Wenn das Schuljahr zu Ende geht, warten alle gespannt auf die Zeugnisse. So ist es auch in der Politik. Da die Legislatur endet, ziehen Medien Bilanz und bewerten die Minister. Dabei gibt es diesmal quer durch politische Lager bemerkenswert einhellige Urteile.
Als schlechteste Minister der Großen Koalition gelten Wolfgang Tiefensee (Verkehr), Michael Glos (Wirtschaft) und Ulla Schmidt (Gesundheit). Sie verkörpern bodenlose Bahnskandale und gescheiterte Gesundheitsreformen, Grauschleier und Dauerstreit. Wäre das Kabinett eine Schulklasse, wären sie die Sitzenbleiber, wobei Glos sogar schon vor der Zeugnisvergabe die Schule verlassen hat.
Die Ministerinnen Brigitte Zypries (Justiz) und Annette Schavan (Bildung) gehören hingegen zur Kategorie klug, verlässlich und ruhig. Sie tratschen nicht, sie passen immer auf und wenn es zur Arbeit kommt, schreiben sie eine eins. Auf der anderen Seite sind sie die Sorte Schülerin, die auf der Party keinen Tequilla mittrinkt und früh wieder nach Hause muss.
Das ganze Gegenteil davon sind Ursula von der Leyen (Familie) und Theodor zu Guttenberg (Wirtschaft). Das Glamour-Double der Kabinettsklasse. Sie gelten als erfolgreich und bekommen Bestnoten. Kompetent und cool zugleich. Ihnen traut man derzeit einfach alles Verzaubernde zu. Selbst wenn die beiden morgen als Eislaufpaar die Olympischen Spiele gewönnen, würde sich keiner wundern.
Die braven Dreierschüler heißen hingegen Franz-Josef Jung (Verteidigung) und Heidemarie Wieczorek-Zeul (Entwicklungshilfe). Sie wirken immer so, als seien sie von der Realschule aufs Kabinettsgymnasium gewechselt. Angestrengt lächelnd und im falschen Film. Der bodenständige Jung wäre offensichtlich der bessere Ministerpräsident in Hessen, und die entschiedene Wieczorek-Zeul gehörte besser in den Verdi-Bezirksvorstand Hessen-Süd.
Wolfgang Schäuble (Innen), Olaf Scholz (Soziales) und Frank-Walter Steinmeier (Außen) sind die soliden Schwergewichte der Klasse. Perfekte Besetzungen ihrer Ämter. Jeder achtet sie, aber keiner liebt sie. Sie sind so etwas wie Physikleistungskursler, die vom Lehrer schon die Schlüssel zum Labor bekommen haben.
Der Querkopf der Kabinettsklasse heißt Peer Steinbrück. Er eckt zwar gerne an, aber er
gilt auch als mutig, er wirkt wie ein Einzelgänger, aber er zieht gerade wegen seiner
Haltung Respekt auf sich wie kaum ein anderer. Ein Felix Magath der Politik. Er irrlichtert zuweilen, aber er hat auch das Zeug zum heimlichen Star.
Wenn da nicht Angela Merkel wäre, diese unumstrittene Klassensprecherin, deren Bewertung in allen Klassenbüchern so freundlich ausfällt, dass es schon langweilig wird.
Bleibt nur noch eine Rolle offen, und zwar die des Klassenclowns. Die besetzt vollumfänglich Bundesumweltminister Sigmar Gabriel. In Berlin nennen sie ihn „den Lothar Matthäus der Großen Koalition“. Dabei zählt Gabriel eigentlich zu den Hoffnungsträgern der gebeutelten SPD. Er ist wendig und tatkräftig, schnell im Kopf und noch schneller mit dem Mundwerk. Und doch wirkt er auf alle anderen nur wie ein Hallodri der Macht. Die eigene Partei hat ihn bei der Präsidiumswahl durchfallen lassen, und die Parteilinke hält ihn für einen VW-Tui-Schröder-Agenda-Industriefreund. In der Wirtschaft erarbeitet er sich hingegen den üblen Ruf eines Bulldozers der Öko-Ideologie. Irgendwie ist Sigmar Gabriel zwischen alle Stühle geraten. Note mangelhaft. Er kann sich immerhin mit der legendären Lothar-Mathäus-Weisheit trösten: „Wir dürfen jetzt nur nicht den Sand in den Kopf stecken!“