Manche Wohlhabende kaufen sich eine Insel. Auf die Idee, sich ein ganzes Land – nämlich die Türkei – zu kaufen, sind dagegen die Katarer gekommen. Um ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen, brauchten die Katarer einen Kontaktmann vor Ort, der in der Türkei viel bewegen kann. Den fanden sie schnell. Nennen wir ihn Mr. E.
An die große Glocke hängt man das Ganze nicht. Still und leise investieren die Katarer: die türkische Finanzbank, der Pay-TV-Sender Digiturk mit den Süper-Lig Fußballlizenzen, der Mischkonzern Boyner Holding, die ABank, Banvit-Geflügel, BMC-Motoren, die Patisserie-Kette Mado und andere – sie alle sind schon katarisch.
2018, auf der Immobilienmesse in Doha, sagte der stellvertretende Präsident der Industrie- und Handelskammer von Katar, dass innerhalb kurzer Zeit 18 Milliarden US-Dollar für Investitionen in die Türkei überwiesen worden seien. Der türkische Wirtschaftsminister teilte kürzlich mit, dass zwischen 2002 und 2017 insgesamt 1,8 Milliarden US-Dollar aus Katar in die Türkei geflossen seien und 2019 Investitionen von 20 Milliarden US-Dollar aus Katar in die Türkei fließen würden. Damals rechnete er sicher nicht damit, dass die türkische Wirtschaft so weit unten ankommen würde.
Für 250.000 US-Dollar erhält man einen türkischen Pass
Katarische Geschäftsleute haben außerdem hunderte von Unternehmen in der Türkei gegründet. Der Minister bezifferte die Zahl mit 121 Firmen, die mehr als fünf Milliarden Türkische Lira eingezahltes Kapital haben. Wieder Milliarden, die in keiner Statistik auftauchen. Es sind Kapitalgesellschaften nach türkischem Recht. Was diese hier und da kaufen und investieren, wird nicht als katarische Investition erfasst. Hinzu kommt, dass man bei Immobilienkäufen ab einem Betrag von 250.000 US-Dollar einen türkischen Pass bekommt. Mittlerweile dürfte jeder Katarer einen türkischen Pass besitzen. Folglich kaufen die Katarer als Türken weiter ein. Grundstück um Grundstück, Immobilie um Immobilie kaufen sie die Türkei auf.
Die Katarer und auch Araber aus anderen Ländern sind es gewohnt, Andere für sich arbeiten zu lassen. Meine Überlegung ist, dass die Türkei, die so nahe an Europa liegt, für die Menschen aus dem Katar eine hervorragende Zweitresidenzadresse hergibt. Billige Arbeitskräfte gibt es zuhauf. Wer weiß, vielleicht braucht Mr. E. irgendwann mal selbst eine Ausweichadresse in Katar?
Nicht nur die Scharia hat also schleichend in der Türkei Einzug gehalten, sondern auch die reichen Katarer.
500 Millionen US-Dollar als Geschenk?
Eigentlich denke ich ja, dass er die Maschine selber aus der Staatskasse gekauft hat, aber Erdogan verkündete es so, als sei es ein Geschenk des Katar. Ein Jumbojet Boeing 747-8, zwar vormals knapp 500 Stunden benutzt, aber was ist das schon? Schlimm, wenn er die Maschine aus der maroden Staatskasse bezahlt hat, schlimm, wenn der Emir von Katar ihm die Maschine geschenkt hat. 2 x 2 macht vier. Dann müsste man sich fragen, was für Vorteile sich Katar mit diesem Geschenk erkauft hat. Mittlerweile hat man den Überblick verloren, was alles den Katarern gehört. Die Taktik des Vorgehens, dass man als türkisches Unternehmen oder als Türke agiert, macht das Ganze so unübersichtlich.
Letzte Woche passierte es dann. Der türkische Fußballverband verlangte von den Katarern für die Senderechte einen Betrag, den die Katarer nicht bereit waren zu bezahlen. Schon sprang der Staat ein und zahlte den Differenzbetrag von lächerlichen 300 Millionen Türkischen Lira aus der Staatskasse. „Zustände wie im alten Rom“, wollte ich schreiben, aber so etwas haben damals sicher nicht einmal die Römer erlebt.
Die Reichsten der Reichen haben ihr Geld schon im Ausland
Schon vor 3–5 Jahren, als ersichtlich war, dass die Wirtschaft der Türkei dem Mr. E. egal war beziehungsweise ihm aus den Fingern glitt und er die Übersicht verlor, fingen die wohlhabenden Türken und viele Erdogan-nahe Unternehmer an, ihre Gelder ins Ausland zu transferieren. Die großen Familienkonglomerate haben Multimilliarden an US-Dollar Schulden über türkische Staatsbanken, diese Konditionen gab es nur da, umgeschuldet und zwar mit einem Jahrzehnt Tilgungsfreiheit. Heißt: „Nach-mir-die-Sintflut-Strategie.“
Ferit Şahenk, einer der Reichsten der Türkei, verkauft schon so lange, was er an türkischem Besitz hat, dass er bald alles Geld im Ausland haben dürfte. Gerade ist er dabei, seinen 42-prozentigen Anteil an dem Top-Einkaufs-Zentrum in Istanbul, Istinye Park, für eine Milliarde US-Dollar an eine Investmentfirma zu verkaufen. Die Firma Qatar Holding LLC stammt, wie der Name schon sagt, aus Katar. Das Unternehmen ist 2005 vom katarischen Emir gegründet worden und managt die überschüssigen Gelder des Landes, die aus dem Erdöl- und Erdgas-Handel entspringen. Das Unternehmen soll über ein Vermögen von 335 Milliarden US-Dollar verfügen.
Vor fünf Jahren, als die Stadt noch einen AKP-Oberbürgermeister hatte, wurde eine Straße, direkt an dem oben genannten Einkaufszentrum, in die Katar-Straße umbenannt. Seitdem kaufen die Katarer rechts und links der Straße so ziemlich alles auf. Willkommen in der Republik Türkei-Katar! Denn nichts anderes passiert. Wie ich schon zu Anfang geschrieben habe, die anderen kaufen sich eine Insel, aber die Katarer kaufen gleich ein ganzes Land.
Dr. Ahmet Refii Dener (Dipl.-Kfm.) ist Unternehmensberater, Wirtschaftsexperte und Türkei-Analyst. Nach über 30 Jahren der erfolgreichen Tätigkeit für deutsche Unternehmen in der Türkei, wobei er die letzten 10 Jahren seinen Lebensmittelpunkt in der Türkei hatte, stieg er 2017 zum Dissidenten auf und ist wieder nach Deutschland zurückgekehrt und berät Unternehmen, Medien und Behörden in allen Fragen rund um die Türkei, aber auch bei sonstigen unternehmerischen Themen. Er schreibt in verschiedenen Medien und ist Kolumnist des Tagesspiegels. Eine gute Portion Humor und Ironie gehören bei ihm immer dazu. Dieser Beitrag erschien zuerst auf seinem Blog Ich mein's gut!.