Thomas Rietzschel / 09.10.2024 / 13:00 / Foto: Montage achgut.com / 33 / Seite ausdrucken

Abgeordneten-Bezüge: Reden wir über Geld – und Steuern

Es wird  Zeit, dass die Einkünfte der Abgeordneten genauso versteuert werden, wie die jedes anderen Gehaltsempfängers auch. Von einer "Entschädigung" kann ja schon lange nicht mehr die Rede sein, heutige Politiker üben ihre Tätigkeit als Beruf aus.

Hierzulande gilt: Über Geld spricht man nicht, entweder weil man zu wenig hat und nicht als arm gelten will, oder weil man mehr hat und fürchtet, damit Neid zu erregen. So weiß kaum einer vom anderen, was er verdient, wobei das Einkommen der Politiker ein großes Mysterium zu sein scheint. Von Unsummen ist hinter vorgehaltener Hand die Rede.

Gerüchte kursieren, wo man nichts Genaues nicht weiß. Dringt dann doch etwas an die Öffentlichkeit, schlagen die Wellen der Erregung hoch.  Mit enthüllenden Berichten lassen sich Schlagzeilen machen. So hat der FOCUS erst neulich ausgeplaudert, was Ricarda Lang verdient, was sie nur dafür bekommt, dass sie im Bundestag sitzt. 

Ihre monatliche „Abgeordnetenentschädigung“ belaufe sich auf 10.592,70  Euro, erfuhr der verblüffte Leser. Nicht mehr und nicht weniger als jedem anderen der 736 Mitglieder des Hohen Hauses zusteht. Bei dem, was sie erhalten, handelt es sich aber weder um Lohn noch um Gehalt, vielmehr um eine „Entschädigung“.

Die Parlamentarier haben daher auch keinen Anspruch auf ein 13. Monatsgehalt, auf Weihnachts- und Urlaubsgeld. So hat es das Grundgesetz festgelegt. War man doch zunächst davon ausgegangen, dass die gewählten Volksvertreter aus dem bürgerlichen Erwerbsleben kommen würden. Für ihre zusätzliche Tätigkeit im Parlament sollten sie nicht noch draufzahlen müssen. Deshalb stand ihnen eine Entschädigung zu, mit der ihr zeitlicher Aufwand sowie Sach-, Büro- und Reiskosten ausgeglichen wurden. Vor allem sollte das die Unabhängigkeit der Parlamentarier garantieren.

Niemand müsste den Gürtel enger schnallen

Diese Aufwandsentschädigung ist voll zu versteuern. Damit wird die „Entschädigung“ steuerlich dann doch wie ein Arbeitseinkommen behandelt. Heißt für Ricarda Lang als Spitzenverdienerin, sie muss den Höchstsatz von 45 Prozent abführen, über den Daumen gepeilt 4770 Euro, so dass ihr netto 5880 bleiben. Manchem mag es noch immer zu viel erscheinen. Auf keinen Fall ist es so wenig, dass Ricarda Lang den Gürtel enger schnallen müsste. Entspricht es doch durchaus den Bezügen im mittleren Management. Kein Grund also zur Empörung, wäre das alles. 

Tatsächlich jedoch kommt noch einiges dazu. Eine steuerfreie Kostenpauschale von 4.725 Euro monatlich, die diverse Aufwendungen decken soll, also das, was dem Begriff nach bereits von der Aufwandsentschädigung zu bestreiten wäre. Obendrauf gibt es ein kostenfreies Büro und jährlich 12.000,00 für Büromaterial und Kommunikationsmittel sowie eine Netzkarte 1.Klasse der Deutschen Bahn. Auf die tatsächlichen Aufwendungen kommt es dabei nicht an, die Zulagen werden pauschal gezahlt, ohne Abrechnung.

Zählt man alles zusammen, die Netto-Entschädigung, die Kostenpauschale, und den Bürokostenzuschuss macht das unterm Strich und noch ohne Berücksichtigung der BahnCard 11.600 monatlich, deutlich mehr als die Abgeordnetenentschädigung, mit der doch dem Begriff nach alles entgolten sein sollte.

Nun hat jeder, gleich welchen Beruf er ausüben mag, Aufwendungen, die er nachher von seinem zu versteuernden Einkommen absetzen kann. Wäre es da nicht ein Akt der Gleichstellung, würden Politiker auch steuerlich so behandelt wie der Rest der Bürger, die sie vertreten?  

Für den einen etwas mehr, für den anderen etwas weniger

Die „Entschädigung“ würde als Lohn oder Gehalt angesehen, zumal die Politiker ja selbst großen Wert darauf legen, als „Berufspolitiker“ angesehen zu werden. Wie bisher müssten sie Ihre Bezüge versteuern, könnten dann aber ihre beruflichen Aufwendungen für Büro und Büromaterial, Reisen und Kommunikation, bei Vorlage entsprechender Nachweise von dem zu versteuernden Einkommen absetzen. 

Was dafür wegfiele, wäre einerseits die hundertprozentige Besteuerung der „Aufwandsentschädigung“ und andererseits die steuerfreien Zuwendungen, versteckte Privilegien. Dabei mag für den einen am Ende etwas mehr, für den anderen etwas weniger netto herauskommen, die Steuerlast einmal höher, einmal niedriger ausfallen, da die anzusetzenden Betriebskosten nicht Jahr für Jahr gleich hoch oder niedrig sind.

Doch darauf kommt es gar nicht an. Wichtiger und geradezu entscheidend wäre: Die Politiker würden steuerlich nicht anders behandelt als die Bürger, die sie vertreten. Es würde dem Umstand Rechnung getragen, dass unsere Politiker, anders als zu den Zeiten der Erstellung des Grundgesetzes, ihre Tätigkeit inzwischen als einen „Beruf“ verstehen, mit dessen Ausübung sie ihren Lebensunterhalt bestreiten. 

Einer Regierung, die eine solche Anpassung der Abgeordnetenbesteuerung an die tatsächlichen Verhältnisse anpacken und durchsetzen würde, wäre die größte, einzig wahre Steuerreform nachzurühmen. Die Alten, verwöhnt von den Privilegien, die sie dem offensichtlichen Steuerschwindel verdanken, werden das nicht mehr hinbekommen. Für die Jüngeren indes könnte das Vorhaben Anreiz sein, sich Sporen in der Politik zu verdienen.

Nicht zuletzt der Demokratie würde damit auf die Beine geholfen. Die Politiker würden wieder in das gesellschaftliche Leben eingebunden. Sie könnten sich Dank des Wegfalls ihrer Sonderbehandlung nicht länger über das Volk, das sie bezahlt, erhoben fühlen. 

Höchste Zeit, über Geld zu sprechen.

 

Dr. phil. Thomas Rietzschel, geboren 1951 bei Dresden, verließ die DDR mit einer Einladung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt. Er war Kulturkorrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung FAZ und lebt heute wieder als freier Autor in der Nähe von Frankfurt. Verstörend für den Zeitgeist wirkte sein 2012 erschienenes Buch „Die Stunde der Dilettanten“. Henryk M. Broder schrieb damals: „Thomas Rietzschel ist ein renitenter Einzelgänger, dem Gleichstrom der Republik um einige Nasenlängen voraus.“ Die Fortsetzung der Verstörung folgte 2014 mit dem Buch „Geplünderte Demokratie“.   

Foto: Times - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

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Uwe Heinz / 09.10.2024

Zuzüglich der Vergütungen, die Politiker durch irgendwelche Nebentätigkeiten durch Aufsichtsratpöstchen oder von Lobbyisten erhalten.  Im Verhältnis dazu könnte die Aufwandsentschädigung und die anderen Vergütungen eher den kleineren Teil des Berufspolitikereinkommens darstellen. Aus diesem Grund wird ja auch viel Wert auf Geheimhaltung und Intransparenz gelegt. Wes‘ Brot ich ess‘, dess‘ Lied ich abstimm‘!

W. Renner / 09.10.2024

Viel effektiver wäre eine Begrenzung der Amtszeit für alle Mandatsträger auf maximal 2 Wahlperioden und Ausschluss von Mehrfachmandaten. Schluss mit dem Berufspolitikertum.

JMoennig / 09.10.2024

Hilfreich wäre auch eine Haftung von Politikern und Abgeordneten, natürlich mit dem eigenen Vemögen, für Fehlentscheidungen mit denen sie Schaden anrichten. Das würde auf jeden Fall erst mal die Politikerschwemme und den Abgeordnetenzunamie beenden. Dann wären die “Lohnkosten”überschaubar ,die Steuerverschwendung begrenzt ,wieder Geld übrig für die wirklich wichtigen Dinge und vielleicht Verantwortungsvollere fachlich kompetente Leute im Amt.

Dr. Günter Crecelius / 09.10.2024

Es geht bei dem Spiel nicht nur um die ‘Entschädigung’ oder wie auch immer der/die/das heißt. Die USA haben ca. 340 Millionen Einwohner und das Repräsentantenhaus, vergleichbar mit dem Bundestag, hat 435 Mitglieder. Bei gleicher Repräsentationsdichte müßten wir mit 107 Abgeordneten auskommen. Dann wären auch 12000€ im Monat weniger anstößig -  nach meiner Meinung. Das Argument mit dem wesentlich größeren Britischen Unterhaus zieht nicht, denn dort gibt es nicht, wie bei uns, noch 16 Länderparlamente oder in USA 50.

Gerd Heinzelmann / 09.10.2024

“Hierzulande gilt: Über Geld spricht man nicht, entweder weil man zu wenig hat und nicht als arm gelten will, oder weil man mehr hat und fürchtet, damit Neid zu erregen.” Der Politiker Dieter Bohlen bildet hier wohl die Ausnahme, aber der labert ja auch nur Sch ...

Gertrud Schreiber / 09.10.2024

Da musste ich doch ein wenig schmunzeln über Ihre Naivität bei Ricardas Kosten für den Steuerzahler. Seit dem 01. Juli 2024 beträgt die “Abgeordnetenentschädigung” 11.227,20€. Die steuerfreie Kostenpauschale, für die kein Nachweis erbracht werden muss beträgt 5.051,54 € monatlich. Für 12.000€ kann sie Büromaterial und mit Nachweis anschaffen.  25.874,00€ stehen ihr für Mitarbeiter zur Verfügung. Die braucht sie nur einstellen um alles andere kümmert sich die Bundestagsverwaltung. Hinzu kommt wie schon erwähnt die Bahncard100   1. Klasse kostet aktuell 7.714 €. Außerdem steht ihr ein Büro im Bundestag mit allen technischen Nutzungsmöglichkeiten zur Verfügung, der Fahrdienst des Bundestages (z. B zum Friseur oder shoppen in Berlin). 3 mal im Jahr darf sie 50 Personen zu einer Plenarfahrt nach Berlin einladen, die dort 3 Tage auf Kosten des Bundespresseamtes gut versorgt und betreut werden. Natürlich wird sie auch von ihrer Partei nicht im Stich gelassen Sie bekommt kein festes Gehalt, aber Zuwendungen Annalena Baerbock hat als Parteivorsitzende auch kein Gehalt bekommen, aber “vergessen” ihre drei Sonderzahlungen in Form eines Weihnachtsgeldes 2018: 6.788,60 €  2019: 9.295,97€ 2020: 7.635,71 € zu versteuern Hinzu kamen Corona-Sonderzahlung von 1.500 €. (Baerbock zu Nebeneinkünften “Das war ein blödes Versäumnis”) Damals wurde auch gegen Ricarda Lang wegen “Anfangsverdachts der Untreue” ermittelt. Ob sie Weihnachtsgeld erhält konnte ich nicht herausfinden, aber wenn Baerbock es bekommen hat wird es ihr auch zustehen. Außerdem hat sie Fahrer und Personenschützer zu und bei ihren Auftritten von ihrer Partei, natürlich auch aus Steuermitteln finanziert. Die Partei stellt einen Coach, ob sie zusätzliche Geld für Stylist, Friseur und Modeberater erhält konnte ich nicht herausfinden, halte es aber nicht für abwegig

Horst Jungsbluth / 09.10.2024

Die Abgeordneten üben -jetzt geht mir erst der Begriff “üben” auf-  risikolos einen “Beruf” aus, für den sie keine Ausbildung benötigen und von dem die meisten absolut nichts verstehen, wie wir gerade aktuell feststellen, der aber fürstlich und teilweise steuerfrei entlohnt wird.  Habe ich etwas vergessen? Ricarda Lang soll den Gürtel enger schnallen? Dann bekommt sie doch keine Luft mehr und sie ist doch frisch verheiratet.

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