Wenn wir es mit dem Schutz der Schwachen in unserer Gesellschaft ernst meinen, müssen wir dafür sorgen, dass ihre Rechte überall durchgesetzt werden. Auch in der muslimischen Community.
Der Gesetzgeber hat hier einige Möglichkeiten:
{Es} besteht in muslimischen Gemeinschaften ein Zwang zur Ehe. Oft wird eine solche Ehe von den Familien gegen den Willen der Beteiligten durchgesetzt. Betroffen davon sind in Deutschland vor allem viele junge Frauen unter 21 Jahren mit muslimischem Migrationshintergrund. Nach § 237 StGB ist Zwangsheirat verboten. Dennoch wird dieses Gesetz in der Praxis immer wieder unterlaufen, vor allem durch sogenannte Imam-Ehen. Sie werden außerhalb der bürgerlichen Rechtsnormen vollzogen, sind formlos zu arrangieren und beruhen allein auf einer Verabredung, bei der eine Koransure gesprochen wird. Nach Schätzungen werden 10 bis 20 Prozent aller muslimischen Ehen in Deutschland als Imam-Ehen geschlossen. Diese rein religiösen Eheschließungen haben fatale Folgen für Mädchen und Frauen. Sie haben keinen Anspruch auf Unterhalt, es gibt keine Schutzvorschriften für die finanziell Schwächeren beim Scheitern der Ehe. Hinzu kommt, dass sich eine rein religiöse Zwangsverheiratung strafrechtlich nicht verfolgen lässt.
Imam-Ehen ohne vorherige standesamtliche Registrierung sind daher für nichtig zu erklären. Beide ehewilligen Partner müssen für eine rechtmäßige Ehe volljährig, also mindestens 18 Jahre alt sein und die Ehe auf dem Standesamt beurkunden lassen. Im Ausland geschlossene Ehen dürfen nur dann anerkannt werden, wenn die Ehepartner zum Zeitpunkt der Eheschließung volljährig waren.
Import des Scharia-Familienrechts
Seit dem 22. Juli 2017 ist in der Bundesrepublik ein Verbot von Kinderehen in Kraft. Für Heiraten in Deutschland gilt das Mindestalter von 18 Jahren; im Ausland geschlossene Ehen, bei denen ein Partner bei der Eheschließung unter 16 Jahre alt war, sollen automatisch unwirksam sein. Das BGH prüft derzeit, ob das Verbot verfassungskonform ist oder wieder aufgehoben werden muss.
In Schulen, Behörden und der Öffentlichkeit muss Einigkeit darüber bestehen, dass jede und jeder selbst entscheiden kann, ob, wann und wen er heiraten will. Die Betroffenen müssen gegebenenfalls geschützt und betreut werden. Es muss mehr Schutzeinrichtungen und Wohngemeinschaften geben, Lehrer, Sozialarbeiter und Polizisten müssen für solche Fälle sensibilisiert werden.
Mehr Kontrolle und eine stärkere Wahrung von Frauenrechten müssen einhergehen mit der Ermächtigung von Frauen, in eigener Sache tätig zu werden. Generell sollte es für alle Formen des Aufenthalts in Deutschland obligatorisch sein, dass eine Frau – ob sie als Einwanderin, Geflüchtete oder „Importbraut“ im Rahmen des Familiennachzugs hierhergekommen ist – ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erhält. Bislang ist es an das des Mannes gekoppelt. Sie sollte über ein eigenes Konto verfügen können, auf das gegebenenfalls Sozialleistungen wie das hälftige Kindergeld überwiesen werden, und das Recht haben, in Mietverträgen als gleichberechtigt verzeichnet zu sein. Solange sie keinen eigenen Aufenthaltstitel hat, ist dies nicht gewährleistet. Ohne einen eigenen Aufenthaltstitel kann sie auch nicht über den eigenen Wohnort bestimmen, und sie verliert ihren Aufenthaltsstatus, wenn sie sich scheiden lässt. Faktisch importiert diese Regelung die Sitten des Scharia-Familienrechts, nach denen der Mann über Frau und Kinder bestimmt.
Lesen Sie morgen: Tabuthema Verwandtenehe: „Schlechtes Blut“.
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Dies ist ein Auszug aus Necla Keleks neuestem Buch „Die unheilige Familie. Wie die islamische Tradition Frauen und Kinder entrechtet“, 2019, München: Droemer, hier bestellbar.
Necla Kelek, Soziologin, wurde 1957 in Istanbul geboren. Als Autorin verschiedener Bücher prägte sie die deutsche Debatte um Integration, vor allem als Kritikerin des autoritären Frauenbilds im traditionellen Islam. Sie ist Teil des Vorstands der Frauenrechtsorganisation „Terre des Femmes“.