Thilo Schneider / 04.12.2021 / 14:00 / Foto: Timo Raab / 35 / Seite ausdrucken

„AAA – Allgemeine Andere Alternative“

In weinseliger Runde denken wir über die Gründung einer neuen Partei nach. Und nach einem Namen dafür. Leider haben es alle Abkürzungen in sich.

Da sitzen wir also beisammen, geimpft, getestet, genesen, gesund, gemütlich, und ein paar Flaschen Wein haben auch schon den Inhalt verloren. Die Gespräche drehen sich, natürlich, um Politik und ob wir das überhaupt dürfen, so subversiv und angetrunken nach 22.00 Uhr mitten in Bayern zusammensitzen. Ein leichter Hauch von schwerem Rotwein und Salonrevolution umwabert unsere Runde aus namhaften und unnachahmlichen Bloggern, Hobbypolitikern und Geschäftsleuten, insgesamt sechs an der Zahl. Wir sind natürlich auch alle der Meinung, dass die Linke nicht im Bundestag sitzen sollte, die AfD nur vielleicht, die SPD doofes Spitzenpersonal hat, aber nicht so doof wie die Grünen, Klaus ruft: „Wer hat uns verraten? Freie Demokraten!“ und Bernd meint, die Union sei fertig, am Ende und ein Merz macht noch keinen konservativen Frühling und ein Braun verbreitet so viel positive Aufbruchsstimmung wie ein Pfarrer bei der letzten Ölung.   

Und irgendwie bricht sich unter uns Gleich-G-Sinnten ein wunderbarer, revolutionärer Gedanke Bahn: Wenn es doch keine anständigen, sondern nur noch unanständige Parteien gibt (der Schatz kichert und gibt ein laszives „Rrrr!“ von sich), warum machen wir nicht das, was jeder brave Bürger tut und gründen selbst eine Partei? Liberal sollte sie sein. Und konservativ. Also, liberal-konservativ.

Ich wende kurz ein, dass es die LKR ja schon gibt, aber mein Einwand wird mit dem Argument „zu klein und zu unbekannt“ abgeschmettert. Weil sechs Leute in Weinlaune nämlich nicht zu klein und zu unbekannt sind. Ein Parteiprogramm haben wir drei Herren der Runde beim Rauchen auf dem Balkon (einer stütze den anderen und trage seine Last) auch gleich festgelegt und wieder im Raum verkünden wir stolz den Namen der Neuen Deutschen Volkspartei, kurz NDVP.

„Oh“, erhebt der Schatz Einspruch, „das klingt aber böse nach ganz rechtsextrem. Hat was von NSDAP. Ihr könnt nichts nehmen, was die Namen „Deutsch“ und „Volk“ enthält oder in der Abkürzung ein „N“ hat. Da steht Ihr schneller im rechten Winkel als ein Geodreieck.“ Da hat sie recht. „Deutsch“ und „Volk“ geht nicht. Wir wollen ja gewählt und nicht hingerichtet werden.

Die Ziele in den Parteinamen packen

„Liberal-konservativer Aufbruch“ schlage ich spontan vor. „Kurz: LKA – wie Landeskriminalamt“, schlägt Bernd mit schwerer Stimme zurück und ich fühle mich etwas in die Pubertät versetzt. Damals, als wir die Band gründeten. Noch kein einziges Mal geprobt, noch kein einziges Musikstück gespielt – aber wir konnten stundenlang über den Bandnamen diskutieren. Immerhin aber hatten wir ja draußen schon das Parteiprogramm unter dem Schlagsatz „So geht es nicht weiter“ formuliert. Und, als zweiten Leitsatz: „Da muss doch jemand was machen!“ Jedenfalls will niemand das Landeskriminalamt wählen.

Klaus schenkt, etwas ungeschickt, dem Schatz, der Silke und sich von dem guten „Krötenheimer Sündenpfuhl 2019“ nach. „AAA – Allgemeine Andere Alternative“ meint er dazu und ich meine mich zu entsinnen, dass es im Telefonbuch jede Menge AAA-Schlüsseldienste gibt, damit die im Alphabet ganz oben stehen. Falls noch irgendein ehemaliger Hitlerjunge da ist, der noch ein Telefonbuch benutzt und sich in einem Anfall von Leichtsinn ausgesperrt hat. Ich bin kreativ und kontere mit „Liberale Partei-Gemeinschaft“, weil das sehr heimelig und integrativ klingt und kein N dabeihat. „LPG als Abkürzung ist zwar im Osten noch bekannt, interessiert aber im Sauerland keinen“, wendet Silke ein. Guter Einwand!

„Wir müssten das, was wir erreichen wollen, in den Parteinamen packen“, fasst Klaus zusammen. „Also wäre der Name „Konservativ-liberaler Aufbruch, Vernunft, Integration, Einheit, Recht“, schließe ich die Klammer. „KLAVIER“, kichert der Schatz. „Was?“, frage ich gereizt. „Die Abkürzung des Parteinamens“, ist der Schatz wieder einmal geistig schneller als ich. „Ein Klavier, ein Klavier!“, gibt Silke grölend laut lachend meiner hervorragenden Idee den Todesstoß.

„FFP21“ geht auch nicht

Bernd geht es analytisch an: „Wir wollen doch gewählt werden. Ich schlage „Hunde- und Katzen-Partei“ vor!“ „Die HUK-P“, bemerkt Silke, womit der Name schon wieder tot ist. „Außerdem steht da nicht im Namen, was wir wollen“, beschwert sich Klaus, was Bernd zu der Anmerkung veranlasst, dass das in diesem Fall wurstegal wäre, weil uns sämtliche Hunde- und Katzenbesitzer allein schon aufgrund des Namens wählen würden. Der Schatz möchte allerdings den Namen noch um die „Nagetier- und Vogel-Besitzer“ ergänzt sehen, um die Sache rund und sicher zu machen, womit wir dann bei HUKUNUV-P als Abkürzung ankämen, was wohl kaum noch als Abkürzung durchgeht.

Es ist schon etwas traurig. Da hocken sechs betrunkene Kreativköpfe zusammen, und es kommt nur Murks dabei heraus. Jedenfalls wird es keine HUKUNUV-P auf dem Wahlzettel geben. „Freiheitlich-fortschrittliche Partei 21“ fällt aufgrund der negativ konnotierten Abkürzung „FFP21“ weg, auch die „Konservative Partei der sozialen Unionisten“ wird aus dem gleichen Grunde nie das Neonlicht des Bundestags erblicken. „Und wenn wir „Achse des Guten“ nehmen?“, schlägt Klaus clever vor. „Dann ist die Partei aufgrund des Namensrechtsstreits schneller tot, als sie gegründet war. Wir alle kennen den Anwalt vom Chef! Da mache ich lieber einen Bratwurststand auf dem Tempelberg auf, das ist sicherer!“, muss ich leider die Idee sofort und unverzüglich von mir weisen.

Außerdem wäre die Abkürzung ADG, was fatal an einen Küchengerätehersteller oder das Antidiskriminierungsgesetz erinnert, die „Achse des Guten“ als politischer Arm der Achse des Guten wird ungeboren beerdigt. Ein Aufseufzen geht durch die Runde, ein zweites, glücklicheres Aufseufzen, als die nächste Flasche „Deidesheimer Drecksack/Premium-Auslese“ die Runde macht.

„Nichtwähler“ holen die Mehrheit

„Vielleicht müsst Ihr es von den Parteifarben angehen. Rot, Grün, Gelb, Schwarz und Blau sind bereits belegt, Orange haben die Freien Wähler und Regenbogen die LGBTQ-Verwirrten“, meint Silke hilfreich. „Grau ist noch zu haben“, versuche ich mein Glück, werde aber unter Hinweis auf „die Grauen“ abgeschmettert und außerdem ergäbe sich bei Artikeländerung „das Grauen“. Das will ja niemand.

Monika, Bernds Gattin, hat bisher noch nichts gesagt. Jetzt kommt ihr die Idee: „Ich weiß, wie Ihr auf Anhieb in den Bundestag einzieht“, platzt es aus ihr heraus, „nehmt als Parteifarbe Weiß und nennt Euch die „Nichtwähler“. Dann seid Ihr größte Partei, spart Unmengen an Toner im Briefpapier und die Farbe wirkt rein und unschuldig.“ „Und wir nehmen ein Einhorn als Emblem“, ergänzt Bernd.

Und so entstanden an diesem Abend die „Nichtwähler“, kurz NW. Auch, wenn wir jetzt doch wieder ein N in der Abkürzung haben, so haben wir bei der letzten Bundestagswahl immerhin 33,4 Prozent geholt und sind damit stärkste Fraktion. Und nur unserer Bescheidenheit und Höflichkeit ist es zu verdanken, dass Bernd, Klaus und ich kein Triumvirat zur Regentschaft gebildet haben. Außerdem war unser Balken aufgrund seiner Farbe in den Wahlanalysen nicht zu sehen. So aber bilden wir die größte außerparlamentarische Opposition ab. Darauf jetzt doch noch einen 2021er „Berliner Deppenreigen.“ So sauer er uns noch aufstoßen wird.

(Weitere weinselige Artikel des Autors gibt´s unter www.politticker.de)  

 

Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.

Foto: Timo Raab

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Wilfried Cremer / 04.12.2021

Hallo Herr Schneider, INW ist besser: Interessenvertretung der Nichtwähler. Die würde ich als Wähler wählen, weil ich eigentlich nicht wählen würde. Weiß als Farbe kann man lassen.

Thomas Taterka / 04.12.2021

Die heitere ” Innere Kündigung ” reicht vorerst aus . Bis alle Parteien aufgelaufen sind .

Paul Mittelsdorf / 04.12.2021

Danke für das Zeitdokument. Man kann es später mal benutzen, um zu zeigen, warum die totalitären Kräfte in diesem Land so leicht gewonnen haben.

Boris Kotchoubey / 04.12.2021

AAA ist durch Assoziation Anonymer Alkoholiker besetzt

Petra Wilhelmi / 04.12.2021

Scherze sind völlig unangebracht. Dann gründet doch wirklich eine Partei oder unterstützt die Basis oder die AfD. Besser beide Parteien wären im BT. Am Stammtisch sich um die Abkürzung und Farben zu “balgen”? Ich denke, dann haben wir wirklich das verdient, was über uns kommt. Scherzt man dann auch und sucht die wildesten Abkürzungen für die Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen und dafür ins Gefängnis wandern müssen so als Erzwingungshaft?

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