Am 30. Dezember wird Claus Kleber sein letztes „heute journal“ moderieren, bevor er sich in den Ruhestand verabschiedet, wobei er seinem Sender bestimmt weiter Berichte mit richtiger Haltung liefern darf.
Jetzt wird zurückgeschossen: Am 4. April 2019 verkündet ZDF-Fernsehmoderator Claus Kleber zu Beginn des „heute journals“ den Beginn des dritten Weltkrieges. Mit ernster Miene spricht er folgenden Satz: „Guten Abend, zu Wasser und zu Luft sind heute amerikanische, deutsche und andere europäische Verbündete unterwegs nach Estland, um die russischen Verbände zurückzuschlagen, die sich dort wie vor einigen Jahren auf der Krim festgesetzt haben.“ Im nächsten Satz gibt Kleber dann Entwarnung: Ätschbätsch, nur ein Scherz, aber so könne es dereinst einmal sein, wenn der böse Herr Putin nicht zur Räson gebracht werden kann. Konnte er – siehe die Spannungen an der russisch-ukrainischen Grenze – bis heute nicht.
Dass im Lande seinerzeit keine Panik ausbrach, dürfte dem glücklichen Umstand zu verdanken gewesen sein, dass die Mehrheit der Bevölkerung – allen voran die Jüngeren – die Informationsangebote der öffentlich-rechtlichen Sender nur noch am Rande oder überhaupt nicht mehr wahrnimmt sowie der Tatsache, dass immer mehr Menschen dem Mainstream, der aus den Apparaten schallt, von den Bildschirmen schreit und vom Zeitungspapier raunt, schlicht kein Vertrauen mehr schenkt.
Eigentlich hätte Kleber nach einer solchen Entgleisung eine Strafversetzung ins Frühstücksfernsehen kassieren müssen. Doch der ZDF-„Anchorman“ mit dem verrutschtem Gesicht, das besorgte Zuseher immer wieder fragen ließ, ob der Medienstar vielleicht einen Schlaganfall erlitten habe, durfte weitersenden, bis zum Donnerstag. Am 30. Dezember wird er zusammen mit Gundula Gause sein letztes „heute journal“ moderieren, bevor er sich in einen mit Zwangsgebühren gepolsterten Ruhestand verfügt, wobei man sicher sein darf, dass er weiter für erkleckliches Honorar – bislang soll er pro Jahr mehr als eine halbe Million Euro verdient haben – wohlgeframte Berichte aus aller Welt anfertigen darf. Große Dokumentationen, in denen der Groß-Journalist einmal mehr dem frönen kann, was ihm am wichtigsten ist: der eigenen Bedeutung.
Leise geht anders
Kleber sei ein „Bündel penetrant-leiser Eitelkeiten“, schreibt der frühere Bild-Chefredakteur und Achgut-Autor Hans-Hermann Tiedje, was treffend formuliert ist, wobei Klebers Eitelkeiten keineswegs immer leise daherkommen, siehe sein dröhnender Weltkriegs-Aufmacher. Erst jüngst, kurz nach der für die Union historisch vermasselten Bundestagswahl, kanzelte er vor einem, immer noch, Millionenpublikum, den damaligen CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet als „Null“ ab. O-Ton Kleber: „Die CDU macht offenbar ernst mit dem Neuanfang. Zum dritten Mal in nur drei Jahren alles auf Null. Und dann keine Nullen mehr vorne.“ Leise geht anders.
Da sehnt man sich sogar als konsequenter ARD/ZDF-Abstinenzler und Zwangsgebührenverweigerer zurück nach der nobel-ironischen Distanz von Klebers „heute journal“-Vorgänger Wolf von Lojewski oder der augenzwinkernd-altväterlichen Nonchalance eines Hanns Joachim Friedrichs von den ARD-„Tagesthemen“. Von ihm stammt der berühmte Satz:
„Das hab’ ich in meinen fünf Jahren bei der BBC in London gelernt: Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, nicht in öffentliche Betroffenheit versinken, im Umgang mit Katastrophen cool bleiben, ohne kalt zu sein. Nur so schaffst du es, dass die Zuschauer dir vertrauen, dich zu einem Familienmitglied machen, dich jeden Abend einschalten und dir zuhören.“
Natürlich beruft sich auch Kleber gerne auf dieses Mantra eines unabhängigen Journalismus. Und natürlich ist er selbst Träger eines nach Friedrichs benannten Medienpreises. Doch mit der Distanz hapert es bei Kleber zuweilen gewaltig. Das wurde besonders deutlich, als er 2012 ausgerechnet dem iranischen Diktator-Präsidenten und Israel-Hasser Mahmud Ahmadinedschad die Bühne für ein 45-minütiges Solointerview bot, das in der ZDF-Mediathek in voller Länge, im „heute journal“ immerhin noch in Auszügen zu sehen war, wobei sich der Frager selbst zum servilen Stichwortgeber degradierte.
„Manchmal kann es so einfach sein“
Dafür feierte er drei Jahre später umso hemmungsloser die Träger jener Willkommenskultur, die Deutschland zum El-Dorado aller Zu-kurz-Gekommenen machten, ohne dass Kleber wohl jemals die negativen Folgen dieser verhängnisvollen Politik am eigenen Leib wird spüren können. Als er nach einem Beitrag über die Integration von Flüchtlingskindern über die Willkommensgeste eines Busfahrers im fränkischen Erlangen berichtete, schossen Kleber vor laufender Kamera Tränen der Rührung in die Augen. „Manchmal kann es so einfach sein“, sagte Kleber mit Kloß im Hals und gab an seine Kollegin Gundula Gause ab.
Da jubelte der Willkommens-Mainstream im Stil von Hedwig Courths-Mahler. Selbst Profis wie Claus Kleber seien keine „abgebrühten Maschinen, sondern Menschen, die von menschlichen Schicksalen selbst berührt sind“. Was sagte nochmal Friedrichs? Sich niemals gemein machen, cool bleiben ohne kalt zu sein? Kleber war wieder einmal Opfer seiner Eitelkeit geworden. Und seiner bedingungslosen Hingabe an das öffentlich-rechtliche System, in dem sich nach belastbaren Umfragen so gut wie alle Mitarbeiter im grünroten Milieu verorten. Aber wieso sollte er die Hand beißen, die ihn nährt?
Auch bei der Recherche erwies sich der angeblich mit allen Wassern gewaschene Medienprofi mit kurzzeitiger Anwartschaft auf den Chefredakteursposten des „Spiegel“ regelmäßig als nur bedingt sattelfest. So zitierte Kleber 2017 ungeprüft aus einem Artikel der ZEIT, in dem behauptet worden war, dass in Thüringer Schrebergärten schwarz-weiß-rote Reichsfahnen so präsent seien wie das Schwarz-rot-gold der Bundesrepublik, woraufhin ihn ein Kleingärtner-Verband wegen Verleumdung und übler Nachrede anzeigte. Kleber hatte Glück: Die Ermittlungen verliefen im Sande.
Man möchte sich nicht ausmalen, wie oft Kleber als langjähriger US-Korrespondent aus der „New York Times“ abschrieb, die er in seinem 2017 erschienenen Büchlein „Rettet die Wahrheit“ als Leuchtturm unabhängiger Berichterstattung pries, und auf diese Weise ein Amerikabild transportierte, das das bei US-Linken und ihren europäischen Freunden so verhasste Amerika der „flyover states“ konsequent ausblendet, eine Haltung, die zu einer das Absurde streifenden Dämonisierung des US-Präsidenten Donald Trump geführt hatte, deren Folgen auch der Autor dieser Zeilen am eigenen Leib zu spüren bekam.
Im Zweifelsfall – Claus Kleber
Selbst Klebers Formulierungskünste sind nicht über alle Zweifel erhaben. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise textete Kleber im Januar 2016 eine Moderation, die dem damaligen SPON-Kolumnisten Jan Fleischhauer nicht nur als Beispiel von „Erziehungs-Journalismus“ sauer aufstieß: „Europa ist zusammengeblieben, die deutsche Wirtschaft brummt, in der Flüchtlingskrise merkt Deutschland verblüfft, wozu es fähig ist. Hilfsbereitschaft, Empathie, Willkommen stellen in den Schatten, was Fremdenfeinde, Nationalisten und Zweifler auf die Straße bringt.“ Immerhin gab Kleber im Nachhinein zu, dass die merkwürdige Steigerungsform mit „Zweifler“ als Superlativ von Fremdenfeind und Nationalist „fahrlässig moderiert“ gewesen sei. „Ein Fehler und ein Eigentor“, schrieb er selbstkritisch. „Zweifler bin ich selbst. Schon beruflich.“
Man könnte Kleber zugute halten, dass er offenbar fähig ist, eigene Fehlleistungen zu erkennen. Nur unternimmt er wenig, um zu verhindern, dass sie sich wiederholen. In seinem oben erwähnten Büchlein schrieb er:
„Wenn in Mainstream-Medien über die AfD (…) berichtet wurde, geschah das meist in einem Grundton der Ablehnung, den andere Parteien selten zu spüren bekommen. Wurden AfD-Spitzenleute interviewt, schien auch bei mir gelegentlich weniger Aufklärung als Anklage das Ziel zu sein.“
Doch nein, zu früh gefreut: Die angedeutete Reue ist wohl auch wieder nur ein Ausdruck von Eitelkeit. Denn ein paar Zeilen später beruft sich Kleber einmal mehr auf Hajo Friedrichs, doch kehrt er dessen Diktum, ein Journalist dürfe sich nicht gemein machen, auch nicht mit einer guten Sache, in spektakulärer Weise um: Er müsse ins Gegenteil verkehrt werden, schreibt Kleber, „wenn Personen oder Gruppen Grundwerte von Freiheit und Menschenwürde angreifen oder auch nur zur Disposition stellen. Dann ist nicht raushalten gefordert, sondern Haltung und Engagement.“ Wer diese Gruppen sind, das entscheidet im Zweifelsfall – Claus Kleber.
Trotz allem scheint mir Kleber kein wirklicher Überzeugungstäter zu sein, wie etwa seine „Kollegen“ von der „heute-show“. Er schien mir immer mehr ein eigentlich freundlicher, jedoch recht unbedarfter und von seiner angemaßten Bedeutung regelmäßig übermannter Ritter von der traurigen Gestalt mit der ebenso traurigen und unbedarft wirkenden Gundula Gause als weiblichem Sancho Pansa. Welche Entgleisungen sich Kleber im Verlaufe der Coronakrise geleistet hat, die ganz wesentlich eine Krise der Medien ist, kann ich nicht beurteilen, weil ich seit etwa zwei Jahren reflexartig abschalte, wenn sein Gesicht oder die seiner Kollegen auf der Mattscheibe erscheinen: Und jetzt das „heute journal“ mit Gundula Gause und Claus … Klick.