Wie aus zahlreichen Leserzuschriften unter mehreren Medienbeiträgen im Netz ersichtlich ist, scheint die Angst davor, nach kritischen Äußerungen Repressalien in Beruf und Gesellschaft zu erleiden, durchaus verbreitet zu sein. Dass die Unterstellungs- und Beschuldigungskultur im öffentlichen Umgang solch einen Siegeszug einfahren konnte, dürfte einer modernen und aufgeklärten Gesellschaft eigentlich gänzlich unwürdig sein.
Um zu verstehen, wer diese irrlichternde Fahrt antreibt, darf man gerne noch einmal die „Masken der Niedertracht“ (2002) von Marie-France Hirigoyen zur Hand nehmen. Das Buch sorgte seinerzeit in Frankreich für eine heftige Diskussion. Es ist zwar fokussiert auf längerfristige Beziehungen in Familien oder am Arbeitsplatz, zeichnet aber einen Persönlichkeitstypus nach, der auch in anderen Zusammenhängen relevant sein könnte.
Hirigoyen beschreibt ganz unverblümt Personen, die verbale Gewalt anwenden und dabei hinterhältig und skrupellos agieren. Das diene dazu, „ihr eigenes Ego zu erhöhen und ihre Gier nach Anerkennung“ zu befriedigen. Hochaktuell wirkt diese Beobachtung: „Unter dem Vorwand von Toleranz“ werde man nachsichtig bezüglich einer „pervertierten Form des Umgangs miteinander“, wozu böswillige Andeutungen und Lügen ebenso gehörten, wie eine Situation auf den Kopf zu stellen. Die Aggressionen der Angreifer zeigten sich in feindseligen Machenschaften gegenüber „Prügelknaben“. „Der oder die Angreifer ‚kommen groß raus‘, indem sie die anderen herabsetzen“ und gleichzeitig dem anderen die Verantwortung zuschieben für das, was nicht klappt.
Das häufige Motiv: in Hass umgewandelte Missgunst. Zerstörerisch werde der Prozess durch Häufigkeit und Wiederholung. Die Täter seien erfolgreich, weil sie mit ihren Machenschaften geduldet werden. Daher sei „das einzige Mittel, die Ausbreitung des perversen Prozesses einzudämmen“ die Weigerung des Umfeldes, mitzuspielen. Die Autorin meint: „Ein perverses Individuum ist beständig pervers; es ist fixiert auf diese Form der Beziehung zum Anderen und stellt sich in keinem Augenblick in Frage … Diese Personen können nicht anders leben.“ Wenn es stimmen sollte, dass man bei diesen Charakteren „nicht auf Einsicht und Besserung hoffen“ kann, dann müssen es die Verzagten sein, die von diesem Zug abspringen. Am besten alle auf einmal.
Jetzt habe ich den Eindruck, Sie beschrieben hier einmal die gefährlichen Narzissten... Bis vor einiger Zeit wurden die als Personengruppe bzw. Problem von Psychologen noch gar nicht wahrgenommen.... Ich hatte einige Gründe, mich damit zu beschäftigen... Am besten ist es, denjenigen zu isolieren und sich auf nichts mehr einzulassen... Wenn ich das früh genug merke, nehme ich reisaus... was ich sonst eigentlich nicht tue... Diskussionen, Klarstellungen nützen nämlich nichts... Soviel zu diesem Thema..
Ein sehr, sehr gutes Buch: für den privaten, aber auch den öffentlichen Bereich, geschrieben insb. für Politiker oder Medien: Zur Kommunikation der Peiniger: "Nichts wird benannt, alles bleibt unausgesprochen, vage." – "Man verweigert die Kommunikation, den Dialog." – "Das verstehst Du sowieso nicht." – "Man weiß nie so recht, wie man etwas deuten soll." – "Dogmatische, abstrakte Fachsprachen" –"Zweifel nähren durch Anspielungen."
Toleranz ist eine am häufigsten geforderte Eigenschaft in der gesellschaftlichen Debatte. Leider wird dabei übersehen, dass Toleranz nur auf gleicher Augenhöhe angebracht ist und funktioniert. Wer mich und meine Ansichten sowie mein Umfeld mißachtet, kann von mit keine Toleranz erwarten. So wird religiöse Toleranz nur mit Abgrenzung möglich sein. Und missionieren kann man nur Menschen, die dafür offen sind. Ein angekratztes Ego - sprich Minderwertigkeitskomplex - artikuliert sich oft in verbaler Gewalt. Ob es sich dann um ein "perverses Individuum" handelt, sei dahingestellt. Besserung ist tatsächlich fraglich. Insofern ist der Rückzug wohl die beste Alternative.
Der perverse Machtmensch kompensiert ein Gefühl der eigenen Minderwertigkeit durch erniedrigende Machtausübung auf Menschen, die für eine Unterordnung und eine Opferrolle empfänglich sind. Die diametral entgegengesetzten Strukturen ziehen sich wie magisch an. Schert einer der Beteiligten aus dem Rollenmuster aus, bleibt der Gegenpart „hilflos“ zurück.
Vorteilhaft wäre auch, wenn die Leser solcher Bücher auch sich selbst unter die Lupe nähmen, anstatt wie selbstverständlich vorauszusetzen, dass das schädliche Verhalten nur von anderen Leuten ausgehe. Viele von denen, die Repression ausüben, glauben ihrerseits, sie seien die Guten und dürften die Machenschaften ihrer Opfer nicht dulden.