Bestimmte psychische Störungen gehen bekanntlich mit einer erhöhten Kriminalitäts- oder gar Mordrate einher, auch wenn Letzteres – das sei hier ausdrücklich betont – jeweils nur auf eine kleine Minderheit der Erkrankten zutrifft. Gleichwohl – das belegen zahlreiche Studien – ist der Beitrag der Schizophrenie vor allem zu schwersten Formen der Gewaltdelinquenz beachtlich: Beispielsweise weist in Schweden jeder Fünfte des Mordes Angeklagte eine Schizophrenie-Diagnose auf. Eine Literaturübersicht aus dem Jahr 2009 ergab für Schizophrene mit und ohne zusätzlichen Alkohol- oder Drogenmissbrauch ein gegenüber der Allgemeinbevölkerung 19,5-fach erhöhtes Risiko, einen Mord oder Totschlag („homicide“) zu begehen.
Die deutsche Psychiatrie tut sich mit solchen Themen allerdings schwer: So leugneten namhafte Vertreter des Faches jahrelang die bereits seit den Neunziger Jahren vielfach belegte Tatsache eines deutlich erhöhten Risikos von Schizophrenie-Kranken für die Begehung schwerster Straftaten. Bruchlos in diese Kultur fügt sich jetzt ein umfangreiches Psychiatrie-Lehrbuch mit dem Anspruch, „Facharztwissen“ zu vermitteln, ein: entgegen den eindeutigen Ergebnissen von zig aussagefähigen Studien wird, ohne Wenn und Aber, behauptet, dass bei Flüchtlingen/Migranten „kein erhöhtes Risiko für Schizophrenie erkennbar“ sei.
Eine bestimmte Gruppe ist überrepräsentiert
Andere Autoren sind da weiter und beschäftigen sich bereits mit Auswirkungen dieses erhöhten Risikos: Im sogenannten Maßregelvollzug (nach § 63) in Baden-Württemberg sind Patienten aus Nord- und Subsahara-Afrika im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung erheblich überrepräsentiert. Es handelt sich dabei um verurteilte Straftäter, die nicht im Gefängnis landen, sondern bei denen das Gericht wegen Schuldunfähigkeit oder verminderter Schuldfähigkeit aufgrund einer schweren psychischen Störung die Unterbringung in einer forensisch-psychiatrischen Einrichtung angeordnet hat. So dürften sich diese speziellen psychiatrischen Krankenhäuser mehr und mehr zu einer Art Endlager für ganz bestimmte migrantische Nutznießer der Merkelschen Willkommenspolitik entwickeln.
In Österreich scheint eine solche Entwicklung bereits vor längerer Zeit eingesetzt zu haben. Darauf weist jedenfalls die zwischen 2001 und 2004 erfolgte Untersuchung von T. Stompe und Mitarbeitern zu „Prädiktoren für Gewaltdelikte bei Schizophrenie“ hin: Bei den in der forensischen Psychiatrie untergebrachten schuldunfähigen schizophrenen Straftätern fand sich – im Vergleich zum entsprechenden Anteil der Bevölkerung in Österreich – deutlich häufiger (32 Prozent vs. circa 18 Prozent) ein „Migrationshintergrund“. Als eine mögliche Erklärung weisen die Autoren auf problematische kulturspezifische Wertehaltungen hin – die sogenannten „gewaltlegitimierenden Männlichkeitsnormen“.
Welche Symptome gelten als besonders gewaltaffin?
Als eine weitere Erklärung käme eine kulturell bedingte, häufiger zu Gewalt führende Schizophrenie-Symptomatik in Betracht. In der Psychiatrie herrscht breiter Konsens darüber, dass Kultur und Gesellschaft einen erheblichen Einfluss auf Art und Ausgestaltung der Schizophrenie-Symptomatik haben. Damit drängt sich die Frage auf, ob bestimmte kulturelle Überformungen von Symptomen nicht auch mit einer besonderen Gewaltaffinität verbunden sein könnten.
Es geht im Folgenden also um die Frage, ob in einigen Kulturen bei der Schizophrenie bestimmte Wahnthemen oder andere Krankheitszeichen vergleichsweise häufig vorkommen, von denen bekannt ist, dass sie mit einem besonderen Risiko für Gewalttaten verbunden sind. Erstaunlicherweise ist das Problem von speziellen Gewalt-Risikosymptomen bei Schizophrenie bisher nur selten untersucht worden. Dennoch gelten die beiden folgenden Symptome als recht gesicherte Risikoindikatoren: ein paranoider oder Verfolgungswahn, bei dem sich die Betroffenen als Ziel von Feindseligkeiten erleben, sich bedroht, gekränkt oder auch verhöhnt wähnen und in der absoluten Gewissheit leben, dass man nach ihrem Hab und Gut, ihrer Gesundheit oder gar ihrem Leben trachtet und, zweitens, das Auftreten von starken Erregungszuständen.
Schlussendlich interessiert angesichts der auch bei uns heimisch gewordenen islamistischen Gewalt natürlich auch die Frage, wie es sich in muslimischen Gesellschaften beziehungsweise bei Muslimen mit dem religiösen Wahn verhält. Dem soll aber nur kurz und unter einem bestimmten Blickwinkel nachgegangen werden, denn bei diesem Thema lauern einige Untiefen. Abgesehen davon, dass es sich beim religiösen Wahn häufig eher um die religiöse Färbung anderer Wahnthemen handelt, wohnt dem religiösen Wahn ein spezielles Problem inne: seine eindeutige Abgrenzung gegenüber dem „Normalen“, die in aller Regel zwar möglich, aber manchmal eben schwierig ist. Das Kernproblem dabei: Wenn uns schon einmal ein Messias erschienen ist, warum kann dann Herr Müller von gegenüber nicht der zweite sein, wie er behauptet? Nur, weil er nicht Wasser in Wein verwandeln kann – oder will?
Wahn in verschiedenen Kulturen
Eine Studie unter der Leitung des am Uniklinikum Wien tätigen Professor T. Stompe zum Thema Kultur und schizophrene Wahnthematik könnte vielleicht helfen, die hier aufgeworfenen Fragen zu beantworten. So liegt die Vermutung nahe, dass in sehr religiösen Gesellschaften auch religiöse Wahnthemen dominieren. Das stimmt allerdings nur zum Teil. Zwar sind religiöse Wahnthemen im Rahmen einer Schizophrenie mit 100 Prozent weitaus am häufigsten anzutreffen bei Anhängern von Stammesreligionen (in Westafrika), aber bei Muslimen (orthodoxe Sunniten) in Pakistan lediglich bei 8 Prozent der schizophren Erkrankten, die allerdings im internationalen Vergleich am häufigsten (91 Prozent) unter Verfolgungswahn leiden.
Bemerkenswert ist ferner, dass die große Mehrheit der betroffenen Pakistanis nur über ein einziges Wahnthema berichtete, während Erkrankte aus den übrigen sechs europäischen und zwei afrikanischen Ländern mehrheitlich mindestens zwei Wahnthemen anzubieten hatten. Es sei wohl die „Bilderfeindlichkeit des dogmatischen Islam“, welche die Entstehung eines religiösen Wahns hemme, vermutet Stompe.
Für diese These spricht auch, dass in den meist nicht ganz so dogmatisch-islamischen Regionen Westafrikas religiöse Wahnthemen vergleichsweise deutlich häufiger (33 Prozent) vorkommen. Damit entwickelt sich ein religiöser Wahn dort mit einer ganz ähnlichen Häufigkeit wie bei den Schizophrenen in Österreich (34 Prozent), obwohl auch in unserem Nachbarland besonders bei jüngeren Erkrankten religiöse Themen eigentlich kaum noch eine Rolle spielen.
Wie könnte religiöser Wahn entstehen?
Stompe erklärt diesen scheinbaren Widerspruch folgendermaßen: Wenn die Krankheit Fahrt aufnimmt und sich, als Vorbote eines voll ausgebildeten Wahns, zunächst eine Wahnstimmung einstellt, der Betroffene also ahnungsvoll und angespannt spürt, dass irgendetwas ganz Besonderes im Gange ist und er nach Erklärungen dafür sucht, dränge sich ihm oft die Empfindung auf, Empfänger einer göttlichen Offenbarung zu sein. Dieses Erleben wiederum bilde dann die Grundlage für die Entfaltung religiöser Wahnideen. Ein solcher Entwicklungsprozess religiöser Wahnthemen – dafür sprechen die erwähnten Häufigkeiten – dürfte grundsätzlich auch für erkrankte Muslime gelten, aber ganz offensichtlich nicht oder nur sehr selten in Regionen, in denen ein sehr dogmatischer Islam üblich ist.
Nicht nur bei den Anhängern von Stammesreligionen, sondern auch bei Christen und Muslimen kommt es dort sehr häufig zu Verhexungs- und Besessenheitsideen. Während diejenigen mit Verhexungsideen sich von ebendiesen Hexen verfolgt, bedroht und beeinflusst fühlen, sind Besessenheitsvorstellungen überwiegend religiöser Natur. Verbunden mit diesen doch sehr speziellen Wahnthemen – und das ist für die hier interessierende Fragestellung wichtig – ist häufig die Neigung zu schweren Erregungszuständen.
Ein vorsichtiges Fazit
Selbst bei einer Erkrankung mit einem genetischen Anteil von etwa 80 Prozent wie der Schizophrenie gibt es also zahlreiche Belege dafür, dass kulturelle Faktoren sich auf die Symptomatik wesentlich auswirken. Wenn es zutrifft, dass Erkrankte mit einem Verfolgungswahn ein besonderes Risiko für Gewalttaten in sich tragen, wären Flüchtlinge/Migranten aus Regionen, in denen ein dogmatischer Islam gepflegt wird – wo Verfolgungswahn im interkulturellen Vergleich am häufigsten vorkommt – wahrscheinlich eine besondere Risikogruppe für ihre Umwelt. Ob dabei die meist vorhandene Fremdheit gegenüber der Kultur des Gastlandes das wahnhafte Bedrohungsgefühl noch weiter zuspitzt, wäre durchaus plausibel, muss aber in Ermangelung von Forschungsergebnissen offen bleiben.
Wegen der Neigung zu schweren Erregungszuständen könnte ein erhöhtes Risiko für Gewalttaten bei Flüchtlingen/Migranten mit Schizophrenie oder eng verwandten Störungen aus bestimmten Regionen Westafrikas vorliegen – egal, ob sie dem Christentum, Islam oder aber eher Stammesreligionen anhängen. Nicht zu unterschätzen bei Schizophrenie-Kranken aus fremden Kulturen ist auch die oft vorhandene Sprachbarriere, die es den Behandlern – bei den häufig zudem unkooperativen Patienten – noch schwieriger macht, zu ergründen, was in ihnen wirklich vorgeht. Zweifellos kein leichter Job, der aber nicht einfacher wird durch das Beschweigen oder gar Leugnen von bestimmten, politisch vielleicht nicht korrekten Themen. Zumal der Psychiater nicht nur seinen Patienten, sondern auch der Allgemeinheit verpflichtet ist.
Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Wolfgang Meins ist Neuropsychologe, Arzt für Psychiatrie und Neurologie, Geriater und apl. Professor für Psychiatrie. In den letzten Jahren überwiegend tätig als gerichtlicher Sachverständiger im sozial- und zivilrechtlichen Bereich.