Der französische Impfpass wird ab 14. März ausgesetzt, gleichzeitig fallen die Masken. Schüler, Supermarktkassiererinnen, Kellner, Lehrer, Apotheker, Kunden – alle dürfen die Maske ablegen. Jedoch: Aufgeschoben ist noch nicht aufgehoben.
Es wurde schon einige Wochen lang angekündigt, allerdings stets im „Ja, aber“-Format: die Aufhebung des Pass Vaccinal (Impfpass). Nur wenn es die Situation in den Krankenhäusern zuließe, hieß es. Ich dachte mir, es lohnt nicht die Mühe, das zu berichten, denn die Situation in den Krankenhäusern würde es nachher gewiss nicht zulassen, so flüsterte es mir mein Defätismus ein. Und dass die Situation in den Krankenhäusern dadurch verbessert werden könnte, dass man das ungeimpfte Personal wieder zur Arbeit zurückkommen lässt, steht ja für die politischen Entscheidungsträger vollkommen außer Frage.
Wenn man sich natürlich in der Zahlenlüge eingerichtet hat, dass nur etwa 1.500 Pfleger, Ärzte, etc. ungeimpft waren und diese sich dann auch zum Großteil ganz eilig für das sehr gut wirksame und ungefährliche Vakzin entschieden haben, muss man als Regierung natürlich auch nicht darüber nachdenken, das suspendierte Personal wieder an ihre Arbeitsplätze zurückzuholen.
Aber zurück zum Positiven. Es wird nun also Wirklichkeit: der Pass Vaccinal wird ab 14. März ausgesetzt, gleichzeitig fallen die Masken. Schüler, Supermarktkassiererinnen, Kellner, Lehrer, Apotheker, Kunden – alle dürfen die Maske ablegen.
Auch das Testen der Schüler, das ja erst Ende November 2021 begann, wird beendet. Es wurde ohnehin nur von solchen Eltern durchgeführt, die selbst Angst haben beziehungsweise den Regierungsvorgaben exakt folgen. In meinem Umfeld war das Verschleppen und Ignorieren vorherrschend, Lehrpersonal inklusive. Vom Lehrer beaufsichtigtes Testen in der Schule hat es in Frankreich nie gegeben. Ebensowenig wie 3G am Arbeitsplatz.
Hohe Zahl ausgeliehener, recycelter und gefälschter QR-Codes
Was wird bleiben? In Altenheimen, Krankenhäusern und im öffentlichen Verkehr muss weiterhin Maske getragen werden. Wobei dem Masketragen im öffentlichen Verkehr schon seit Langem nur so ungefähr oder auch gar nicht nachgegangen wird, jedenfalls im Süden Frankreichs. Für den Zutritt in Altenheime und Krankenhäuser ist weiterhin der Pass Sanitaire, also 3G, erforderlich. Wichtig ist das Verb: der Pass Vaccinal wird nur ausgesetzt, nicht gelöscht.
Das hier beschriebene Gesetz zum Pass Vaccinal ist bis 31. Juli 2022 befristet. So wäre seine Wiedereinsetzung beispielsweise im Herbst nur durch ein neues Gesetz oder durch eine Verlängerung des bestehenden möglich. Am 10. und 24. April 2022 sind in Frankreich Präsidentschaftswahlen, die Aussetzung des Pass Vaccinal ist meiner Einschätzung nach Teil des Wahlkampfs von Emmanuel Macron.
Die Hauptbegründung der Regierung, warum der Pass nun ausgesetzt werden kann, ist die hohe Impfrate Frankreichs. Ich frage mich wiederholt, wie die französische Regierung zu ihrer Prozentzahl von Geimpften kommt. Sie entspricht ganz und gar nicht meinen Beobachtungen. Es gibt vor allem eine enorm hohe Zahl ausgeliehener, recycelter und gefälschter QR-Codes. Und jeder erzählt auch freimütig davon, ebenso freimütig bietet man seinem Mitmenschen seinen QR-Code an, selbst wenn es altersmäßig gar nicht passt.
Warten wir die französischen Präsidentschaftswahlen ab
Die Ignoranz und Sabotage der Regelungen ist in Frankreich inzwischen sehr breit. Der Glaube daran, dass es die Maßnahmen oder die Impfung oder beides waren, die die Pandemie gebremst haben, ist auch im Umfeld der Geimpften nicht besonders stark.
Hinzu kam neulich, dass der Minister für Gesundheit und Solidaritäten das Impfzertifikat von Millionen Franzosen am 15. Februar einfach abschalten ließ. Angekündigt hat Olivier Véran das nur auf der Webseite seines Ministeriums – und zwar am Vortag. Er hatte eine Neu-Interpretation der bisher geltenden Regel „eine durchgemachte Infektion ist gleich eine Injektion“ entwickelt und das führte dazu, dass Millionen Franzosen von heute auf morgen kein „vollständiges Schema“ mehr hätten. Diese neuen Regelungen gelten weiterhin und sind sehr komplex.
Eine Infektion ist jetzt nicht immer eine Infektion, da eine Infektion, die in den ersten drei Monaten nach der zweiten Injektion stattfand, keine Infektion ist, die wie eine Injektion gilt. Zu jeder Impfdosis gibt es unterschiedliche Fristen, binnen derer eine Infektion keine Infektion ist, eine nach der Frist erfolgte Infektion dann aber schon. Kurz zusammengefasst: Kein Genesener kann ohne eine Injektion sicher sein, es muss im Rahmen einer gewissen Frist unbedingt eine „Impfung“ in den Körper, denn ohne Hilfe von außen ist der menschliche Körper defizitär, das sollten wir ja inzwischen alle gelernt haben.
Diese Ad-hoc-Abschaltung des gültigen Impfzertifikats hat sehr viel Unmut ausgelöst und fand auch in der Presse ein kritisches Echo. Man sollte nicht unterschätzen, dass zahlreiche Franzosen mit dem TGV zur Arbeit pendeln, sie hatten also von heute auf morgen keine Zusteigberechtigung mehr in den Zug. Von Restaurant- oder Kinobesuchen mal ganz zu schweigen.
Begonnen hat Emmanuel Macron seine Antwort auf SARS-CoV-2 vor zwei Jahren mit den Worten: „Wir sind im Krieg. Wir sind im Krieg gegen ein Virus.“ Ich denke nicht, dass wir von diesem Mann erwarten dürfen, dass das Aussetzen des Pass Vaccinal der Beginn vom Ende des Impfzertifikats ist. Und mit der französischen EU-Ratspräsidentschaft ist Macron ja nun ganz nah an Ursula von der Leyen und ihren Zertfikatsplänen. Warten wir die französischen Präsidentschaftswahlen ab. So sie denn stattfinden werden.