Archi W. Bechlenberg / 07.08.2018 / 10:00 / Foto: Bi-frie / 9 / Seite ausdrucken

Joël Robuchon: Die Sterne und die Kartoffeln

Er hatte mit seinen Restaurants die meisten Sterne im Guide Michelin und gilt als einer der Wegbereiter der „Nouvelle Cuisine“. Gestern ist Joël Robuchon gestorben.

Zum ersten Mal begegnete mir der Name Joël Robuchon in der Erstausgabe von Patricia Wells „Paris für Feinschmecker“ aus dem Jahre 1984. Da war „der scheue junge Mann“ (Patricia Wells), der 1981 sein Restaurant Jamin im eleganten 16. Arrondissement nicht weit von Trocadero und Eiffelturm eröffnet hatte, bereits „auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn“ – so vermutete die Autorin damals und schwärmte im Folgenden in den höchsten Tönen von dem Küchenchef, der „die moderne Esskultur in Frankreich neu definiert“ hat.

Dem von Patricia Wells bereits nach vier Jahren Schaffen attestierten Höhepunkt folgten noch etliche nach. Seine im Laufe der Jahre weltweit eröffneten Restaurants wurden mit insgesamt 32 Michelinsternen ausgezeichnet, der Chef selber erhielt die Auszeichnung „Koch des Jahrhunderts“, eine Ehre, die außer ihm nur Paul Bocuse, Frédy Girardet und Eckart Witzigmann zuteil wurde.

Auf diesem Niveau zu kochen, ist eine Arbeit, die sich nur wenige Enthusiasten antun. Auch Robuchon spürte nach etlichen Jahren Hochleistungskunst die Mühen und die vielen Verzichte, die mit seiner Position in der gastronomischen Welt verbunden sind. Mit 51 Jahren stieg er aus dem Kreis der weltweiten Spitzenköche aus, um sich endlich auch einmal dem Privatleben widmen zu können. „Ein großer Koch muss in bester Verfassung sein. Kochen ist harte Arbeit. Ein Koch muss wie ein Athlet im Sport absolut fit sein, um Leistung zu bringen.“

Doch lange hielt er dieses ruhige Dasein nicht aus. Mit neuen Ideen für Restaurantkonzepte kehrte er zurück, er schrieb Bücher, kochte regelmäßig im französischen Fernsehen. Er eröffnete Restaurants, unter anderem in Monaco, Hong Kong, Las Vegas, Tokio, Shanghai und Bangkok; fünf seiner Häuser spielen in der Drei-Sterne-Liga. Zu Robuchons innovativen Ideen gehört das Konzept des „Atelier“ – intime Restaurants, in denen die Gäste an einer Art Theke rund um das Kochgeschehen sitzen. Die Idee war ihm in einer spanischen Tapasbar gekommen, wo er das gemeinsame Essen und die Nähe der Gäste zueinander zu schätzen begann. Kein Dresscode, keine Reservierungen. „Drei Sterne Essen mit Edelstahlbesteck und Gläsern aus Glas, statt Kristall.“

Vor allem durch ein Kartoffelrezept berühmt

Robuchon war alles andere als ein eitler Grüßaugust in seinen Restaurants, er blieb immer der bescheidene Mann aus einfachen Verhältnissen, auch wenn er mit den Großen dieser Welt Umgang pflegte. Es ist bezeichnend, dass er, der voller Begeisterung und Kreativität mit edelsten Zutaten wie Trüffel und Kaviar arbeitete, vor allem durch ein Kartoffelrezept berühmt wurde.

Eine besondere Liebe verband Robuchon auch mit Käse, den er nicht nur servierte, sondern auch in Büchern beschrieb. Er stellte eine ultimative Käseplatte zusammen, die aus Selles sur Cher, Camembert de Normandie, Pont l'Evêque, Bleu de Laqueuille und Chabichou du Poitou bestehen musste. Natürlich darf diese Auswahl nur aus bestem Hause stammen. Ich hatte vor einigen Jahren die große Ehre, das unterirdische Geschehen bei Aléosse, einem der renommiertesten Käsehändler von Paris mitzuerleben, in dessen 300 Quadratmeter Kellerräumen die Käse erst richtig zu dem werden, was an Potenzial in ihnen steckt. Zu gerne hätte ich mich dort einschließen lassen. M. Aléosse versäumte damals nicht, darauf hinzuweisen, dass er Robuchon mit seinen verfeinerten Fromages beliefere.

Seit Jahren litt Joël Robuchon unter einer schweren Krebserkrankung, die es ihm unmöglich machte, weiter zu kochen. Er musste rigoros Diät halten, kein Fett, kein Zucker, fast nur gedämpftes Gemüse. Nun hat er den Kampf verloren, gestern am 6. August ist er mit 73 Jahren in seinem Genfer Domizil gestorben.

Sein Bestreben war, nicht kompliziert zu kochen

Dass der Koch mit den weltweit meisten Michelinsternen ausgerechnet einem Kartoffelrezept seine breite Popularität verdankt, ist eine Pointe, die mir gut gefällt. Ohnehin war sein Bestreben, nicht kompliziert zu kochen; ein Gericht bedurfte seiner Ansicht – und Erfahrung – nach meist nicht mehr als eine Handvoll von Zutaten; man musste eben nur wissen, wie man damit umgeht. 

Es handelt sich bei dem Gericht um ein Kartoffelpüree, auf der Basis einer edlen Knolle, die es inzwischen auch in manche deutsche Läden geschafft hat. Sie heißt La Ratte (die Ratte), und sieht auch so aus. Die deutsche Sorte Bamberger Hörnchen kommt der Ratte am nächsten. Was nun das Besondere an Robuchons Variante einer ansonsten nicht gerade der feinen Küche entsprungenen Speise ist: Das Verhältnis Kartoffel zu Butter ist geradezu unanständig. Und es steckt echte Arbeit drin.

Hier das Rezept: Man nimmt ein Kilo Kartoffeln der Sorte La Ratte und achtet darauf, dass alle Knollen gleich groß sind. Nicht schälen! Sie werden gewaschen und dann in Wasser gekocht, das etwa 2 bis 3 Zentimeter über den Kartoffeln im Topf steht. 10 Gramm Salz pro Liter Wasser zugeben. Nach etwa 25 Minuten sind die Kartoffel gar (Test: mit einem Messer eine Kartoffel aus dem Wasser heben. Wenn sie von selber abfällt, ist sie gut). Man pellt die noch heißen Kartoffeln und passiert sie von Hand in einer Gemüsemühle. „Auf gar keinen Fall einen Mixer nehmen, das ergibt Pampe!“ 

Nun tut man einen Schuss Wasser in einen Topf, dazu 20 bis 30 cl Milch. Man bringt das ganze zum Kochen. Auf kleiner Flamme gibt man in einem weiteren Topf die verrührten Kartoffeln und fügt, fleißig rührend, nach und nach 250 Gramm sehr kalte, in Stückchen geschnittene Butter dazu. Je nach gewünschter Cremigkeit fügt man weiter Milch hinzu. Weiterrühren, immer weiterrühren, nicht schlappmachen! Sie kochen gerade auf höchstem Niveau. Wenn Sie denken, es ist genug gerührt, schlagen Sie das Püree kräftig durch und geben in kleinen Schlucken die restliche Milch dazu. Um die Köstlichkeit besonders fein und cremig zu bekommen, kann man sie nun noch durch ein Sieb streichen. Et voilà.

Die Website von Robuchon: https://www.joel-robuchon.com/en/

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Wilfried Cremer / 07.08.2018

Ist die flotte Lotte mit dem flotten Otto verwandt?

Frances Johnson / 07.08.2018

Da hatte er sicherlich noch Gewürze dabei. Die fehlen hier in der Beschreibung. Generell ist Ka-to-pü eine Delikatesse, die arbeitsintensiv ist. Somit ist sie relativ selten in Gasthäusern zu finden. Wenn doch, dann mit Kohlrouladen oder mit Königsberger Klopsen. Nach einer Stunde ist alles weg. Merken: Wir Altbürger sind eine Delikatesse, aber nur püriert. Sorry.

Archi W. Bechlenberg / 07.08.2018

La Ratte Kartoffeln gibt es eben nur in Kulturnationen. Ich bekomme die sogar hier im Dorfladen, habe sie aber auch schon in Deutschland gesehen. Dort kenne ich auch Ketten-Läden mit durchaus wertigem Sortiment. Und die vergleichbaren Bamberger Hörnchen sind ohnehin eine deutsche Sorte. Mit “Messer” ist natürlich die Spitze eines Messers gedacht, mit der man eine Kartoffel aufspießt; ich hatte dieses Wissen vorausgesetzt. Eine Gemüsemühle heißt in Deutschland “flotte Lotte” und gehört in jeden Haushalt, in dem nicht aufgetaut, sondern gekocht wird. Die ungefähre Milchangabe setzt das voraus, was bei Loriot einmal “eine gute Hausfrau hat das im Gefühl” hieß. Sehr kalte Butter heißt kälter als sonst der Kühlschrank, also unter 7 Grad C. Glauben Sie mir, die “unpräzisen” Angaben sind für jede französische Hausfrau von geradezu wissenschaftlich-exakter Schärfe. Aber Curry Wurst ist auch o. k. Bon appetit!

Dipl.-Ing. Robert Haase / 07.08.2018

Das soll ein einfaches Rezept sein? Geht schon bei den Kartoffeln los: La Ratte. In meinem Edeka wird mich die Bedienung anschauen wie eine Kuh wenn´s donnert, falls ich danach frage. Dann der Test ob die Kartoffeln gar sind: “mit einem Messer eine Kartoffel aus dem Wasser heben. Wenn sie von selbst abfällt, ist sie gar. ” Heben??? Und wenn sie runterfällt ist sie gar??? Ich denke wenn ich die Breitseite des Messers, auf der die Kartoffel liegt, um 30 Grad neige wird sie runterfallen. Das hat aber etwas mit Haftreibung zu tun. Und die Franzosen glauben, damit kann man testen ob eine Kartoffel gar ist? Naja, aber ich fahre auch aus Prinzip keine französischen Autos. Dann brauche ich eine Gemüsemühle! Welcher normale Mensch hat denn eine Gemüsemühle? Beim nächsten Schritt werden 20 bis 30 cl Milch benötigt. Werde demnächst beim Betonwerk auch mal 20 bis 30 cbm Beton bestellen (ich kann so nicht arbeiten). Dann wird sehr kalte Butter benötigt. Was ist sehr kalt? 2 Grad oder 7 Grad oder ... ? Und so weiter: schlagen, rühren, cremig. Alles unbestimmt und nicht präzise. Ich werde mir jetzt eine Currywurst holen und meine Frau in dem Glauben bestärken, dass ich doch ein Gourmetbolschewik bin.

Gabriele Schulze / 07.08.2018

Ist die “Gemüsemühle” die “Flotte Lotte”? Hab ich noch von Muttern, kommt auch nicht weg, allein wegen des Namens!

Paul Siemons / 07.08.2018

Während in Frankreich Robuchon als Künstler gesehen und sein Tod als nationaler Verlust bedauert wird (der Elysée-Palast kondolierte mit einer persönlichen Note des Präsidenten) findet man hier in den Zuschriften wieder die typische deutsche Miesepetrigkeit. “Kann ich auch.” “Meine Küche ist die beste, auch ohne Sterne.” “Voodoo muss auch dabei sein…” Das mag ja alles stimmen, hat aber mit dem Nachruf auf diesen Großmeister der Küche und seinen Leistungen nichts zu tun. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es auch nur einen französischen Dorfbrasserie-Chef gibt, dem zu Robuchon und der von ihm vertretenen Küche etwas Abwertendes einfiele. Sowas findet man nur in Deutschland, und darunter leiden auch deutsche Spitzenköche. “Milch, Salz, Kartoffeln, das kann ich auch.” Das ist, als würde jemand vor einem Bild van Goghs stehen und sagen “Farbe, Pinsel, Leinwand. Mach ich genau so. “Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“ (Ludwig Wittgenstein)

Karla Kuhn / 07.08.2018

Ich brauche keine Sterne,meinen Gästen schmeckt es sehr gut auch ohne. Eine richtige urige Dorfgaststätte, wo ALLES noch frisch zubereitet wird, hat jede Menge treue Gäste. Da werden die nicht übergroßen Teller noch richtig voll gemacht, jeder bekommt was für sein Geld. Nicht allzu viel Komfort aber lecker Essen. So soll es sein. Ich habe neulich gelesen, daß eine immer größere Zahl an Gaststätten mit Convenience Produkten arbeitet, na dann guten Appetit ! Stelle ich mir bei Bratkartoffeln oder Kaiserschmarrn richtig lecker vor.

Hans Weiring / 07.08.2018

Besonders gut gelingt es bei Vollmond, und wenn man eine Prise Salz über die linke Schulter geworfen hat.

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