Henryk M. Broder / 11.03.2019 / 14:30 / 24 / Seite ausdrucken

“Ab in die Kammer, du Judenvieh!”

Am vergangenen Freitag spielten in Berlin die Zweitligisten 1. FC Union Berlin gegen den FC Ingolstadt. Kapitän des 1. FC Ingolstadt ist Almog Cohen, ein israelischer Profifussballer. In der zweiten Halbzeit bekam er wegen eines Fouls die rote Karte. Kurz darauf twitterte ein Fan von Union Berlin: "„Verpiss dich aus unserem Stadion an der alten Försterei du scheiß Judenvieh!!!!!!! Hast Rot bekommen und nun nerv nicht rum sondern verpiss dich für immer scheiß Judenvieh; Ab in die Kammer mit dir!!!!!!!"

Die Union distanzierte sich umgehend von dem unbekannten Fan, der Deutsche Fussballbund verurteilte "diesen widerlichen, antisemitischen Tweet... in aller Schärfe", die Polizei nahm Ermittlungen auf, der Staatsschutz schaltete sich sein. So weit, so gut. 

Zwei Tage später, am Sonntag, wurde im Staatstheater Nürnberg die Woche der Brüderlichkeit eröffnet, mit Amelie Fried als Moderatorin, Sawsan Chebli als Laudatorin, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder als Festrednern. Kurz vor Mitternacht gab es in der ARD eine Zusammenfassung der Feier zu sehen. Die Eröffnungsrede hielt Frank-Walter Steinmeier, der vor Kurzem einen Kranz am Grab von Yassir Arafat niedergelegt hatte, um dessen Verdienste im Kampf gegen den Antisemitismus zu würdigen, und eben erst ein Glückwunschtelegramm zum Jahrestag der Iranischen Revolution nach Teheran geschickt hat, wo das judenfreundlichste Regime aller Zeiten an der Macht ist.

Nach Steinmeimer sprach Rabbiner Andreas Nachama, der jüdische Präsident des Koordinierungsrates der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit. In seiner Rede wies er darauf hin, dass "kopftuchtragende Frauen zuweilen auch einen schweren Stand in dieser Gesellschaft haben und dass es auch eine bodenständige völlig inakzeptable Anti-Muslimen-Stimmung gibt", was "genauso zu beurteilen (ist) wie Judenfeindschaft". Er meinte vermutlich: zu verurteilen. Und damit war die christlich-jüdisch-muslimische "Woche der Brüderlichkeit 2019" eröffnet.

Und jetzt raten Sie mal, welcher kleine Vorfall, der grade zwei Tage zurücklag, in den Reden nicht erwähnt wurde. Bingo! Sollte es sich herausstellen, dass der Urheber aus dem AfD-Umfeld kommt, wird diese Info sicher nachgereicht werden. Bis dahin trösten Sie sich mit einem Song von Tom Lehrer aus dem Jahre 1965.

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Leserpost

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Leo Hohensee / 11.03.2019

Vieles was in diesem Land geschieht und gesprochen wird, ist einfach nicht zu fassen! Zu sagen, solch ein Unsinn ist der Rede nicht wert, verharmlost. Die Entwicklung zeigt, Unsinn wächst immer weiter und wächst sich aus zur gefährlichen (abscheulichen) Strömung. Dem Vergleich des Rabiners von Judenfeinschaft und Abneigung gegen Kopftücher stimme ich nicht zu. Ich empfinde das Tragen von Kopftüchern in Verbindung mit langen Mänteln o.ä. als Demonstration von anders-sein-wollen. Um es noch klarer zu sagen, für mich ist es ein Zeichen der Ablehnung der nicht islamischen Werte . Entsprechender Hintergrund / entsprechendes Misstrauen ist doch begründet: Cem Özdemir auf dem Parteitag der Grünen 1998 in Bonn-Bad Godesberg: „Der deutsche Nachwuchs heißt jetzt Mustafa, Giovanni und Ali!“ und “Wir wollen, dass Deutschland islamisch wird” (Quelle: Interview mit Susanne Zeller-Hirzel, letzte Überlebende der Weißen Rose) und “Was unsere Urväter vor den Toren Wiens nicht geschafft haben, werden wir mit unserem Verstand schaffen!”  (Quelle: Hürriyet vom 8.9.98 (auf türkisch), abgedruckt im Focus am 14.9.98)  

Ralf Pöhling / 11.03.2019

Um was wollen wir wetten, dass man diesen unsäglichen Tweet der AFD anhängen wird?

Patricia Steinkirchner / 11.03.2019

Was sollte die Chebli da? Ausgerechnet eine Palästinenserin? Hat die mit Juden und Christen irgendetwas “Brüderliches” im Sinn?

Thomas Taterka / 11.03.2019

Werden Muslime und Juden im Neuen Deutschland Brüder*innen? Schaffen wir das ?  Auch noch?

Matthias Wolke / 11.03.2019

Was hat diese Frau Chebli,eine Muslimin wohlgemerkt,auf so einer Veranstaltung zu suchen. Langsam muss doch jeden von uns bewusst werden von wem die Hetze kommt. Es ist bestimmt nicht die AfD!

A. Meier / 11.03.2019

Union ist ein linker Verein. Afd-Nähe ist in dem Umfeld ausgeschlossen, genauso wie ein Skandal, weil die Linken ja die guten sind. Wahrscheinlich handelt es sich um „berechtigte“ Israelkritik, die etwas zu scharf formuliert wurde, ggf. von einem Fan von Frau Chebli. Dann ist das eh komplett anders zu be- bzw. verurteilen, nämlich gar nicht…

Thomas Taterka / 11.03.2019

Der Nachama hat’s gut: der fährt nie mit der U-Bahn oder S-Bahn, geht nie in Parks oder Malls, nie in die Sonnenallee oder ins Stadtbad. Schlamassel kennt der nicht. Wenn man persönlich keinen Bammel haben muß,  kann man schon mal Schtuss reden. Soll man sich kabbeln ? Läuft doch ,wie geschmiert . Mutti kriegt sie alle !  

Dirk Jungnickel / 11.03.2019

Wenn ich vom Rabbiner Nachama lese, dann höre ich im Geiste immer die unvergleichliche Stimme seines Vaters, des Oberkantors Estrongo Nachama. Es war seinerzeit eine Art Ritual zum Freitag Abend um 18 Uhr im RIAS die Sabbatfeier unter seiner Leitung zu hören. Schade , dass der Sohn nicht in seine Fußstapfen getreten ist ...

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