Donald Trump kommt daher wie ein Schiffschaukelbremser, ein maulheldiger Kirmes-Prolet mit Goldkette auf der gebräunten Brust. Offensichtlich unseriös. Seine vulgären Eskapaden sind Legende, seine herablassende Selbstgefälligkeit ist lächerlich, seine demonstrativer Potenz unverschämt. Dass ausgerechnet so ein Ego-Clown den amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf dominiert, ist ein Alarmsignal – nicht nur für die USA.
Denn das Phänomen Trump ist kein amerikanisches. In allen westlichen Ländern zeigen sich Risse in der politischen Kultur, mobilisieren Rechtspopulisten die Massen und reißen autoritäre Selbstdarsteller Deutungsmacht an sich. Es handelt sich um einen westlichen Megatrend, Rechtsruck ist angesagt, und zusehends geraten die klassischen Architekturen der Republiken ins Wanken. Von Marine Le Pen in Frankreich bis zu Viktor Orban in Ungarn, von der Schweiz bis Polen, von wahren Finnen bis zur AfD. Ein Land nach dem anderen in Europa kippt nach rechts. Wir befinden uns in einem politischen Retro-Reflex historischer Dimension.
Ursache greift tiefer als der Geldbeutel
In den meisten Ländern, vor allem in Deutschland, übt man sich gespreizt in politischer Empörungsgymnastik, als sei Rechtspopulismus so etwas wie die Arthrose der Freiheit. Doch die Dehnungsübungen der politischen Korrektheit nutzen wenig, in Wahrheit verstärken sie sogar den Rechtsruck in der Gesellschaft. Es ist vielmehr hohe Zeit, sich ehrlich zu machen in der Ursachenanalyse. Es gibt offensichtlich eine Schieflage in unseren Staaten, denn sonst würden nicht so viele Millionen Menschen ihren Ärger in rechten Protestwahlen Luft machen. Soziologen und linke Politiker mutmaßen, es handele sich beim Rechtsruck um einen Hilferuf sozial Bedrohter am unteren Rand der Gesellschaft. In Wahrheit aber kommt die Massenbewegung eher aus der Mitte der Gesellschaft, und die Wirtschaftslage der Rechtsrücker ist sogar relativ gut. Die westlichen Gesellschaft befinden sich in keiner Rezession oder ernsthaften ökonomischen Krise, die sozialen Spannungen sind vergleichsweise gering. Nein, die Ursache greift tiefer als nur in die Geldbeutel.
Sie greift mitten hinein ins Eingemachte, in die Identität der Menschen. Denn hört man den Empörten einmal einfach zu, dann bekommt klare Aussagen zu hören. Zum Beispiel die Ansicht, dass man unsere europäische-westliche Kultur einem aggressiven Islamismus nicht einfach ausliefern wolle. Viele der Protestwähler fühlen sich in dieser Frage schlichtweg nicht ausreichend beschützt von den derzeitigen Regierungen. Sie sehen, wie immer größere Teile der islamischen Welt mit Kriegen, Terror und ideologischem Furor der westlichen Welt einen Jahrhundert-Kampf angesagt haben. Sie sehen, wie die Ränder der islamischen Welt blutig werden. Sie sehen, wie sich in den europäischen Städten muslimische Subkulturen breit machen, immer mehr verschleierte Frauen auftauchen, immer mehr Moscheen gebaut werden, wie der Alltag konfliktbeladener wird und sich Europa polarisiert. Sie leiden mit den Toten der zahllosen Bombenattentate – und sie bekommen Angst. Wie kann man glauben, dass so etwas wie die Terrorattacken von Paris spurlos am politischen Bewusstsein der europäischen Bevölkerungen vorüber geht?
Nehmt die Angst vor dem Islamismus endlich ernst
Es ist darum ein fataler Trugschluss der Bundesregierung, die Massenzuwanderung von hunderttausenden junger muslimische Männer nicht in diesem Kontext zu bewerten. Denn die Mehrheit der Bevölkerung tut genau das. Sie sieht eine Völkerwanderung in Gang gesetzt mit gewaltigen Folgeproblemen, mit aggressiven Zügen und Bedrohungselementen. Es herrscht in den Tiefen des bürgerlichen Milieus, in der breiten Mitte der europäischen Gesellschaften damit die Sorge der Ent-Hausung. Wenn jeden Monat 100.000 Muslime wild und illegal nach Deutschland herein strömen, also jeden Monat gewissermaßen eine neue Großstadt entsteht, dann wird aus Deutschland binnen kurzer Zeit ein völlig anderes Land, eine andere Kultur.
Doch die Deutschen haben nie darüber abgestimmt, ob sie das überhaupt wollen. Nicht einmal der Bundestag hat darüber abgestimmt. Denn die Wahrheit ist: die Mehrheit will das ganz und gar nicht. Nach einer Umfrage von Infratest-Dimap erklären 78 Prozent der Deutschen, dass ihnen der Einfluss des Islam in Deutschland zu stark wird. 76 Prozent fürchten sich vor einer Zunahme von Straftaten, 75 Prozent dass die Terrorgefahr in Deutschland steigt. Die Zahlen der Demoskopen sind so dramatisch eindeutig – die Deutschen wollen in ihrer großen Mehrheit diese Massenzuwanderung nicht nur nicht, sie haben blanke Angst davor.
Umso erstaunlicher ist die verniedlichende Reaktion der beiden Volksparteien auf diesen Angstschub im deutschen Bürgertum. Ihr Absturz in den Umfragen (und demnächst wohl auch bei Wahlen) ist selten so eindeutig auf eine Taubheit vor den massiven Sorgen der Bevölkerung zurück zu führen. Die Angst vor dem Islamismus ist wie der Elefant im Wohnzimmer der Nation, CDU und SPD tun aber so als könne man über den hinwegsehen. Indem sie auf alte Mechaniken der politischen Korrektheit setzen, Multikulturalismus predigen und diese Ängste tabuisieren, verschlimmern sie das Misstrauen in ihre Regierungen. Die „Wir-schaffen-das“-und „Der-Islam-gehört-zu-Deutschland“-Rhetorik legt sich damit wie ein Nebel des Misstrauens über Land. Diese Entwicklung ist fatal, denn sie erfasst – vor allem nach den Silvesterereignissen von Köln – zusehends die Staatsinstitutionen insgesamt, das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit und die Glaubwürdigkeit öffentlich-rechtlicher Medien. Jeder Polizeibericht, der die Herkunft der Täter verschweigt, ist inzwischen ein Fanal für Verschwörungstheoretiker.
Ein Nebel des Misstrauens
Es ist also fahrlässig, dass SPD und CDU die massenhafte Ängste einfach anderen politischen Kräften überlassen. Gerade die Sozialdemokraten, die den tapferen Schutz der kleinen Leute doch eigentlich als Markenkern pflegen, stellen dem beklemmenden Gefühl von Ent-Hausung nichts entgegen. Sie werden damit bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt auf das Niveau der AfD niedersinken.
Einer der wenigen, der in der SPD das Ohr ganz nah am Volk zu haben scheint, ist Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz. Er sagt, dass man besser Grenzen schützt als hinterher auf Abschiebungen zu hoffen: "Mehr Rückführungen lösen das Problem nicht, die Zahlen sind zu gering.“ Und ergänzt, was Gabriel und Steinmeier sich nie trauen würden: "Da muss man auch mal einen Zaun bauen dürfen!“ Scholz scheut die Wahrheit nicht, und so verbreitet er ehrliche Zahlen, vor denen andere fürchten, sie können die Stimmung noch weiter anheizen: In diesem Jahr würden etwa 1,5 bis 1,6 Millionen Flüchtlinge nach Deutschland kommen – das wären so viele wie in den drei Vorjahren zusammen.
Der Sozialdemokrat Olaf Scholz ist damit wie der Christsoziale Horst Seehofer buchstäblich zum Wahrsager geworden. Beide werden die akute Krise der Volksparteien bei den ansehenden Landtagswahlen nicht aufhalten können. Aber sie weisen doch mittelfristig einen Weg hinaus aus der fatalen Volksparteien-Ignoranz vor den Sorgen der Massen – den der Wahrheit. Wenn man den nicht beschreitet, dann überlässt man den Donald Trumps dieser Welt unsere Demokratien. Das kann man nicht ernsthaft wollen.
Dieser Artikel erschien zuerst auf handelsblatt.com und im Debattenmagazin The European