Ich finde auch Ihre Beiträge interessant und in jedem Falle lesenswert. Nur mit Ihrer These, dass die bürgerlichen Eliten dem Land 1933 den Todesstoß versetzten, bin ich nicht einverstanden. Sie schreiben selbst, dass die NSDAP bei den Wahlen nie so stark war wie SPD und KPD zusammen, und ferner schreiben Sie, dass die SPD damals nicht wusste, ob sie immer noch für die Revolution war. Von daher gab es also in dieser außergewöhnlichen Situation keine Berührungsängste gegenüber der KPD. Ein Zusammengehen der beiden Parteien hätte Hitler verhindert. (Ob damit Deutschland besser gefahren wäre, sei dahingestellt; das steht auf einem anderen Blatt.) Dass es nicht zu dieser Zusammenarbeit kam, liegt einzig und allein an der KPD. Sie sah in der SPD, den „Sozialfaschisten“, einen ärgeren Feind als die NSDAP. Selbst als der KPD 1933 von Hitler brutal das Lebenslicht ausgeblasen wurde, erklärte sie in ihrem letzten Schreiben die SPD als ihren Hauptfeind. Genau genommen aber war es Stalin, der die Zusammenarbeit verhinderte. Stalin hatte zu keinem Zeitpunkt die Weltrevolution aus dem Auge verloren, die nach den von Karl Marx „entdeckten historischen Gesetzmäßigkeiten“ unvermeidlich war. Und die Kommunisten wussten damals auch genau, wie das geschieht: Nach ihrer Lehre sind Kriege zwischen kapitalistischen Staaten unvermeidlich. Sie werden übereinander herfallen und sich selbst zerfleischen. Und genau dann kommt die Stunde des „Proletariats“ und errichtet quasi mühelos die neue kommunistische Ordnung in diesen Ländern. Stalin war scharfsinnig genug zu erkennen, dass Hitler Krieg bedeutet und somit der beste Garant für die von den Kommunisten herbeigesehnte Entwicklung war. Bleibt die letzte Frage: Wie konnte Stalin der KPD so sehr seinen Willen aufzwingen? Der Stalinkult, verbunden mit Unfehlbarkeitsanspruch, war damals noch nicht voll ausgeprägt. Etwas Anderes könnte die Erklärung sein: 1928 hatte ein enger Freund Thälmanns in die KPD-Parteikasse gegriffen, und Thälmann sollte aus der Partei ausgeschlossen werden. Stalins Intervention hatte das verhindert – und Thälmann war spätestens ab diesem Zeitpunkt nur noch der gehorsame Vasall Stalins.
Sehr guter Artikel, Frau Stephan. Warum braucht ein Deutschland, dass längst in Europa aufgegangen und endlich in der westlichen Wertegemeinschaft integriert schien eine solch massiv forcierte Veränderung? Ist es späte Rache der Sozialisten am 3. Reich? Oder ist es vielleicht eher unsere wirtschaftliche Stärke, die anderen ein Dorn im Auge ist? Vermutlich beides. Was jedoch bereits deutlich zu erkennen ist, sind die Auswirkungen: Man versucht dieses Land zu zerteilen und die Stücke des Kuchens an andere zu verteilen. Alles schon mal dagewesen. Und wieder ist es die schwächelnde Mitte der Gesellschaft, die dem Treiben in völliger Naivität zuschaut, bis am Schluss nur noch der Extremismus übrig bleibt, der das Problem mit harter Hand angeht. Das Bürgertum in Deutschland hat es bis heute nicht begriffen: Die Freiheit muss aktiv verteidigt werden, sonst ist sie Geschichte. Ronald Reagan hatte dies erkannt. Zitat: “Freedom is a fragile thing and is never more than one generation away from extinction.”
Wie immer sind Cora Stephans Beiträge eine interessante, lehrreiche Lektüre. Mich irritiert nur ein wenig die unreflektierte Übernahme dieser These vom “Selbsthaß der Deutschen”. Betrachte ich meine Alltagswelt, die Welt der sogenannten “normalen” Leute - Arbeiter, kleine Angestellte, meine Friseuse, Rentner, die nette Frau an der Wursttheke beim Tengelmann usw - so sehe ich niemanden, der von “deutschem Selbsthaß” beseelt wäre. Diese erfreulichen Zeitgenossen wüßten mit diesem Begriff überhaupt nichts anzufangen. Man müßte diesen Begriff, wenn man sich schon darauf einläßt, zumindest gesellschaftlich verorten und wäre dann rasch wieder im rotgrünen Milieu, das seit 40 Jahren den öffentlichen Diskurs beherrscht. Doch bezweifle ich, ob Repräsentanten dieses Milieus - etwa eine Claudia Roth oder Kathring Göring-Eckart - sich selbst hassen. Was als Selbsthaß erscheint, ist vielmehr eine Waffe, ein Instrument zur Delegitimierung des politischen Gegners. Nach wie vor überzeugend erscheint mir die Deutung, die Helmuth Schelsky schon 1976 lieferte: Bei der “Liebe zum Fremden und dem Haß auf das Eigene” geht es um die “Übertragung und Identifizierung der Elendsfronten in die eigene Wirklichkeit, also um die Möglichkeit, die heilsherrschaftlichen Machtansprüche zu Hause dramatisieren und mit einer Wirklichkeit auffüllen zu können, die aus der eigenen Erfahrung von den Mitgliedern der eigenen Gesellschaft nicht erlebt und bestätigt werden kann (Die Arbeit tun die anderen. Opladen 1975, S. 84 f).” Es überrascht nicht, daß auch Künstler gern diese “Wirklichkeitsentwertung” betreiben. Schon Georges Sorel (1847-1922), auf den sich Schelsky ausführlich bezieht, erkannte, das Ziel sei die Errichtung einer auf Heilsutopien gegründeten “Gegenkirche des Laizismus”. Die Akteure “leben am Rande der Produktion; sie beschäftigen sich mit Literatur, Musik, finanziellen Spekulationen; nichts berührt sie, was in der Welt notwendig ist, und ihre Verwegenheit hat denselben Ursprung, wie die so vieler Edelleute im 18. Jahrhundert (Sorel).”
Gefesselt vom ersten Satz bis zum letzten, das ist mir selten passiert, werte Frau Stephan! Dafür möchte ich mich bedanken- denn ist es nicht faszinierend, wenn man quasi seine eigenen Gedanken schwarz auf weiß lesen kann? Ich bin immer noch darüber erschüttert, dass in einer doch ruhigen und erfolgreichen DEMOKRATIE ad hoc etwas beschlossen wurde- faktisch im Alleingang- was nie wieder rückgängig gemacht werden kann. Selbst, wenn diese unheimliche „Eminenz“ nicht wieder kandidieren wird, um sich höheren, weltumspannenden Aufgaben zu widmen. Das kann auch nicht durch Wahlen abgemildert werden, gut von Ihnen am Beispiel „Den Todesstoß versetzten dem Land die bürgerlichen Eliten“ hergeleitet. Sprachlos gemacht (dank Maas) stehen wir schon wieder vor vollendeten Tatsachen, hoffen naiv auf eine AfD- die aber eifersüchtig erst gar nicht an das Steuerrad gelassen wird. Denken wir nur an die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt, wo nicht vom Volk gewollte Konstellationen rasch mit der „heißen Nadel“ genäht wurden. Wo wird das Ende sein?
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