„Meine Kindheit ist schuld“

Unsere Kindheit ist „schuld“ daran, wie wir sind – oder?

Ergänzen Sie doch bitte diesen Satz: „Meine Kindheit ist dran schuld, dass ich bin, wie ich bin, weil ...“

Letztens fragte ich meine lieben Twitter-Follower genau dies, und einige der Antworten lassen mich schmunzeln!

Anjy Lobelia Römelt ergänzt etwa so: [Meine Kindheit ist dran schuld, dass ich bin, wie ich bin, weil] „… meine Eltern 68er waren.“

Ich weiß nicht, ob es positiv oder problematisch gemeint ist. Womöglich beides. Ich selbst verbinde ja mit dem Mythos „68er“ zwei augenscheinlich widersprüchliche Eigenschaften. Da wäre etwa das Hinterfragen verknöcherter Strukturen und eine neue Hinwendung zur Emotion – zumindest theoretisch. Praktisch ging die Hinwendung zur Emotion allerdings mit maximalem Populismus und übersteigerter Lust an der Macht einher – bei vollständiger Abwesenheit von Gewissensbissen bezüglich der realen Folgen derart „emotionaler“ Politik.

„Das Private ist politisch“, sagten die 68er. Doch realiter ist das Privatleben oft genug Chaos, und die Politik dann eben auch.

Nun, ich hoffe, dass Frau Römelt meint, dass sie sich noch immer wie ein Hippie-Blumenkind fühlt. Etwas mehr „Blumen im Herzen“, ganz im Hippie-Stil, wäre gerade in diesen Zeiten zu wünschen.

Keine Social Media, aber Grenzen

Froggie“ führt den Satz so aus: [Meine Kindheit ist dran schuld, dass ich bin, wie ich bin, weil] „… ich nicht durch den Fernseher, Social Media oder völlig indoktrinierende Lehrer/Professoren erzogen wurde, sondern durch liebevolle Eltern, die mir Grenzen gesetzt, aber immer meinen eigenen Kopf und meine eigenen Gedanken gelassen haben.“

Ich freue mich, dass viele Antworten auf meine Ergänzungs-Frage positiv ausfielen. Viele von Ihnen scheinen mehr als zufrieden damit zu sein, wer und was sie sind, und Sie sind oft dankbar für gewisse Grenzen und vermeintliche Entsagungen. Es ist längst wissenschaftlich belegt, dass Soziale Medien ins Gehirn eingreifen (siehe etwa Neurogrow und viele andere).

Wir ahnen heute leider, wie einige Vertreter künftiger Generationen „drauf sein werden“, wenn wir Politiker wie die jüngste Bundestagsabgeordnete Emilia Fester und ihre Äußerungen anschauen. Man plappert die üblichen links-autoritären Propaganda-Stanzen des Tages nach, und gleichzeitig macht man sich in lustig-dekadenten Tanz-Einlagen über Demokratie lustig, vulgär seinen elitären Status feiernd; Song-Text: „Handshakes in the Hamptons, getting drunk in the mansions“). Es ist kaum anders zu erklären, als dass das Aufwachsen mit Social Media einige Gehirne oder zumindest die Denkweise grundlegend verändert. Einen „eigenen Kopf“ und „eigene Gedanken“ sehe ich in solchen Fällen wenig.

Ellenbogen und Knie

Quentin Quencher ergänzt so: [Meine Kindheit ist dran schuld, dass ich bin, wie ich bin, weil] „… es fast keine Tage gab, an dem ich nicht ein Pflaster wegen irgendwelcher Verletzungen trug (Ellenbogen und Knie, vor allem). Und meine Mutter keine große Sache daraus machte.“

Wenn meine Kinder heute so viele Spiel-Wunden und Verletzungen hätten, wie es für uns früher ganz normal war, würde ich von den Nachbarn schräg angeguckt und von den Lehrern zum klärenden Gespräch vorgeladen werden. Ich erfreute mich alle paar Monate an einer verstauchten Hand, ebenso aufgekratzte Knie wie Quentin Quencher. Diverse Narben vom Spielen, teils im Gesicht.

Ich sehe mich nicht als „Helikopter-Vater“, doch, ja, es liegt ein gewisser Widerspruch darin: Ich bin überzeugt, dass die „Spielschäden“ meiner eigenen Kindheit mich stärker gemacht haben – und doch würde ich nicht zulassen, dass meine Kinder durch vergleichbare Verletzungen „stärker“ werden. Die Welt ist auch so riskant genug.

Wissen, Empathie, die Liebe zur Natur

Und schließlich ergänzt SeeSharper den Satz so: [Meine Kindheit ist dran schuld, dass ich bin, wie ich bin, weil] „... meine Oma mir alles Erdenkliche beigebracht hat. Wissen, Empathie und die Liebe zur Natur und zu Tieren“.

Nicht nur wurden SeeSharper wichtige Fähigkeiten beigebracht. „Wissen, Empathie und die Liebe zur Natur und zu Tieren“ sind heute selten, und besonders jene, welche sich am lautesten darauf berufen, sind in diesen Dingen besonders kaltherzig.

SeeSharper ist auch noch dankbar, und das ist besonders schön. Dankbarkeit ist eine wichtige und unterschätzte Fähigkeit, ohne die niemand glücklich wird – die allein aber schon genügen kann, um sich glücklich nennen zu dürfen!

„Ich bin mit mir zufrieden, so wie ich bin.“

Unterm Original-Tweet finden Sie noch eine Zahl weiterer Antworten. Ich zittere ein wenig vorm Urteil, dass künftige Generationen im Nachhinein über uns wirklich fällen werden, über die Kindheit, die ihnen heute geboten wird. Es stimmt mich zugleich froh, wie viele von uns dankbar sind, dass sie so wurden, wie sie sind, und nicht anders.

„Meine Kindheit ist dran schuld, dass ich bin, wie ich bin, weil ...“, so provozierte ich. – Ich weiß nicht genau, was für Antworten ich erwartete, doch Sie überraschten mich mit Ihren positiven, offen dankbaren Meldungen!

Ich habe noch viel an mir zu arbeiten, Kindheit hin oder her. Doch unser aller Ziel sollte bleiben, dass wir irgendwann wie Jens Streubel sagen können: „Ich bin mit mir zufrieden, so wie ich bin.“

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Dushan Wegner.

Foto: Giulio del Torre Dorotheum via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Yehudit de Toledo Gruber / 06.06.2022

Die heute massiv “geschädigten” Kinder geben mir Rätsel auf. Glaubt man den Nachrichten, ist eine Mehrzahl der deutschen Schulkinder depressiv, demotiviert und benötigt psychologische Unterstützung. Noch hilfloser und überforderter scheinen die dazu gehörigen Eltern.  Daher müssen die Lehrer und der Staat immer mehr Probleme schultern. Vergleiche ich die heutigen Zeiten mit unseren durchlebten Kriegs- und Nachkriegsjahren, (ohne Waschmaschine, Auto und Ferienreisen) kann ich die heutigen “Wehwehchen” nicht mehr nachvollziehen. Lernen, sich anstrengen und sich zu disziplinieren, scheinen unzumutbare Anforderungen geworden zu sein. Ich, und meine gleichaltrigen Freunde, wir befürchten Schlimmstes, wenn diese heutigen Kinder- und Jugendlichen erst mal erwachsen geworden sind und Verantwortung übernehmen müssen. Wir Älteren, sogar ziemlich Älteren, werden wieder gebraucht. Wir sind halt noch nicht Handy-geschädigt, und haben Biss, beherrschen unsere deutsche Sprache, und wissen, daß 2x2 eben 4 ist - und zwar in jeder Lebenslage. Wir Älteren wuchsen zu einem großen Teil mit Geschwistern, nur einem Elternteil oder gar im Kinderheim auf, weil der Vater im Krieg geblieben ist.  Unsere Mütter - und wo vorhanden auch die Väter - leisteten damals stilles Heldentum und waren uns mit ihrem Fleiß und der “harten Kante” spätestens wenn wir selber Kinder hatten, ein Vorbild. Meine Kindheit hat mich vieles gelehrt und stark gemacht. Ich bin zufrieden mit mir .

Magdalena Hofmeister / 06.06.2022

@Johanns Schuster: Ich bin immer vorsichtig mit den Erfahrungen aus der Kindheit u. dem Versuch, erwachsen gewordenen Menschen, ihre Defizite u. Charakterschwächen zu entschuldigen. Natürlich spielt wohl a. das (durch Gene) in die Wiege gelegte Grundtemperament eine Rolle, ob negative Erfahrungen zu Charaktereigenschaften wie Gefühllosigkeit, Narzizismus o. Egoismus, Verbitterung, Rücksichtslosigkeit, Bösartigkeit etc. führen. Ich bin schon Menschen begegnet, die eindeutig traumatische Missbrauchserfahrungen in frühester Kindheit hatten u. trotzdem die Seele von Mensch sind, sanft, empathisch, sozial, mit hohem Gerechtigkeitsgefühl, während andere großen, seelischen u. charakterlichen Schaden erlitten. In ein u. denselben Familien werden von fast gleichaltrigen Geschwistern dieselben Ereignisse trotz gleicher Prägung u. Zuwendung d. Eltern z.T. vollkommen anders wahrgenommen, entgegengesetzte Schlüsse fürs Leben gezogen. Während der eine etwas als lebenslange Kränkung empfindet, hat der andere bald verziehen, vielleicht a. weil er sich selbst nicht so wichtig nimmt; was den einen ausbremste, sah der andere als Motivation u. Herausforderung; wo sich der eine als Benachteiligter u. Opfer der Gesellschaft sieht, dem Zustehendes verwehrt wurde, sieht der andere es als eigene Aufgabe an das, was ihm nicht automatisch zufällt, selbst anzustreben u. zu erreichen. Aber ab einem gewissen Alter u. eine Zeit der Eigenständigkiet akzeptiere ich (außer wenn es sich um eine klar traumatisch geprägte Kindheit handelt) nur schwer Entschuldigungen schlechten Charakters u. von Fehltritten mit Verweis auf Kindheit u. Erziehung. Schließlich wurde uns a. die Gabe des Denkens geschenkt. Ich stimme Ihnen aber zu, dass erfahrene Liebe in früher Kindheit den besten Panzer bildet, um späteres Unglück leichter zu ertragen.

Bernhard Maxara / 06.06.2022

An alle Leser der Jahrgänge 1948 und davor: Kennt Ihr das noch? “Eine rauchen”, aber ohne Tabak: Den Mund so dicht wie möglich an ein aufflammendes Streichholz halten und einatmen! Dann stolz den Schwefeldampf ausstoßen und die Übelkeit erfolgreich unterdrücken… - Ich glaube, heutige Eltern würden erst in Ohnmacht fallen und dann die Übeltäter ins Krankenhaus fahren und auf Vergiftung testen lassen. Unsere haben gegrinst und uns einen Vogel gezeigt.

Michael Schweitzer / 06.06.2022

Herr Wegner,was haben korrupte Medien,Wissenschaftler und Politiker mit einer verkorksten Kindheit zu tun? Diese gewissenlose Kasten betreiben bewußt Indoktrination,prostituieren sich für Status und Geld und sind für jede Schandtat zu haben.

O.Puchert / 06.06.2022

“Das Private ist politisch” - und damit wäre es dann öffentlich. Ganz so wie in 1984. Ganz so wie im Dritten Reich. Bei Pol Pot. Wie in der DDR. Bei Adolf & Josip. Und? Heute ist das salonfähig?  Die 68er wollte nicht etwa die Beendigung des Faschismus-Totalitarismus. Sie wollten seine Intensivierung.

Richard Loewe / 06.06.2022

@Johannes Schuster: Dushan ist Philosoph und hat daher vermutlich eine eher negative Meinung zur Psychologie. Insbesonders Aristoteles hat eine wesentlich elegantere Sicht auf die menschliche Seele. Ich bin (leider) Mitherausgeber einer Q1-Psychologiezeitschrift und der erbärmliche Reflektionsgrad der Autoren (platter logischer Positivismus, aber ohne die Logik) wird nur noch von dem übertroffen, was sog. Gehirnforscher von sich geben. Lesen Sie Fortenbaughs Aristotle’s Practical Side und seine Gedanken zur tri und bi-partite soul. Charakter is eh wichtiger als Persönlichkeit.

giesemann gerhard / 06.06.2022

In meiner Kindheit habe ich mich viel gekloppt mit Schulkameraden, an so manche Klopperei erinnere ich mich ungern. Vor allem, wenn ich auffa Fresse gekriegt habe. Aber immer fragten wir am Ende: Sammer wieder guat? Der Unhold - oftmals ich - zahlte ein 30iger-Eis und das war’s dann auch. Zitrus, das musste sein. Eigentlich, bei Licht betrachtet, haben wir uns ständig für ein 30iger-Eis gekloppt. War auch so ‘ne Art Sport. Später mit 15, ging ich dann zu den Kamikaze-Fliegern, alle bewunderten mich, musste keinen mehr verkloppen. Schade, dass ich das überlebt habe, denn dann wäre ich zur Ikone geworden. DAS geht nun nicht mehr, porca miseria. Denn die Götter nehmen ihre Lieblinge ganz ... , ganz jung. Ach wie liebte ich damals J. J. Immerhin wurde ein Schulkamerad erhängt aufgefunden, mit Anfang 20; ein anderer hat sich ins Nirwana gekifft, in jenen Zustand des Endes allen Wünschen und Wollens. Noch ein anderer starb an einem Scheißdreck - und ICH muss immer noch vege Tieren ... . Sitzt ein Preiß am Biertisch, ein Bayer sagt. Zenzi, bittschön, a Mass. Die stellt das hin, der Bayer hebt auf, setzt an und schluckzessive ... . Der Preiß nuckelt derweil an seiner Mass. Der Bayer aber: Zenzo, no a Mass. Die bringt’s, der Bayer gerät hormonell außer Gefecht, hebt auffi, ziagt o, und wegga is’. Als die Zenzi no oans bringt, traut sich der Preiß und sagt: Also, wie Sie das schaffen, ich kann nur trinken, wenn ich wirklich Durst habe. Sagt der Bayer: Jo, jo, wias Vieh. So ist ebend alles zweckgebunden.

Richard Reit / 06.06.2022

Es sind hauptsächlich die Gene.Das zu sagen ist nicht erwünscht, dennoch trifft es zu.Restliche Faktoren spielen auch eine Rolle, letztendlich sind es dennoch nur ergänzende Faktoren.

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