Sabine Drewes, Gastautorin / 31.12.2019 / 12:00 / Foto: J.P / 10 / Seite ausdrucken

Zu Silvester: Ein Rückblick auf 30 Jahre 1989

Silvester als letzter Tag des Jahres ist immer auch ein Tag des Rückblicks auf das fast vergangene Jahr – und in diesem Jahr auch auf das bewegende Geschehen von 1989, das Deutschland und Europa zum Positiven hin veränderte, ungeachtet der beklagenswerten Situation heute.

Deshalb, zur Erinnerung: Das Jahr 1989 war ein ganz besonderes Jahr. Es war ein Jahr des Hoffens und Bangens, ein Jahr unbeschreiblicher Tragik und ein Jahr grenzenlosen Glücks. Ein Jahr, in dem Millionen Menschen Tränen der Freude, Tränen der Erleichterung und Tränen des Glücks vergossen haben. Was bleibt, das sind Bilder, die man nie vergisst, nie vergessen sollte, nie vergessen könnte; ja, eigentlich möchte man meinen, eben diese Bilder müssten sich unwiderruflich in das historische Gedächtnis der Deutschen eingebrannt haben – schon alleine aus Dankbarkeit dafür, dass ein über vier Jahrzehnte hinweg brutal auseinandergerissenes Land und Volk wieder zusammenfand in Frieden und Freiheit. Das ist kein Pathos. Wie jeder Mensch braucht auch jedes Volk zur Selbstvergewisserung die Erinnerungen an die glücklichen Epochen seiner Geschichte. Sie allein geben für die Zukunft Mut und Zuversicht.

Nach allem, was aus den 89er-Gedenkveranstaltungen in diesem Jahr an die Öffentlichkeit drang, scheint genau dies weitestgehend unerwünscht zu sein. Es überwiegt das Klagen und Jammern, das Infragestellen, das Relativieren. Wir Deutschen sind Weltmeister darin, uns selber schlechtzureden und das auch noch gut zu finden. Das krampfhafte Bemühen, die Ereignisse vor dreißig Jahren kleinzureden, zu übergehen oder gleich ganz umzudeuten, ist unübersehbar. Ausgerechnet ein Land, das sich auf seine Gedenkkultur etwas einbildet, versäumt es, nicht nur der Tiefen, sondern auch der Höhen seiner wechselvollen Geschichte würdig zu gedenken und jene zu ehren, die damals alles für die Freiheit riskierten, unter ihnen unzählige Namenlose aus dem „einfachen Volk“.

Gegen die generelle Miesmacherei

Es sieht momentan eher so aus, als drohe die Erinnerung an den Freiheitskampf von 1989, genauso dem Vergessen überantwortet zu werden wie die Erinnerung an den Volksaufstand vom 16./17. Juni 1953. Und damit wird letzten Endes auch jede Erinnerung an das oft schwierige Unterfangen getilgt, nach 1945 über alle Widrigkeiten hinweg die nationale und staatliche Einheit Deutschlands zu wahren, wie es im sonst so hochgelobten Grundgesetz von 1949 einst in der Präambel stand.

Um diesem Bestreben der generellen Miesmacherei und dem Vergessen etwas entgegenzusetzen, erscheint hier eine Zusammenstellung von Achgut.com-Artikeln ab Herbst 2018, die an das bewegende Geschehen vor dreißig Jahren erinnern oder die im weiteren Sinne mit ihm in einem Zusammenhang stehen. Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit – aber sie kann gerne ergänzt werden.

Allen Lesern, Autoren und der Redaktion von Achgut.com einen guten Rutsch ins neue Jahr.

Ich lassen mir Freude und Stolz nicht stehlen

1989 schreibt an 1968

Wider die falschen Analogien zum 9. November

Geschichte ist Politik – Die Causa Knabe

30 Jahre 1989. Wider die Geschichtsklitterung

30 Jahre 1989. Wie der Westen sich bei Honecker anbiederte

In memoriam Jörg Schönbohm

Wenn Aufarbeitung sich ins Gegenteil verkehrt

30 Jahre Mauerfall: Freiheit und Selbstbestimmung weiterhin Feindbild

30 Jahre 1989. Die letzten Toten der Mauer

70 Jahre Grundgesetz: Sieg der Freiheit

30 Jahre Aufbruch in die Freiheit: Mut und Vertrauen

17. Juni – der gestohlene Ehrentag

Freude unschöner Götterfunken

Nur ein bisschen Gysi

Hubertus Knabe: Keine Lust zum Feiern

Sommer 1989: Eine Zeit der Wechselbäder

Bodo Strehlow: Flucht, Stasi-Knast, Neuanfang

DDR mit Anführungzeichen

Volkseigene Erfahrung unter Rotlichtbestrahlung

Kampf gegen rechts als Lehre aus der DDR, Herr Steinmeier?

30 Jahre Friedliche Revolution: Die Sachsen lagen vorn

Herbst 1989: Ein Durchbruch für die Freiheit in Prag

9. Oktober 1989: Die letzten Tage der Gewalt

Heute vor dreißig Jahren: Alexanderplatz-Demo mit zwei Gesichtern

Eine Grenzöffnungs-Zeitreise

„Coming-Out“ und ein Anruf beim ZDF

Hart an der Grenze – Westberliner Mauerleben

Freiheit, Glück, Freude – und der Trabi

30 Jahre Mauerfall: Wir brauchen echte Vielfalt, statt Gleichmacherei

Die lästigen Zeitzeugen

Der später Triumph der Stasi

Helmut Kohls 10-Punkte-Plan: „Die Einheit wird kommen“

Helmut Kohl in Dresden: „Ziel bleibt die Einheit unserer Nation“

Axel Springer: Ein Prophet des Mauerfalls

Foto: J.P

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Detlef Dechant / 31.12.2019

@Robert Schleif, treffend auf den Punkt gebracht. Auch meine Erfahrungen.

Volker Kleinophorst / 31.12.2019

Eine Revolution ohne die Täter, hier mal ganz WDR-satirisch “Kommunistensäue” genannt, zur Rechenschaft zu ziehen, ist keine.  Dreck am Stecken hatten SED, HVA und Stasi und ihre riesiege Zahl von Mitarbeitern wahrlich genug: RAF-Unterstützung, Carlos-Unterstützung… Die paar Gerichtsverfahren spiegeln das nicht wieder. Stattdessen zog man in den Bundestag ein. Es ja auch eher eine trojanische Revolution gewesen.

Rolf Lindner / 31.12.2019

Rückblickend sehe ich den November 1989 als Abschluss von etwas eigentlich sehr Traurigem und den Beginn eines neuen Kapitels Traurigkeit. In der DDR gab es Wahlen und Wahlkabinen. In all den Jahren der DDR-Existenz hat das SED-Regime erst 1989 massiven Wahlbetrug begangen, aber gar nicht nötig gehabt. Die Masse, die keineswegs von dem überzeugt war, was sie da wählte, hatte immer trotzdem das Kreuzchen an der gewünschten Stelle gemacht. Hätte das SED-Regime die tatsächlichen Wahlergebnisse veröffentlicht, wäre die Unfreiheit und Unterdrückung mit satten ca. 70 bis 80 % wiedergewählt worden. Wenn sich heute nur ca. 15 % in der Wahlkabine zur Freiheit und gegen Unterdrückung bekennen, wo ist die Wende? Ich würde sagen, es war keine Revolution, sondern nur eine Rochade. Und Deutsches Volk, mir graut vor dir.

peter luetgendorf / 31.12.2019

Lieber Herr Schleif, ich stimme Ihren Aussagen zu. Und sie haben damit recht, daß die Schuldigen niemals zur Rechenschaft gezogen wurden. Ich glaube nicht, daß man Frau Honecker nicht vor ein Gericht hätten stellen können. Zum zweiten Mal wurde eine Aufarbeitung verpaßt. Gruß

Andreas Rochow / 31.12.2019

Wir müssen Geschichtsschreibung in Zeiten der schnellen elektronischen Totalvernetzung und Information neu lernen. Zwar heißt es, das Internet vergesse nichts und es gäbe kein Recht auf Vergessen. Nun stellen wir mit Entsetzen fest, dass das thesaurierte Wissen und Meinen im Netz durch eine Legion anonymer “Faktenaufbereiter” manipuliert wird. Oft sind sie identisch mit jenen “Faktencheckern”, die im Auftrag ö.-r. Moderatoren-Stars aus News Fakenews machen und umgekehrt. Die Wahrheit und Auswahl der Information ist aber bei Namenlosen wie beim Staat denkbar schlecht aufgehoben. Über die Güte von Information und wertendem Kommentar kann man nur aufgrund der Reputation des Autors urteilen, optimal, wenn es sich dabei um einen richtigen Journalisten handelt. Medien, die mit weltanschaulichen Zielen tendenziell und einseitig berichten, verlieren zu Recht ihre Glaubwürdigkeit. Ihr Operieren an der Wahrheit und ihr Hang zu Staatspropaganda und (weltrevolutionärem linken) Aktivismus hat ihnen den Ruf der “Lückenpresse” eingebracht. Das ist noch euphemistisch, denkt man an den Rechtsanspruch auf wahrheitsgemäße, neutrale Berichterstattung durch ein immerhin grundgesetzlich dazu verpflichtetes Rundfunksystem. Wenn die Glaubwürdigkeit der Flaggschiffe “tagesschau” und “heute” so leichtfertig aufs Spiel gesetzt wird, stellt sich die Frage: Wer soll einst die Geschichte schreiben, wenn schon die Zeitzeugen durch staatlichen Propagandamedien nach allen Regel der Kunst manipuliert und ja: BELOGEN werden? Die Deutsche Presseagentur (dpa) stellt ein staatsnahes Monopol dar. Ihre Meinungsmacht dominiert fast alle regionalen und überregionalen Zeitungen. Ein erschreckend gleichmacherischer Einfluss auf Rundfunk und Fernsehen, der eine staatlich gewünschte Wahrheit nicht hinterfragt und Kontroversen nicht zulässt. Eine nationale Kraftanstrengung wird nötig sein, um diesen gefährlichen Hetz- und Meinungsnetzwerken den Stecker zu ziehen. 2020 könnte ein gutes Jahr dafür sein!

Rolf Mainz / 31.12.2019

Nun ja: ohne “1989” wäre der Bundesrepublik zumindest manche Politiker/innen-Karriere erspart geblieben…

Robert Schleif / 31.12.2019

Ich war 1989 aktiv mit dabei und ebenfalls unbeschreiblich glücklich über den Ausgang der Geschichte. Schon damals aber gefielen mir das Pathos und die Beweihräucherung des “Freiheitskampfes” überhaupt nicht. Wir hatten lediglich unglaubliches Glück, die äusseren Umstände waren einmalig günstig und das verfaulte Regime zur Abdankung bereit. Vergessen wir nicht, wie unglaublich feige, duldsam, subaltern und konform die breite Masse noch bis Sommer 1989 gewesen ist. Dass sie der Ruinierung der Wirtschaft und Umwelt und dem Zerfall der Städte 40 Jajre lang ruhig zugesehen hat, solange das kleine Spiesserglück gewahrt blieb. Und die meisten der über zwei Millionen Angehörige der Partei-, Staats- und -sicherheitsstruktur niemals mental die Seiten wechselten. Dass man recht unverschämt vom Grossen Bruder verlangte, rasch für gleiche Verhältnisse zu sorgen - man habe schliesslich Revolution gemacht. Und schimpfte, weil das nicht schnell und ohne Kollateralschäden ging. Dass man die Verantwortung rasch und freiwillig den Wessis abgab und sein Geld lieber sinnlos verkonsumierte, als aktiv in seine Freiheit zu investieren. Und klagte, dass man als betrogener Betrüger selbst über den Tisch gezogen wurde. Dass die Wessies nicht besser sind, zeigt sich jetzt, dass sie sich widerstandslos eine neue DDR überhelfen und sich enteignen lassen.

Oliver M Haynold / 31.12.2019

Man kann den Wert des friedlichen Zusammenbruchs der DDR gar nicht überschätzen und will sich das Szenario einer gewaltsamen Auseinandersetzung, gar mit sowjetrussischer Beteiligung, wirklich nicht vorstellen. Es war aber weder eine “Wende”, wie Egon Krenz es darstellen wollte, noch eine “Revolution”, sondern ein Zusammenbruch eines vom ersten Tag an kaputten Systems, das ohne Mauer und Schießbefehl, vor allem aber ohne die Bereitschaft der Sowjetunion zur gewaltsamen Niederschlagung von Protesten, nicht lebensfähig war. Gorbatschow mag einerseits die moralische Einsicht in die Kaputtheit dieses Systems gehabt haben, andererseits hatte er ein brennendes Bedürfnis nach Westgeld, und so oder so hat er Honecker öffentlich zu verstehen gegeben, dass seine Truppen nicht mehr als Machtbasis für Wandlitz zur Verfügung stünden. Damit war eigentlich schon Schluß; der Rest war Zusammenbruch, in dem eher die Aktenvernichtung und Vermögensverschiebung vorrangiges Tätigkeitsfeld der Vorausschauenden unter den alten Machthabern war. Dankbar muss man für diesen Zusammenbruch sein, aber als Nationalmythos ähnlich der amerikanischen Unabhängigkeit eignet er sich weniger und dürfte von daher auch weniger mit Feuerwerk begangen und bedacht werden.

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