Necla Kelek (3): Konkrete Maßnahmen, um Frauenrechte durchzusetzen

Wenn wir es mit dem Schutz der Schwachen in unserer Gesellschaft ernst meinen, müssen wir dafür sorgen, dass ihre Rechte überall durchgesetzt werden. Auch in der muslimischen Community.

Der Gesetzgeber hat hier einige Möglichkeiten:

{Es} besteht in muslimischen Gemeinschaften ein Zwang zur Ehe. Oft wird eine solche Ehe von den Familien gegen den Willen der Beteiligten durchgesetzt. Betroffen davon sind in Deutschland vor allem viele junge Frauen unter 21 Jahren mit muslimischem Migrationshintergrund. Nach § 237 StGB ist Zwangsheirat verboten. Dennoch wird dieses Gesetz in der Praxis immer wieder unterlaufen, vor allem durch sogenannte Imam-Ehen. Sie werden außerhalb der bürgerlichen Rechtsnormen vollzogen, sind formlos zu arrangieren und beruhen allein auf einer Verabredung, bei der eine Koransure gesprochen wird. Nach Schätzungen werden 10 bis 20 Prozent aller muslimischen Ehen in Deutschland als Imam-Ehen geschlossen. Diese rein religiösen Eheschließungen haben fatale Folgen für Mädchen und Frauen. Sie haben keinen Anspruch auf Unterhalt, es gibt keine Schutzvorschriften für die finanziell Schwächeren beim Scheitern der Ehe. Hinzu kommt, dass sich eine rein religiöse Zwangsverheiratung strafrechtlich nicht verfolgen lässt.

Imam-Ehen ohne vorherige standesamtliche Registrierung sind daher für nichtig zu erklären. Beide ehewilligen Partner müssen für eine rechtmäßige Ehe volljährig, also mindestens 18 Jahre alt sein und die Ehe auf dem Standesamt beurkunden lassen. Im Ausland geschlossene Ehen dürfen nur dann anerkannt werden, wenn die Ehepartner zum Zeitpunkt der Eheschließung volljährig waren.

Import des Scharia-Familienrechts

Seit dem 22. Juli 2017 ist in der Bundesrepublik ein Verbot von Kinderehen in Kraft. Für Heiraten in Deutschland gilt das Mindestalter von 18 Jahren; im Ausland geschlossene Ehen, bei denen ein Partner bei der Eheschließung unter 16 Jahre alt war, sollen automatisch unwirksam sein. Das BGH prüft derzeit, ob das Verbot verfassungskonform ist oder wieder aufgehoben werden muss.

In Schulen, Behörden und der Öffentlichkeit muss Einigkeit darüber bestehen, dass jede und jeder selbst entscheiden kann, ob, wann und wen er heiraten will. Die Betroffenen müssen gegebenenfalls geschützt und betreut werden. Es muss mehr Schutzeinrichtungen und Wohngemeinschaften geben, Lehrer, Sozialarbeiter und Polizisten müssen für solche Fälle sensibilisiert werden.

Mehr Kontrolle und eine stärkere Wahrung von Frauenrechten müssen einhergehen mit der Ermächtigung von Frauen, in eigener Sache tätig zu werden. Generell sollte es für alle Formen des Aufenthalts in Deutschland obligatorisch sein, dass eine Frau – ob sie als Einwanderin, Geflüchtete oder „Importbraut“ im Rahmen des Familiennachzugs hierhergekommen ist – ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erhält. Bislang ist es an das des Mannes gekoppelt. Sie sollte über ein eigenes Konto verfügen können, auf das gegebenenfalls Sozialleistungen wie das hälftige Kindergeld überwiesen werden, und das Recht haben, in Mietverträgen als gleichberechtigt verzeichnet zu sein. Solange sie keinen eigenen Aufenthaltstitel hat, ist dies nicht gewährleistet. Ohne einen eigenen Aufenthaltstitel kann sie auch nicht über den eigenen Wohnort bestimmen, und sie verliert ihren Aufenthaltsstatus, wenn sie sich scheiden lässt. Faktisch importiert diese Regelung die Sitten des Scharia-Familienrechts, nach denen der Mann über Frau und Kinder bestimmt.

Lesen Sie morgen: Tabuthema Verwandtenehe: „Schlechtes Blut“.

Teil 1 finden Sie hier.

Teil 2 finden Sie hier.

Teil 4 finden Sie hier.

Dies ist ein Auszug aus Necla Keleks neuestem Buch „Die unheilige Familie. Wie die islamische Tradition Frauen und Kinder entrechtet“, 2019, München: Droemer, hier bestellbar.
 

Necla Kelek, Soziologin, wurde 1957 in Istanbul geboren. Als Autorin verschiedener Bücher prägte sie die deutsche Debatte um Integration, vor allem als Kritikerin des autoritären Frauenbilds im traditionellen Islam. Sie ist Teil des Vorstands der Frauenrechtsorganisation „Terre des Femmes“.

Foto: Medienmagazin pro Flickr CC BY 2.0 via Wikimedia Commons

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Karl Eduard / 12.03.2020

Sehr geehrte Frau Kelek, ihr Eifer in allen Ehren aber der Gesetzgeber wird gar nichts ... tun. Im Gegenteil. Er drückt ja seit Jahren schon die Augen zu. Und das um so fester, wie der Anteil der Muslime an der Gesamtbevölkerung steigt. Als Herr Schäuble damit anfing, daß die Moscheen aus den Hinterhöfen heraus müssen, war der Weg klar. Und mit jeder neu gebauten Großmoschee wird Ihr Kampf, Frau Kelek, aussichtsloser. Um nicht zu sagen, daß er bereits verloren ist. Hat nicht die Bundekanzlerin höchst selbst erklärt, daß der Islam zur deutschen Geschichte gehört? Gemeint hat sie nicht die Abwehrschlachten vor Wien, das können Sie glauben. Und das “bisschen” Morden wegen “Ehre”, ich bitte Sie, immerhin sterben mehr Menschen bei Arbeiten im Haushalt oder bei einem Verkehrsunfall ... . Da kann das ja nicht so schlimm sein. Außerdem hat sie ja noch gesagt, daß Integration keine Einbahnstrasse ist und ehrenwerte Kommentatoren meinten das auch. Man sollte nur nicht mit dem Verhauen der Eheliebsten beginnen, sondern erst einmal schauen, ob ihr ein modisches Kopftuch und ein knöchellanger Rock steht. Ein Schritt nach dem anderen.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Necla Kelek, Gastautor / 13.03.2020 / 10:00 / 29

Necla Kelek (4): Tabuthema Verwandtenehe: „Schlechtes Blut“

In Pakistan werden 70 Prozent aller Ehen zwischen Cousins und Cousinen ersten Grades geschlossen, in Algerien sind 34 Prozent blutsverwandt, in Ägypten 33 Prozent, im…/ mehr

Necla Kelek, Gastautor / 11.03.2020 / 12:00 / 36

Necla Kelek (2): Frauenunterdrückung per Gesetz

Kein Herrschaftssystem, sei es eine Diktatur oder eine Demokratie, kann auf Dauer im Zustand der Willkür existieren. Und wenn eine Gesellschaftsordnung wie die islamische Umma…/ mehr

Necla Kelek, Gastautor / 10.03.2020 / 06:15 / 69

Necla Kelek (1): Nützt der Familiennachzug der Integration?

Sahin aus Homs, heute 26, wurde vor sieben Jahren in Syrien mit der 13-jährigen Tochter seiner Tante verheiratet. Vor vier Jahren floh die Familie –…/ mehr

Necla Kelek, Gastautor / 06.08.2019 / 17:00 / 36

Die Könige des Beckenrands

Den folgenden Beitrag postete die Autorin jüngst auf ihrer Facebookseite als Reaktion auf den Wirbel um die Freibad-Randale. Es handelt sich dabei um einen Auszug…/ mehr

Necla Kelek, Gastautor / 26.11.2017 / 14:44 / 15

Die Kehrseite des Familien-Nachzugs

Von Necla Kelek. Der Text von Necla Kelek  ist wegen eines Copyright-Problems nicht mehr auf der Achse des Guten publiziert. Sie können ihn aber hier…/ mehr

Necla Kelek, Gastautor / 16.06.2017 / 13:56 / 16

Die Ramadan-Demo ist verlogen!

Von Necla Kelek. Nachdem „Rock am Ring“, Deutschlands größtes Musikfestival in der Eifel, kurzzeitig wegen einer Terrorwarnung geräumt werden musste, erklärte Veranstalter Marek Lieberberg empört:…/ mehr

Necla Kelek, Gastautor / 21.12.2016 / 06:10 / 5

Das ist keine Teilhabe, das ist Landnahme

Von Necla Kelek. Ich bin in der Türkei geboren, als junges Mädchen nach Deutschland gekommen und lebe seit 50 Jahren in diesem Land. Ob ich…/ mehr

Necla Kelek, Gastautor / 16.03.2010 / 16:30 / 0

Der organisierte Islam

Von Necla Kelek Den Islamverbänden geht es um Einfluss, nicht um Integration. Ein konkretes Beispiel dieser Politik ist die als „Wunder von Marxloh“ weltweit gepriesene…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com