habe (ebenso wie zu Twitter, Instagram und allen sonstigen „social media“). Immerhin kann man dort folgendes lesen: „Ni voile, ni burqa, l’islam ne passera pas !“ (Weder Schleier noch Burka, der Islam wird sich nicht durchsetzen).

Allererste aller Kräfte

Fassen wir zusammen. Unsere westlichen Werte, in der Aufklärung mühsam erkämpft, scheinen vielen Zeitgenossen in Politik, Presse und Wissenschaft, von den Kirchen nicht zu reden, nicht der Verteidigung wert (von politischen Sonntagsreden abgesehen). Im Gegenteil: Nicht wenige sympathisieren mit den muslimischen Verbänden, die einen konservativen Islam vertreten, der mit unserem Grundgesetz keinesfalls vereinbar ist. So hält es der deutsch-israelische Psychologe Ahmad Mansour für einen „Jahrhundertfehler", dass muslimische Verbände die Aufgabe übernehmen, Flüchtlinge zu integrieren. Sie seien nicht geeignet, weil verantwortlich für Parallelgesellschaften, sagte Mansour im Deutschlandfunk. Wer mehr wissen will, lese sein Buch „Klartext zur Integration: Gegen falsche Politik und Panikmache“, S. Fischer 2018).

Als der Maler Max Liebermann einen Fackelzug der SA nach der „Machtergreifung“ an seinem Berliner Haus vorbei marschieren sah, soll er gesagt haben: „Ick kann janich so ville fressen, wie ick kotzen möchte!“ An diesen Satz muss ich oft denken, wenn ich in diesen Tagen Reden über „unsere westlichen Werte“ höre, die es zu verteidigen gelte. Wer’s gern aktueller hätte, sei an die Aussage des „Modezaren“ Karl Lagerfeld erinnert: „Wir können nicht, selbst wenn Jahrzehnte zwischen den beiden Ereignissen liegen, Millionen Juden töten und Millionen ihrer schlimmsten Feinde ins Land holen“. Das zielte direkt auf die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel, die doch am 18. März 2008 in einer Rede vor der Knesset in Jerusalem betont hatte: „Diese historische Verantwortung Deutschlands [gegenüber Israel] ist Teil der Staatsräson meines Landes. Das heißt, die Sicherheit Israels ist für mich als deutsche Bundeskanzlerin niemals verhandelbar und wenn das so ist, dann dürfen das in der Stunde der Bewährung keine leeren Worte bleiben.“ Da kann ich nur noch den französischen Philosophen und Journalisten Jean-François Revel (1924-2006) zitieren: „Die allererste aller Kräfte, die die Welt regieren, ist die Lüge.“ Kein Wunder, dass sein Sohn, Matthieu Ricard (Jahrgang 1946), eine vielversprechende Karriere als Molekularbiologe ausgeschlagen hat und stattdessen buddhistischer Mönch geworden ist.

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Andreas Spata / 24.01.2019

Guten Tag Herr Grell, alles wahr, alles richtig, leider bleiben die Warnungen die es schon seit Jahren gibt immer noch weitgehend ungehört. Das ist zumindest mein Eindruck. Von einige der besten, die sich mit dieser politisch religösen Heilslehre auskennen, hört oder sieht man, wohl aus gutem Grund, nicht viel in den Mainstreammedien. Man kann es verstehen das Risiko der soziale Ausgrenzung ist groß, abgesehen von der Tatsache das Islamkritikern natürlich auch noch, nach koranischem Recht, der Tod droht. Das wissen die islamkritischen Sachkundigen natürlich auch. Sehr aufbauend finde ich immer wieder die kleinen mutigen Lichtblicke die im verborgenen aufleuchten. Für mich, als Christ, leuchtet da besonders der kleinen Pfarrer der schon am 25.12.2014 im Erzbistum Osnabrück zum Stephanus Evangelium - Feindesliebe - und zur christlichen Soziallehre predigte und die Gemeindemitglieder sogar aufforderte “zu den großen (Montags) Demonstrationen” zu gehen.  Er hat die Problematik, der Aufnahme von Muslimen, in ein Land in der der christlich Glauben langsam verloren geht sehr gut auf den Punkt gebracht. Stichwort nochmal:  Christliche Soziallehre. “Was nützt es den Schafen wenn der Schäfer (die Bischöfe) ein Schaf ist?!” - Zu finden unter Islam: Die Wahrheit von einem Priester Pegida Demo. Das baut auf, das zieht mit. Leider haben wir noch viel zu viele Schafe in Deutschland. Hoffentlich dreht sich der Wind bei den nächsten Wahlen nachhaltig und die sprichwörtlichen Schafe werden von den saftigen Weiden geführt.

Petra Wilhelmi / 24.01.2019

Wenn heute von der Regierung, den Altparteien, den Kirchen, den Gewerkschaften, den Gutmenschen in linksgrün usw. usf. von Toleranz gesprochen wird, so meinen sie nicht wirklich Toleranz, sondern Unterwerfung oder Interesselosigkeit. Toleranz ist zweiseitig. Toleranz den Intoleranten entgegenzubringen heißt, dass man sich letztendlich deren Diktat zu beugen hat. Auch Toleranz muss man sich verdienen. Sie kann nicht zum Nulltarif an alle verschleudert werden, die oft dazu noch unlautere Absichten uns gegenüber haben. Toleranz ist kein Selbstläufer. Niemand würde einen Wolf in sein Haus nehmen und meinen, dass er einen verlässlichen Beschützer und lieben Freund für Haus und Hof gefunden habe. In einem Rollenspiel von mir sagt sinngemäß einer der Protagonisten zu einem Gefährten: Ich werde bald König sein, dann werde ich auch mit eurem Volk über Frieden verhandeln. Der Gefährte: Das bringt nichts. Sie werden euch zustimmen, weil sie wissen, das Menschen unterschriebenes Papier mögen. Wir werden unsere Waffen schärfen und wenn wir stark genug sind, werden wir in euer Land einfallen, wenn wir es für den richtigen Zeitpunkt halten. Das beschreibt die heutige Situation meine ich, treffend.

Sabine Drewes / 24.01.2019

Ein längst überfälliger Artikel. Was Sie erschüttert, Herr Grell, erschüttert mich nicht weniger: die schleichende Selbstaufgabe unserer Werte der Aufklärung, ausgerechnet im Namen der Toleranz. Die Freiheit ist ein hohes Gut, die aber dauerhaft nur erhalten bleibt, wenn man bereit ist, sie gegen ihre Feinde zu verteidigen und für sie zu kämpfen. Das wäre eigentlich eine Kernaufgabe der Unionsparteien. Dass sie hier so weitgehend versagen, ist fatal.

Marc Blenk / 24.01.2019

Lieber Herr Grell, es heißt Glaubensfreiheit, nicht Religionsfreiheit. Aber seit Jahrzehnten wird bei der Interpretation des Grundgesetzes/Verfassung enorm geschludert. Der Aufklärung sind die gegenwärtigen politischen Stromlinien im Lande jedenfalls schon lange nicht mehr verpflichtet. Es läuft auf einen linksislamischen Staat hinaus. Und nur wir Bürger können das noch verhindern. Nicht mehr die Parteien. Man schaue sich die Versuche, über den Verfassungsschutz gegenüber der AFD an, Islamkritik als verfassungsfeindlich zu deklarieren. Allerdings glaube ich, dass das nach hinten los geht. Denn wenn die meisten Bürger merken, dass das, was sie selbstverständlich denken, verfassungsfeindlich sein soll, dann ist Schluss mit lustig.

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