Gastautor / 30.09.2024 / 10:00 / Foto: Imago / 44 / Seite ausdrucken

Angriff auf die Hisbollah – überdehnt Israel seine Kräfte?

Von Daniel Pipes.

Der Autor fürchtet, dass Israel sein Kriegsziel, die – noch nicht erreichte – Zerstörung der Hamas, aus dem Auge verlieren und seine Kräfte überdehnen könnte.

Wie jeder normale Mensch feiere ich das Ende des bösen, aber fähigen Hassan Nasrallah. Er führte die Hisbollah, die islamistische Organisation, die den Libanon als Agent der Islamischen Republik Iran dominiert, und machte sie zur mächtigsten Kraft des Landes. Die Welt ist ohne ihn ein besserer Ort. Ein großes Lob an die Israelis für ein weiteres brillantes Meisterwerk von Geheimdienst und Luftwaffe.

Nachdem das gesagt ist, möchte ich diesen Schritt als wahrscheinlich fehlerhaft kritisieren: Er lenkt von der eigentlichen Kriegsschau, dem Konflikt in Gaza gegen die Hamas, ab.

Seit einem Jahr reagiert Israel auf die Gräueltat vom 7. Oktober. Nicht nur war es an diesem Tag selbst unvorbereitet, sondern die Regierung hatte keine Pläne für einen Angriff auf die Hamas, verfügte über relativ geringe Geheimdienstinformationen zu deren Vermögenswerten oder Führung und sah sich einer starken in- und ausländischen Lobby gegenüber, die die Rückkehr der Geiseln als oberste Priorität forderte.

Diese Einschränkungen haben Israels Operation im Gazastreifen nur mäßig erfolgreich gemacht. Ja, militärische Techniker mögen die Taktik loben, aber die Führung der Hamas bleibt intakt, ihre Kämpfer sind weiterhin aktiv, ihre Kontrolle über die Bevölkerung bleibt weitgehend bestehen und ihre internationale Unterstützung ist höher denn je. Ohne es zu beschönigen: Der nur mäßige Fortschritt über ein Jahr hinweg steht in starkem Kontrast zur Vernichtung dreier großer Staatsarmeen in sechs Tagen im Jahr 1967.

Das ursprüngliche Ziel hatte einen begrenzten Umfang

Zu allem Überfluss für Israel schloss sich die Hisbollah einen Tag nach dem 7. Oktober dem Konflikt an. Begeistert von den Gewalttaten und gewillt, der Hamas zu helfen, hat sie den Norden Israels mit 8.000 Raketen und Geschossen angegriffen, Eigentum zerstört, Menschen getötet und die langfristige Evakuierung von über 60.000 Einwohnern erzwungen. Israel forderte, dass die Hisbollah ihre Angriffe einstellt, und als dies nicht geschah, ergriff es, wie es ein selbstbewusster Staat tun muss, eine Reihe von Maßnahmen, darunter die spektakuläre Sprengung von Funkgeräten und Walkie-Talkies.

Das ursprüngliche Ziel hatte einen begrenzten Umfang: Die Hisbollah dazu zu bringen, ihre Aggression zu beenden, damit die Menschen in ihre Häuser zurückkehren können. Dies war ein klassischer Fall von Abschreckung. "Hör auf, oder du wirst es bereuen."

Aber als sich die israelischen Erfolge häuften, erlag die israelische Führung der Versuchung, erweiterte ihre Ziele und verlor ihre Richtung. Vergessen wurde die Abschreckung; man entschied (in den Worten von Premierminister Benjamin Netanjahu), "auch die Hisbollah zu besiegen". Das Beenden der Raketenangriffe wich dem Ziel, die Hisbollah selbst zu beenden. Jerusalem verfiel in ein klassisches Muster von Siegern: das ursprüngliche Kriegsziel aus den Augen verlieren, sich hinreißen lassen und unnötig größere Ambitionen annehmen.

Infolge dieses Fehlers steht Israel nun vor zwei groß angelegten Schlachten, im Süden und im Norden, und muss zwei Organisationen vernichten. Es hat sich der Hisbollah zugewandt, bevor die Hamas besiegt wurde und steht vor der Aussicht, keine von beiden zu besiegen.

Beachte den Kontrast: Während ein Waffenstillstand mit der Hamas für Israel schreckliche Konsequenzen hätte, da er bedeutet, nationale Interessen zugunsten einiger weniger Leben aufzugeben, würde ein Waffenstillstand mit der Hisbollah die Raketen- und Raketenangriffe beenden, es den Einwohnern ermöglichen, nach Hause zurückzukehren, und den israelischen Streitkräften erlauben, sich ganz auf die Hamas zu konzentrieren.

Möge die Regierung Netanjahu ihren Kurs ändern, einem Waffenstillstand mit der Hisbollah zustimmen und ohne Ablenkung die Hamas auslöschen.

 

Daniel Pipes ist Präsident des Middle East Forum und ehemaliger Professor für Strategie am U.S. Naval War College. Dieser Beitrag erschien zuerst auf der Seite des  Middle East Forum.

Foto: Imago

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Leserpost

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W. Renner / 30.09.2024

Die retired armchair Generals haben natürlich immer die beste Strategie ….

Franz Klar / 30.09.2024

“...würde ein Waffenstillstand mit der Hisbollah die Raketen- und Raketenangriffe beenden, es den Einwohnern ermöglichen, nach Hause zurückzukehren…” . Na sischer datt ...

Lutz Liebezeit / 30.09.2024

“Das Recht der Macht” ist eine Dokumentation, welche zeigt, wie die israelisch besetzten Palästinensergebiete seit 60 Jahren in einem parallel existierenden Rechtssystem leben. Die Dokumentation ist von Arte und im Internet zu haben. Zu Wort kommen hochrangige Israelis. @ Robert Schleif Ich denke, die inneren Konflikte der EU und der USA könnte die Großräume unregierbar und dazu, Israel fallen zu lassen. Den USA könnten genauso wie die EU daran zerfallen. Das ist ohnehin von sehr renommierten Persönlichkeiten vorher gesagt worden. Und vielleicht überspannt Netanjahu den Bogen und überschätzt seine Wertschätzung im Westen? Er wäre nicht der erste, dem das passiert?

Arthur Sonnenschein / 30.09.2024

Die Regierung will die von Gaza aus ausgelöste Eskalation am Leben halten, um die Linke im Land auf Distanz zu halten. Dafür hat man die bisher immer beschworene Linie eine der Frage entsprechende Antwort zu geben verlassen. Sicherheitspolitische Aspekte sind von Anfang an zweitrangig gewesen. Die bisher weitgehende militärische Unfähigkeit der Gaza-/Hbo-Militärs in dieser Auseinandersetzung lässt zudem die existentielle Bedrohung Israels sichtbar schrumpfen. Das macht es für Tel Aviv schwieriger, der Öffentlichkeit das Ausmass der militärischen Antwort als Teil einer langfristigen Strategie zu verkaufen.

S. Marek / 30.09.2024

Die Hauptfeinde Israels sind die 90% der westlichen Staaten und die USA unter “Demokratischer” Regierung ! Sie sind es die von Israel verlangen seine Feinde im Gasa zu ernähren, welcher Staat der Welt hat dies je gemacht (!!!) und auf die s.g. “Zivilisten” (die zu 90% die Hamas Terroristen unterstützen) ständig Rücksicht zu nehmen auch wenn diese die verschleppten Israelischen Zivilisten gefangen halten und und unmenschlich weiter terrorisieren.  Hat die Weltgemeinschaft der freiheitlichen Staaten, die UN Organisation inkl. all ihrer Unterorganisationen, der Roter Kreuz und alle andren sich um die verschleppten israelischen , wie auch alle andren fremden Staatsangehörigen die ebenfalls verschleppt wurden, um diese gekümmert und deren Freilassung von den Terrorbanden gefordert ?  NICHT bis Jetzt, aber die verhafteten Hamas Terroristen wollten sie unbedingt besuchen um deren Haftbedingungen beurteilen und ansprangen zu wollen !!  Seit fast einem Jahr feuert die Hisbollah unvermittelt Raketen usw. auf Israels Territorium um Zivilisten zu töten und deren Hab zu zerstören. Israel hat die ganze Zeit den Beschuß beantwortet und gedroht die Angriffe auszuweiten wenn deren Beschuß nicht aufhört, wo war der Druck auf Hisbollah Feuerpausengespräche aufzunehmen.  Die USA schickte ihre Flugzeugträger Flotte vor Libanon, aber wo zu , um das Geschehen aus sicherer Entfernung beobachten zu können ?!  Also, @ Herr Daniel Pipes, schreiben Sie kein Blödsinn und halten jetzt Ihren Schnabel zu ! Israel braucht von Ihnen keinen “klugen” Hinweis. Gleiches gilt auch für auch so viele “freundliche”  Berater die sonst keine Ahnung haben, aber im Falle Israels Immer.

Ralf Pöhling / 30.09.2024

Nein. Die Hisbollah ist die Geißel des Libanon. Die Hamas die Geißel Gazas. Beide müssen besiegt werden. Israel ist stärker als es aussieht. Und diese Stärke muss endlich zum Einsatz kommen. Alle Betroffenen wollen das. Nur die nicht selbst Betroffenen, die das Geschehen aus der Entfernung beobachten, wollen das nicht. Weil sie nicht begreifen, was hier gerade passiert. Die Erkenntnis reift mit der Nähe zum Problem. Wir in Europa haben das Problem mittlerweile auch. In rauen Mengen. Dank der Halbherzigkeit der westlichen “Strategen”. Die Amerikaner haben das Problem noch nicht. Darum schätzen sie die Situation falsch ein. Sie schützt der Atlantik. Wir Europäer und die Israelis haben keinen Atlantik, der sie vor den radikalen Muselmanen schützt. Wir sind ganz nah dran. Wir haben das Problem. Also müssen wir es auch lösen. Und davon sollte uns niemand abhalten, der selbst nicht betroffen ist und gar nicht begreift, wie unerträglich die Lage in Europa und Nahost bereits geworden ist. Also hört auf mit euren Beschwichtigungen. Wir werden das sonst verlieren. WIR, nicht die Amerikaner. Die haben das Problem ja nicht.

S. Marek / 30.09.2024

@ Hermann Göring, totaler Blödsinn und Unkenntnis der Fakten !

Ilona Grimm / 30.09.2024

@Hermann Göring Klarname: ...»im Verteidigungskampf der Araber gegen Israel«. Haben Sie das tatsächlich so gemeint? Nachfolgend ein paaar Sätzezur Historie Israels (rein säkular betrachtet) ♦Israelitische Stämme besiedelten das Land nachweislich bereits 1250 v. Chr. Seither gab es jüdische Präsenz, selbst in Zeiten der Verfolgung. Kein anderes Volk, das vor 3.000 Jhren hier lebte, existiert heute noch. ♦Kaiser Hadrian benannte Israel/Judäa 132 n. Chr. in „Syria Palaestina“ Eine „palästinensische Nation§ gibt es ethnologisch nicht. Die nicht-jüdische Population entstND DURCH Einwanderung aus arabischen Ländern und wechselnder Besatzung. Am längsten dauerte die Herrschaft des Osmanischen Reichs (1517-1918). ♦1917 verpflichtete sich GB zur Errichtung einer jüdischen Heimstätte „Palästina“. Die sogenannte Balfour-Erklärung wurde vom Völkerbund ratifiziert und von der UNO übernommen. ♦1922 wurde Israel zum britischen Mandatsgebiet Palästina. Alle Bewohner wuden als „Palästinenser“ bezeichnet – ob Araber, Juden oder Christen. ♦Noch im Jahr 1922 trennte GB vier Fünftel des Mandatsgebiets ab als arabisches Territorium – das spätere Jordanien. 1947 teilte die UNO auch das verbliebene Fünftel „Palästinas“ noch einmal auf. Die Araber lehnten den Teilungsplan ab. Die Juden stimmten zu und gründetenam 14. Mai 1948 den Staat Israel. Weitaus größer als die viel kritisierte jüdische Zuwanderung war die arabische Zuwanderung im selben Zeiitraum: 1900 → 400.000 Araber, 30.000 Juden; 1918 → 573.000 Araber, 66.000 Juden; 1936 → 955.000 Araber; 370.000 Juden. Das Land zog arabische Einwanderer an, weil es durch die Arbeit jüdischer Pioniere wieder ertragreich wurde und Arbeitsplätze entstanden. (Quelle: ICEJ, Wort aus Jerusalem, Sonderausgabe 2024, Seite 8)

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