Quentin Quencher / 28.07.2022 / 16:00 / Foto: Pixabay / 17 / Seite ausdrucken

Zwischen Schule und Selbstverwirklichung

Eltern wünschen sich normalerweise, dass ihre Kinder in der Schule gut sind, und es erfüllt sie mit Stolz, wenn sie dann studieren. Sie vergessen aber oft, was ihren Kindern auf diesem Weg geschieht, wie sie in unserem Bildungssystem indoktriniert werden, welchen Anpassungsdruck an ein wokes Milieu sie ausgesetzt sind und wie schwierig es für sie wird, unter den heutigen Umständen, eine ganz eigene, ihre eigene, Persönlichkeit zu entwickeln. Immer mehr sehe ich es als meine Aufgabe als Vater an, den Kids geschützte Freiräume zur Verfügung zu stellen, Orte, an denen die Schule oder die Gesellschaft keine Macht über sie hat; an denen sie sein können, wie sie sind.

Das hat natürlich Auswirkungen, und so ist auch im Zeugnis meines Jüngsten in der Beurteilung zu lesen: „Hausaufgaben bearbeitete er konsequent nicht.“ Natürlich ist diese Bemerkung hauptsächlich eine Kritik an den Eltern, an mir also. Doch, nein! Ich will und werde kein Büttel der Schule sein, um damit dann das Vertrauensverhältnis zwischen mir und meinem Sohn zu zerstören. Das gilt natürlich für alle meine Kinder.

Mag sein, dass unter meinem Handeln der Bildungserfolg leidet, jedenfalls, wenn man darunter gute Noten versteht, solche, die den Weg für ein ordentliches Studium ebnen und auf die Eltern stolz sind.

Wissbegierig ist er ja, nur nicht auf das, was er lernen soll

Natürlich zweifle ich, ob das, was ich tue, nämlich meine Kinder nicht zu folgsamen und angepassten Mitmachern zu erziehen, auch der richtige Weg ist. Wie viele Entwicklungsmöglichkeiten nehme ich ihnen, wenn ich sie nicht zum Streber trimme, sondern vor allem hoffe, dass sie zu sich selbst finden. Außerdem kann ich meinem Sohn nicht erklären, dass sein Weg möglicherweise schwerer wird, wenn er nicht brav folgt, und ich will es ihm auch nicht erklären. Er würde meine Selbstverleugnung erkennen.

Letzte Woche war es, da fiel mir auf, wie schwer seine Schultasche war, als ich sie ihm aus dem Auto reichte, und ich dachte im ersten Moment daran, dass er wieder einmal zu faul war, das, was er an diesem Tag nicht an Büchern oder Schulutensilien benötigte, aus der Tasche zu räumen. „Sag mal, trägst du die ganze Schule mit dir rum?“, fragte ich ihn. Er lächelte mich an: „Ach, das sind nur meine Steine!“ Aha! Von denen will er sich also nicht trennen. Am Tag davor waren wir im Schwarzwald (Nagoldtalsperre) gewesen, und dort hatte er wieder ein paar der ihm interessant erscheinenden Steine eingesammelt, so wie er das überall macht, wo wir hinkommen. Ich habe keine Ahnung, was ihn so daran fasziniert, aber er wird mir das sicher irgendwann erklären. Momentan begnüge ich mich mit der Beobachtung, dass ihm seine Steine wichtiger sind als die Bücher.

Oder es sind nur die falschen Bücher, die er von mir und den Lehrern bekommt. Um die richtigen zu finden, welche, die ihn interessieren, sollte ich wohl mehr auf seine Fragen achten. „Warum haben die Steine hier so viele verschiedene Farben?“, fragte er mich beispielsweise bei unserem Tag am See. Wissbegierig ist er ja, nur nicht auf das, was er lernen soll.

Dieser Text ist ebenfalls auf Quentin Quenchers Blog Glitzerwasser erschienen.

Foto: Pixabay

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Ulla Schneider / 28.07.2022

Sie sind ein toller Vater! Solche hätte ich früher, zu meiner Zeit, als Väter meiner Schulkinder gehabt!  Jaaa, es sind die falschen Bücher! Kinder lernen auf Umwegen. Das muss so sein, weil die Erkenntnis Raum und Zeit braucht, um sich in den “Gehirnwindungen” einzunisten, salopp gesagt.  “Ansatz des entdeckenden Lernens ....” - Ach, was würde ich dafür geben, wenn 80 Prozent der ” mit Kindern Umgehenden”  das begreifen würde. Aber Begreifen kommt von Greifen, man muss es selbst ausprobieren, um in den Genuß des Staunens über sich Selbst zu kommen. Dann - wenn die Idee reift, platzt es zur Erkenntnis auf. - Zwei Bücher und Gerald Hüther, aber auch Werner Schmidt, ganz besonder der große Heinrich Jakobi ” Jenseits von begabt und unbegabt”, “Jenseits von musikalisch und musikalisch” Zwei tolle Bücher und sicherlich noch antiquarisch zu erhalten.  Oder Klee’s Buch: “Die Leere”. ” Ich hätte es nicht für möglich gehalten, daß Kinder das können” .... große Augen bei Lehrenden und Eltern nach Seminaren, in denen sie mit!!! den Kindern auf Augenhöhe arbeiteten.  Was denken Sie: “who are the winner is?” Ich habe diese Seminare geleitet. Lang ist’s her. Apropos Steine: Es ist die Faszination der Form, der Farbe, der Muster, des Gewichts, das Geräusch, wenn sie gegeneinander klakken,  der Geruch.Es ist der Genuß, sie genau in aller Ruhe zu betrachten und sie mit den Augen zu fotografieren, damit es im Gedächtnis bleibt. Das nennt man “Gestalt”. - Kinder sind Eidetiker, ganz einfach! Und deswegen stimmen die Bücher nicht.

Ulrich Hering / 28.07.2022

Sehr geehrter Autor, bei aller Zustimmung zu Ihrem Artikel muß ich indes konstatieren, daß er nur die halbe Wahrheit ist. Sicher ist die heutige Schule nicht mehr das humanistische Gymnasium, das ich durchlaufen habe mit pädagogischen Charakterköpfen und lausbübischen Schülern, die vormittags - zumindest in der Mittelstufe - vornehmlich in die Schule gingen, um den am Nachmittag zuvor (statt Hausarbeiten) ausgeheckten Schabernack anzubringen. Trotzdem haben wir viel mehr gelernt, als uns selbst beim Abitur bewußt war. Dinge, die dann in meiner späteren Lehrtätigkeit - manchmal sogar spontan und unvermutet - im Unterricht auftauchten, wenn man etwas “aus dem Handgelenk” erklären mußte. Schülerrechte? Leistungskontrollen nur ein um den anderen Tag und deren zahlenmäßige Begrenzung? Einschränkung disziplinarischer Maßnahmen - was aber Schlagen trotzdem ausschloß? uvm.: Alles Fehlanzeige. Geändert haben sich nun nicht die Kinder, sondern zwei andere Faktoren: 1.) Die Eltern: Von der Allianz zwischen Schule und Elternhaus kann bei der Masse der Beobachtungs-, Aufklärungs-, Rettungs- und Kampfhubschraubereltern keine Rede mehr sein; mehr denn je gilt: In der Schule stören Eltern (meist) nur, weil sie über Jahre und Jahrzehnte schulische Veränderungen erzwungen haben, die nicht im langfristigen Interesse waren und sind. 2.) Die Politik, die glaubt, sie wisse, wie Schule sein müsse, weil sie (hoffentlich) mal selbst auf einer war, und die um kurzfristiger Interessen willen den kurzsichtigen Elternforderungen servil nachgegeben hat - und überdies (immer noch) ideologisch vernagelt auf die schulische Welt blickt. Dazu gäbe es noch ganz viel zu sagen, aber damit will ich es bewenden lassen. Viele Grüße an Sie, Herr Quencher

Max Kellner / 28.07.2022

Steine. Wie Goethe. Aus mir selbst ist kein Geologe geworden. Aber den Geologenhammer von Estwing, den ich mit zwölf für viel Taschengeld gekauft habe, den habe ich noch immer.  Eine Freude, das Ding in die Hand zu nehmen, auch nach über 40 Jahren. “Always wear safety goggles.” Und nie anpassen.

Manni Meier / 28.07.2022

“Wissbegierig ist er ja, nur nicht auf das, was er lernen soll.” Da machen Sie sich mal keine Sorgen, Herr Quencher. Ihr Filius wird dann später alles das, was er lernen sollte aber dann doch lieber nicht wollte, nachholen. Und zwar ohne Hilfe und Anleitung durch das Fachwissen der “blöden” Lehrer, die es ihm in der Schule quasi auf dem Silbertablett serviert hatten. Dafür sorgt schon das Leben, respektive sein Chef.

Lutz Herrmann / 28.07.2022

Ich dachte, Hausaufgaben gäbe es nicht mehr, um die Lehrerschaft zu entlasten. Das viele Korrigieren ...

Lieselotte Schuckert / 28.07.2022

Ich glaube, Sie brauchen sich keine Sorgen um Ihren Nachwuchs zu machen. Ihr Jüngster scheint ja beschäftigt zu sein, wenn die Hausaufgaben mal   nicht bearbeitet werden.

S. Andersson / 28.07.2022

Sehr gut!! Das kennen alle Eltern die noch Denk und Erziehungsfähig sind! Es ist Bulimie-Lernen…. Auskotzen und vergessen. Der Junge bekommt auf jeden Fall eine Chance das aus ihm etwas wird…. Super! Wir haben unseren Jungs immer gesagt wie es geht, entscheiden mussten die immer selber.

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