Ulli Kulke / 29.09.2012 / 17:10 / 0 / Seite ausdrucken

Abgenutzter Weltuntergang

Eigentlich ist die neue, mal wieder groß eingeflogene Studie über den anstehenden Weltuntergang ja nicht der Rede Wert. Zu viele hatten wir davon in den letzten Jahren gehabt, eine fragwürdiger als die andere. Aber dieses Mal können einem die Autoren schon fast leid tun, weil niemand auf sie eingegangen ist, jedenfalls hierzulande nicht, und das will schon was heißen. Das alles trotz eines höchsten Super-Schreckens-Szenarios in Sachen Klimawandel für die kommenden Jahrzehnte, eingeflogen auf höchster Ebene, der Uno in New York, von höchsten Persönlichkeiten, Staats- und Regierungschefs inklusive, mit dabei auch diverse Nichtregierungsorganisationen wie Oxfam.

Deutlich wurde dabei aber höchstens ein höchster Grad an Abnutzung solcher Szenarien und Schreckensbilder in der Öffentlichkeit.

An mangelnder Pressearbeit und Rundum-PR kann es nicht gelegen haben. Vor zwei Wochen hat mir der Koordinator aus London schon – auf eigene Initiative – die ersten Zusammenfassungen der Studie geschickt, die ein „Climate Vulnerable Forum“ in Zusammenarbeit mit der „Dara“ – eine Organisation, die sich um Konflikte, Katastrophen und Klimawandel kümmern will – erstellt hat, alles im Auftrag eines Bündnisses aus betroffenen Staaten und ihren Fürsprechern in Europa. Anschließend rief er fast jeden Tag an, um exklusive Interviews anzubieten, die man dann nach Ablauf der Sperrfrist…


…abdrucken könne, wenn die Studie mit großem Aplomb von Sheikh Hasina, Premierministerin Bangladeschs, in New York anlässlich der Uno-Vollversammlung vorgestellt sein würde. Die ersten Male plauderten wir noch ein wenig am Telefon, später dann – bitte nicht weitersagen – hob ich gar nicht mehr ab. Ich vermute mal, dass auch in anderen Redaktionsstuben die Telefone heiß gelaufen sein werden. Herausgekommen ist dabei offenbar: Nichts.

Jetzt wurde die Klimafolgen-Studie vorgestellt. Weil nun aber absolut keine Zeitung darauf einging, seien hier – zum Trost für die Autoren – wenigstens mal die Eckdaten genannt.

Fünf Millionen Tote aufgrund der derzeitigen Wirtschaftsform, die Kohlewirtschaft („carbon economy“), beklagt das Papier. Wobei es mal um fünf Millionen jährlich ging und mal um fünf Millionen Tote innerhalb der nächsten zehn Jahre. Wie das? Man muss schon genauer hinschauen, dann kann man lesen, dass bei den jährlichen fünf Millionen auch diejenigen dabei sind (90 Prozent immerhin, also 4,5 Millionen), die zwar auch von fossiler Energie getötet werden, aber über die Luftverschmutzung, Smog, Feinstaub aus der Kohleverbrennung. Das mag sogar stimmen, aber da wäre auch ohne „Große Transformation“ der Weltwirtschaft, durch gute Filter nämlich, einiges gewonnen. Wichtig ist offenbar die Botschaft: Fünf Millionen stimmt immer, jährlich, heute schon, Kohle, CO2, Klimatote. Fertig.

Bis 2030 soll es dann die runde Zahl von 100 Millionen Klimatote sein, die aber dann wohl allesamt allein durch Klimaveränderung. Ein großer Teil davon geht auf das Konto langjähriger Dürreperioden, die vor allem in Westafrika zunehmen sollen. 100 Millionen, wer würde diese runde Zahl schon anzweifeln wollen, auch wenn ausgerechnet die Klimafolgenforschung deutliche Hinweise hat (die nur niemand zur Kenntnis nehmen will), dass gerade eine leichte Klimaerwärmung in Westafrika dazu beiträgt, die Sahelzone von Süden hinein in die Sahara zu begrünen, obwohl die Übernutzung des Bodens diese Effekte wieder zunichte macht. Egal. Ganze Bücher wurden schließlich schon darüber geschrieben, wie das des Sozialpsychologen Harald Welzer („Klimakriege“), der darin munter von der klimabedingten Austrocknung des Sahel und den Kampf um die letzte Scholle dort fabuliert, ohne dass er offenbar auch nur einen Blick in die einschlägigen Szenarien geworfen hat. Dann kann man auch Studien darüber verfassen. Irgendwie müssen sie ja zusammenkommen, die 100 Millionen Klimatoten.

Und so geht es munter weiter: Die Klimaverluste bei Landwirtschaft und Fischerei: 500 Milliarden Dollar (jährlich). Manche griffige Formel wird geboten: Ein Grad Celsius Erwärmung ergibt 10 Prozent Produktivitätsverlust im Agrarsektor. Für Bangladesch, so sagt seine Premierministerin, ergäbe das 2,5 Milliarden Dollar Verluste.

Es hat alles nichts genutzt. Stell dir vor, es wird Katastrophe gegeben, und keiner will was davon wissen. Die Frage bleibt, was sich die Autoren und Initiatoren der Studie eigentlich erhofft haben, außer einem Apparat, Planstellen, Etats, Dienstreisen rund um den Globus. Will man sich von den bisherigen Klimafolgenstudien abgrenzen, an denen es weiß Gott nicht fehlt und die es schließlich auch in sich haben? Der berühmte (und umstrittene) Stern-Report ist ja nur einer von Hunderten zum Thema. Hat man neue Zahlen, neue Erkenntnisse? Will man gar der Arbeitsgruppe 2 des Weltklimarates IPCC widersprechen, der genau diese Themen untersuchte und ebenfalls reichlich schwarz malte? Oder geht es hauptsächlich um Geld? Gewiss, ich hätte die hochstehenden Persönlichkeiten danach fragen können, aber ehrlich gesagt war mir das 1001. Schreckensszenario zu viel. Und den Kollegen offenbar auch.

Zu der Staatengruppe, die hinter der Studie steht, gehören viele Länder, die sich als Opferstaaten des Klimawandels begreifen und organisieren wollen, die von den Umweltgruppen in letzter Zeit herausgestellt werden als große Verbündete der ansonsten einsamen EU (Deutschlands vor allem) im internationalen Klimakonzert, denen es aber vor allem um Transferzahlungen geht unter dem Etikett des vom Westen verschuldeten Weltuntergangs. Nichts gegen Hilfe, Technologietransfer, Knowhow, Solidarität. Aber bitte mit den richtigen Argumenten. Das mit den untergehenden Inseln und den anstehenden Umzügen nach Australien erweist sich schließlich ebenfalls ein ums andere Mal als Medienflop, den bald niemand mehr hören will.

So war es dieses Mal auch. Von der großen Studie wollte keiner etwas wissen. Das Thema Klimawandel fand in den Zeitungen der letzten Tage eher im Zusammenhang mit der anstehenden Bedrohung von Feldmäusen und Rentieren statt. Wenigstens mal was Neues. Ob das nun wiederum stimmt, ist eine ganz andere Frage. Nächstes Mal.

Zuerst erschienen auf Ulli Kulkes Blog bei der WELT

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