Rainer Grell / 27.09.2016 / 13:14 / Foto: Bildarchiv Pieterman / 4 / Seite ausdrucken

Menschen, Tiere, Sensationen

Hurra, Stuttgart, mein Stuttgart, in dem ich seit 47 Jahren lebe (als Neigschmeckter), ist „Kulturhauptstadt“ der Republik, zum dritten Mal, wie das Amtsblatt der baden-württembergischen Metropole nicht ohne Stolz meldet, die Nr. 1 unter den 30 größten Städten Deutschlands. Die nächsten Plätze im „Kultur-Städteranking“ belegen München, Dresden, Berlin und Bonn.

Wir leben in einer Zeit der Rekorde. Nicht nur im Sport. Rekorde und Rankings findet man überall, auch da, wo man sie gar nicht vermutet. Kürzlich las ich: „Wal stellt Tauchrekord auf. Tintenfische sind ihre Leibspeise - um sie zu fangen, tauchen Cuvier-Schnabelwale tief und lange. Messungen haben jetzt gezeigt: Die Art verdrängt den bisherigen Tauchrekordhalter, den Südlichen See-Elefanten, vom Spitzenplatz im Tierreich.“ 2992 Meter beträgt die neue Rekordtiefe. Der längste registrierte Tauchgang dauerte 140 Minuten. Da musste der Südliche See-Elefant mit einer Tauchtiefe von 2388 Metern und einer Tauchdauer von 120 Minuten auf Platz 2 weichen.             

Das gleiche Schicksal ereilte Indien, das 2013 den Rekord im Singen der Nationalhymne durch einen Massenchor von 121.653 Menschen aufgestellt hatte: Dieser Rekord wurde jetzt von mit 254.537 Bangladeschern um mehr als das Doppelte überboten (auf dem Truppenübungsplatz in Dhaka; Anlass war der 43. Unabhängigkeitstag des Landes).

Es ist klar, dass auch der Sexualbereich von Rekorden nicht verschont bleibt: „Sexrekordversuche oder Sexrekorde gibt es einige, wie zum Beispiel der Rekordversuch ‚Die meisten Blowjobs in unter 24 Stunden‘ oder der Rekord von Pornodarstellerin Lisa Sparxxx, die innerhalb von 24 Stunden mit 919 Männern geschlafen haben soll. Manchmal ergeben sich die sexuellen Weltrekorde auch ganz von allein, wie zum Beispiel bei Pornodarsteller Ron Jeremy, der mit 1.750 Filmen angeblich immer noch den Rekord hält, in den meisten Pornofilmen mitgespielt zu haben oder beim König von Tonga Tonga Fatafehi Paulah, der angeblich mit ca. 37.000 Jungfrauen schlief.

Umso mehr überrascht der Sexrekordversuch der Polin Ania Lisewska (21) mit 100.000 Männern schlafen zu wollen. 100.000-mal Sex mit Fremden, das ist schon eine Ansage! Am 24. Mai 2013 schrieb sie auf ihrer Facebook-Seite über den Start des Rekordversuches in Warschau und hat seitdem schon über 53.000 “Gefällt mir” dafür erhalten. Interesse scheint also vorhanden zu sein. Aber bis Ende August hatte Sie laut tz-online „nur“ mit 284 Männern Sex. Wenn sie bei einem Durchschnitt von 100 Männern pro Monat bleibt, dann hätte sie in etwas über 83 Jahren ihren Rekordversuch beendet. Ob mit über 100 das Interesse am Sex bei ihr oder mit ihr noch so groß ist? Die Teilnahmebedingungen scheinen recht einfach zu sein: Jedes Wochenende besucht Ania Lisewska eine andere Stadt in Polen. Über das Sextreffen wird man, nach vorheriger Registrierung, per Mail informiert. Für eine Organisationsgebühr von 40 Złoty (ca. 10 €) kann dann 20 Minuten Oral-, Anal- oder Vaginalsex mit ihr praktiziert werden und man hat an dem Sexrekordversuch teilgenommen.“

Spaß hatte auch Mia Magma, die den Guiness World Record in 60 Sekunden BH An- und Ausziehen errang. Der Erotikstar schaffte es neun Mal, den BH zu öffnen, die Träger bis zu den Ellenbogen zu ziehen und beim Verschließen wirklich an alle Haken und Ösen zu denken, und holte den Rekord nach Deutschland. Somit ist die bisherige Rekordhalterin Miyu Uehara (eine Japanerin, die sich mit 24 Jahren erhängte; ob aus Frust über den verlorenen Rekord ist nicht bekannt) mit acht Mal in einer Minute entthront.

Natürlich gibt es noch weitere Rekorde auf diesem Gebiet, die ich hier einfach übergehe.

Nicht minder wichtig als Sex ist Essen, und natürlich gibt es auch hier Rekorde. In dem Film „Der Unbeugsame“ (1967) wettet Paul Newmann (damals 42 Jahre alt), dass er in einer Stunde 50 gekochte Eier verschlingt und schafft es tatsächlich, wobei allerdings offen bleibt, ob es sich dabei um einen Rekord handelt und ob er die Eier tatsächlich alle gegessen hat. Dagegen war der Riesenstollen zum 20. Stollenfest (2013) in Dresden auf jeden Fall ein Rekord: Er wog mehr als 4,2 Tonnen, war ca. vier Meter lang, ca. zwei Meter breit und ca. einen Meter hoch.

Dustin Philips aus den USA hält den Rekord im Ketchup-Trinken. Er trank am 23. September 1999 eine 414,03 ml Ketchupflasche durch einen Strohhalm in 33 Sekunden (). Das ideale Getränk für Rekordversuche ist allerdings nicht Ketchup, sondern natürlich Bier. Dabei verblüfft es nur im ersten Moment, dass es keine (offiziellen) Rekordversuche im Bier-Mengen-Trinken gibt; denn das könnte schnell im Krankenhaus oder gar auf dem Friedhof enden. Wohl aber hat jemand auf dem Oktoberfest eine Maß in sechs Sekunden geleert . Er hätte ruhig noch eine zweite trinken können, jedenfalls solange Günther Beckstein Ministerpräsident in Bayern war.

Achim Gratias aus Hürtgenwald (Kreis Düren, bekannt durch die Schlacht im Hürtgenwald im Oktober 1944, die zu den schwersten Kämpfen des Zweiten Weltkriegs gehört; zu den Teilnehmern gehörten auch die Schriftsteller Ernest Hemingway und Jerome D. Salinger) in Nordrhein-Westfalen hat im Juni 2006 1.437 Gläser Bier in einer Stunde gezapft . Das sind durchschnittlich rund 24 Gläser Bier pro Minute. Da sage mir noch einer, dass ein „gepflegtes Pils“ 7 Minuten braucht. Mit 4 Brauereien auf 1500 Einwohner erreicht übrigens die bayerische Gemeinde Aufseß die weltweit größte Brauereiendichte pro Einwohner. Den höchsten Bierkonsum in Europa haben allerdings nicht die Bayern, sondern die Tschechen, die 2014 144 l Bier pro Person verbrauchten. Das war fast doppelt so viel wie im gleichen Jahr in den USA pro Kopf verbraucht wurden.

Dafür hat Bayern aber mit dem Augustiner Biergarten in München, der 1901 eröffnet wurde und Platz für 5200 Gäste hat, den größten Biergarten der Welt. Und das größte Bierlokal der Welt, das Mathäser, befindet sich ebenfalls in München (Bayerstraße 3-5). Täglich werden dort 48.000 Liter ausgeschenkt. Das Lokal wurde 1829 gegründet und hat heute Platz für 5500 Gäste. Das Land mit der höchsten Biererzeugung ist allerdings weder Tschechien noch Bayern, sondern China. 2008 wurden in China rund 410.301.000 Hektoliter Bier gebraut. Auf Platz zwei folgten die USA mit rund 231.772.000 hl Bier und auf Platz drei Russland mit 114.000.000 hl; Deutschland belegt Platz 5 im internationalen Bier-Ranking.

Anita Schwarz „Weltmeisterin im Masskrugtragen“  schreibt über ihren Rekord: „Auf der Wiesn 2008 habe ich ... unter den Augen der Millionen Zuschauer im Zelt und im Bayrischen Fernsehn den Weltrekord über 20 Biermasskrüge und auch über 21 Biermasskrüge aufgestellt.“  Das heißt, sie trug die bis zum Eichstrich gefüllten Krüge, von denen jeder 2.33 kg. wiegt, über eine Strecke von 40 Metern, ohne etwas zu verschütten.

In Mexiko-Stadt haben Taco-Liebhaber einen Weltrekord aufgestellt. Sie verspeisten ein 50 Meter großes Exemplar der traditionellen gefüllten Maisfladen, wie die Veranstalter mitteilten. „Wir wollen, dass die Menschen mehr Tacos und weniger Hamburger essen“, sagte ein Vertreter der örtlichen Verwaltung.

Apropos Hamburger: Der Weltrekord im Hamburger-Essen liegt bei 103 in acht Minuten der Rekordinhaber heißt übrigens Chestnut = Esskastanie. Ort des Geschehens war Chattanooga im US-Bundesstaat Tennessee, das mir bis dahin nur durch den Chattanooga choo choo von Glenn Miller bekannt war.

Wer keinen Rekord aufgestellt hat, kann hier nicht mitreden. Doch ist das beileibe kein Grund, den Kopf hängen zu lassen und beschämt beiseite zu treten. Nichts ist so vielfältig wie das Spektrum der Rekorde. Keine Tätigkeit so abwegig, dass sie nicht für einen Rekordversuch in Betracht käme. Es gibt also Hoffnung. Aber bevor sie anfangen, sich die Fingernägel wachsen zu lassen oder Fußballjonglieren zu üben, schauen Sie erst mal ins Guinness-Buch der Rekorde, was es da so alles gibt. Sie werden staunen.

Nicht als offizieller Rekord anerkannt, aber gleichwohl bemerkenswert ist die Schweigeleistung von neunzehn britischen MPs, „die dem reibungslosen Ablauf der Regierungsgeschäfte während des parlamentarischen Jahres 1988/89 mit keiner Rede in die Quere gekommen waren. Das Unterhaus trat an 175 Tagen zusammen, es tagte 1581 Stunden und 41 Minuten. So lange verkniffen es sich diese unbesungenen Helden der Demokratie, den Mund aufzumachen. Kein öffentliches Wort kam über ihre Lippen“.

Und eine weitere gute Ranking-Nachricht lautet: Nach dem PISA-Schock von 2001 bescheinigt die neuste PISA-Studie der OECD Deutschland gerade in Mathe „einen Sprung ins obere Mittelfeld“ in die „upper middle class“ sozusagen. Da gerät die gleichzeitige Meldung in den Hintergrund, wonach zwei Drittel der Studenten nach dem Urteil eines Professors aus Bayreuth rein gar nichts an der Uni verloren hätten. Sie hätten Probleme mit Rechtschreibung und einfachster Mathematik.

„Der Horizont“, soll Albert Einstein gesagt haben, „ist für die meisten Leute ein Kreis mit Radius Null. Das nennen sie dann ihren Standpunkt.“

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Leserpost

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Hans-Peter Hammer / 28.09.2016

Das ein gepflegtes Pils 7 Minuten benötige ist schon seit einigen Jahren (Jahrzehnten?) nicht mehr gültig! Zumindest sagte man mir das als ich so 1983 mal gastronomisch nebenbeschäftigt war! Heute heißt es: 2 Schlag, also zweimal zapfen!

JF Lupus / 28.09.2016

Ich bin erst seit gut einem Jahr im Ländle, aber heißt es nicht korrekt “Reigschmeckter”?

Frank Holdergrün / 28.09.2016

Der „Todesstern des Südens“ (FC Bayern) hat eine besonders schöne Rangliste/Rekorde für seine Mitglieder parat. Die Nr. 1 als Mitgliedsnummer erhält jener Bayernfan, der am längsten zahlendes Mitglied ist. Jeder kann sich vorstellten, was geschieht, wenn man in die Top Ten einrückt und der Lösch-Wettlauf um die vorderen Plätze einsetzt. Dieser kluge Schachzug wettbewerbsorientierter Fußballmanager verdichtet menschlichen Wettbewerb weiter und radikaler als andere Rekordlisten: ein echter FCB-Fan lebt hochgradig gesund und strebt Längstlebigkeit an.

Fischer, München / 27.09.2016

Der größte Biergarten Münchens und Bayerns (und damit der Welt) ist der Hirschgarten mit 8000 Sitzplätzen. Da kann der Augustiner nicht hinschmecken.

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