@Robert Schleif, treffend auf den Punkt gebracht. Auch meine Erfahrungen.
Eine Revolution ohne die Täter, hier mal ganz WDR-satirisch “Kommunistensäue” genannt, zur Rechenschaft zu ziehen, ist keine. Dreck am Stecken hatten SED, HVA und Stasi und ihre riesiege Zahl von Mitarbeitern wahrlich genug: RAF-Unterstützung, Carlos-Unterstützung… Die paar Gerichtsverfahren spiegeln das nicht wieder. Stattdessen zog man in den Bundestag ein. Es ja auch eher eine trojanische Revolution gewesen.
Rückblickend sehe ich den November 1989 als Abschluss von etwas eigentlich sehr Traurigem und den Beginn eines neuen Kapitels Traurigkeit. In der DDR gab es Wahlen und Wahlkabinen. In all den Jahren der DDR-Existenz hat das SED-Regime erst 1989 massiven Wahlbetrug begangen, aber gar nicht nötig gehabt. Die Masse, die keineswegs von dem überzeugt war, was sie da wählte, hatte immer trotzdem das Kreuzchen an der gewünschten Stelle gemacht. Hätte das SED-Regime die tatsächlichen Wahlergebnisse veröffentlicht, wäre die Unfreiheit und Unterdrückung mit satten ca. 70 bis 80 % wiedergewählt worden. Wenn sich heute nur ca. 15 % in der Wahlkabine zur Freiheit und gegen Unterdrückung bekennen, wo ist die Wende? Ich würde sagen, es war keine Revolution, sondern nur eine Rochade. Und Deutsches Volk, mir graut vor dir.
Lieber Herr Schleif, ich stimme Ihren Aussagen zu. Und sie haben damit recht, daß die Schuldigen niemals zur Rechenschaft gezogen wurden. Ich glaube nicht, daß man Frau Honecker nicht vor ein Gericht hätten stellen können. Zum zweiten Mal wurde eine Aufarbeitung verpaßt. Gruß
Wir müssen Geschichtsschreibung in Zeiten der schnellen elektronischen Totalvernetzung und Information neu lernen. Zwar heißt es, das Internet vergesse nichts und es gäbe kein Recht auf Vergessen. Nun stellen wir mit Entsetzen fest, dass das thesaurierte Wissen und Meinen im Netz durch eine Legion anonymer “Faktenaufbereiter” manipuliert wird. Oft sind sie identisch mit jenen “Faktencheckern”, die im Auftrag ö.-r. Moderatoren-Stars aus News Fakenews machen und umgekehrt. Die Wahrheit und Auswahl der Information ist aber bei Namenlosen wie beim Staat denkbar schlecht aufgehoben. Über die Güte von Information und wertendem Kommentar kann man nur aufgrund der Reputation des Autors urteilen, optimal, wenn es sich dabei um einen richtigen Journalisten handelt. Medien, die mit weltanschaulichen Zielen tendenziell und einseitig berichten, verlieren zu Recht ihre Glaubwürdigkeit. Ihr Operieren an der Wahrheit und ihr Hang zu Staatspropaganda und (weltrevolutionärem linken) Aktivismus hat ihnen den Ruf der “Lückenpresse” eingebracht. Das ist noch euphemistisch, denkt man an den Rechtsanspruch auf wahrheitsgemäße, neutrale Berichterstattung durch ein immerhin grundgesetzlich dazu verpflichtetes Rundfunksystem. Wenn die Glaubwürdigkeit der Flaggschiffe “tagesschau” und “heute” so leichtfertig aufs Spiel gesetzt wird, stellt sich die Frage: Wer soll einst die Geschichte schreiben, wenn schon die Zeitzeugen durch staatlichen Propagandamedien nach allen Regel der Kunst manipuliert und ja: BELOGEN werden? Die Deutsche Presseagentur (dpa) stellt ein staatsnahes Monopol dar. Ihre Meinungsmacht dominiert fast alle regionalen und überregionalen Zeitungen. Ein erschreckend gleichmacherischer Einfluss auf Rundfunk und Fernsehen, der eine staatlich gewünschte Wahrheit nicht hinterfragt und Kontroversen nicht zulässt. Eine nationale Kraftanstrengung wird nötig sein, um diesen gefährlichen Hetz- und Meinungsnetzwerken den Stecker zu ziehen. 2020 könnte ein gutes Jahr dafür sein!
Nun ja: ohne “1989” wäre der Bundesrepublik zumindest manche Politiker/innen-Karriere erspart geblieben…
Ich war 1989 aktiv mit dabei und ebenfalls unbeschreiblich glücklich über den Ausgang der Geschichte. Schon damals aber gefielen mir das Pathos und die Beweihräucherung des “Freiheitskampfes” überhaupt nicht. Wir hatten lediglich unglaubliches Glück, die äusseren Umstände waren einmalig günstig und das verfaulte Regime zur Abdankung bereit. Vergessen wir nicht, wie unglaublich feige, duldsam, subaltern und konform die breite Masse noch bis Sommer 1989 gewesen ist. Dass sie der Ruinierung der Wirtschaft und Umwelt und dem Zerfall der Städte 40 Jajre lang ruhig zugesehen hat, solange das kleine Spiesserglück gewahrt blieb. Und die meisten der über zwei Millionen Angehörige der Partei-, Staats- und -sicherheitsstruktur niemals mental die Seiten wechselten. Dass man recht unverschämt vom Grossen Bruder verlangte, rasch für gleiche Verhältnisse zu sorgen - man habe schliesslich Revolution gemacht. Und schimpfte, weil das nicht schnell und ohne Kollateralschäden ging. Dass man die Verantwortung rasch und freiwillig den Wessis abgab und sein Geld lieber sinnlos verkonsumierte, als aktiv in seine Freiheit zu investieren. Und klagte, dass man als betrogener Betrüger selbst über den Tisch gezogen wurde. Dass die Wessies nicht besser sind, zeigt sich jetzt, dass sie sich widerstandslos eine neue DDR überhelfen und sich enteignen lassen.
Man kann den Wert des friedlichen Zusammenbruchs der DDR gar nicht überschätzen und will sich das Szenario einer gewaltsamen Auseinandersetzung, gar mit sowjetrussischer Beteiligung, wirklich nicht vorstellen. Es war aber weder eine “Wende”, wie Egon Krenz es darstellen wollte, noch eine “Revolution”, sondern ein Zusammenbruch eines vom ersten Tag an kaputten Systems, das ohne Mauer und Schießbefehl, vor allem aber ohne die Bereitschaft der Sowjetunion zur gewaltsamen Niederschlagung von Protesten, nicht lebensfähig war. Gorbatschow mag einerseits die moralische Einsicht in die Kaputtheit dieses Systems gehabt haben, andererseits hatte er ein brennendes Bedürfnis nach Westgeld, und so oder so hat er Honecker öffentlich zu verstehen gegeben, dass seine Truppen nicht mehr als Machtbasis für Wandlitz zur Verfügung stünden. Damit war eigentlich schon Schluß; der Rest war Zusammenbruch, in dem eher die Aktenvernichtung und Vermögensverschiebung vorrangiges Tätigkeitsfeld der Vorausschauenden unter den alten Machthabern war. Dankbar muss man für diesen Zusammenbruch sein, aber als Nationalmythos ähnlich der amerikanischen Unabhängigkeit eignet er sich weniger und dürfte von daher auch weniger mit Feuerwerk begangen und bedacht werden.
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