Maxi Biewer antwortet Katja Kipping:
Ja, ich bin eine geborene Ostdeutsche und das auch noch zu Zeiten, die Frau Kipping nur vom Hörensagen kennt. Ich bin Jahrgang 64 und kannte mich ein wenig im Alltag der DDR aus.
Nein, ich fühle mich nicht einer Kampagne gegen Ostdeutsche ausgesetzt, in meiner Würde verletzt und unter einen Generalverdacht gestellt, nur weil die Staatsanwaltschaft wieder einmal gegen Herrn Gysi ermittelt.
Mag sein, dass ich nach kaum 24 Jahren im Westen ein Beispiel für gelungene Integration bin. Vielleicht, weil ich die „Republik der zwangsweisen Glückseligmachung“ freiwillig verlassen habe, vielleicht weil ich seit fast 20 Jahren im Rheinland als Preußin mit einem ausländischen Mann lebe. Der ist übrigens der Meinung, dass ich das Prinzip „Westdeutschland“ bis zum heutigen Tage nicht voll verstanden hätte. Er meint, ich wäre hier noch viel mehr Ausländer als er, ein Kanadier.
Ich bin eine bekennende Ostdeutsche und erlebe es immer wieder, dass es noch immer Menschen gibt, die sich darüber wundern, dass ich aus dem Osten bin und ihre Überraschung dann mit Worten krönen wie: „Das hätte ich jetzt aber nicht gedacht!“
Auf meine Nachfrage: „Warum denn nicht?“ kommt dann meist nur betretenes Schweigen oder ein Stottern in Richtung…, „dass man es gar nicht merken würde“. Bei solchen Gelegenheiten fühle ich mich einem Generalverdacht ausgesetzt. Ich versuche, die Situation zu entkrampfen: „Weil ich Katharina Witt ähnlich sehe? Wir sahen im Osten alle so aus.“
Wenn man den Faden von Frau Kipping aufnimmt, könnte das auch Folgendes bedeuten: Nur weil Angela Merkel zum Studentenaustausch nach Moskau durfte, ohne in der SED oder in einer der Blockflöten- Parteien gewesen zu sein, und in stürmischen Wendezeiten von ihrem Freund Wolfgang Schnur in die Partei Demokratischer Aufbruch (DA) geholt wurde, wo sie von der Pressesprecherin bis in den Vorstand vorrückte, steht sie auch unter Verdacht? Anwalt Wolfgang Schnur wurde als IM der Stasi überführt - und hierbei handelte es sich nicht um einen „Verdacht“, sondern um einen klaren Tatbestand.
Ich finde es wichtig und richtig, dass auch nach über 20 Jahren noch nachgefragt wird. Das hätte Westdeutschland in den 60ern gut getan (der DDR übrigens auch), und wenn wir eines aus der Geschichte gelernt haben, dann ist es die Erkenntnis, dass Menschen, die solche Systeme unterstützen, sich nicht plötzlich und über Nacht in Luft auflösen.
Was ich freilich nicht ab kann, sind Genossen, die glauben, sie müssten sich zu Sprechern aller Anderen aufplustern und ihnen schon wieder das Mäntelchen der zwangsweisen Glückseligmachung umhängen. Danke, mir nicht.
Maxi Biewer, lebt und arbeitet bei einem privaten Sender in Köln.