Thomas Eppinger, Gastautor / 09.12.2019 / 12:30 / Foto: Pixabay / 14 / Seite ausdrucken

Iran: Europa und die Herren der Finsternis

Sechs weitere EU-Länder unterlaufen die Sanktionen gegen den Iran, obwohl das Regime den Terror in Europa fördert und Demonstrationen im Inland blutig niederschlägt.

Instex (2019 gegründete Zweckgesellschaft von EU-Mitgliedsstaaten zum Tauschhandel mit derm Iran, Anm. d. Red.) ist nichts anderes als eine internationale Tauschbörse, mit der Europa die Sanktionen der Vereinigten Staaten gegen den Iran umgehen will. Jetzt bekommen die Gründer Deutschland, Frankreich und Großbritannien Verstärkung: Sechs weitere EU-Länder – Belgien, Schweden, Dänemark, Norwegen, Finnland und die Niederlande – kündigten an, ihr beizutreten.

Das wird dieser Totgeburt kein Leben einhauchen – sie hat bisher noch kein einziges Geschäft abgewickelt –, doch politisch ist es ein fatales Signal. In den vergangenen Wochen haben sich die Bürger Irans in mehr als 100 Städten gegen das Regime erhoben. Der unmittelbare Anlass war die Verdreifachung der Benzinpreise, aber die „größten Unruhen seit dem Sturz des Schah“ zielten gegen das Regime selbst.

Von Europa im Stich gelassen

Die Protestbewegung stehe in der Tradition des Aufstands von 2009 und der Demonstrationen von 2017/2018, schreibt die Iran-Kennerin Saba Farzan, gehe aber weit darüber hinaus: „Die beiden früheren Bewegungen wurden von einer Zivilgesellschaft getragen, die sich mit allen Arten des zivilen Ungehorsams engagierte – die aktuelle wird von fast allen Iranern getragen, die nicht mit dem Regime unter einer Decke stecken und findet auf nationaler Ebene statt.“

Mit anderen Worten: Da protestierte nicht mehr nur die urbane Zivilgesellschaft für mehr bürgerliche Freiheitsrechte, das war ein nationaler Aufstand gegen die islam-faschistische Diktatur.

Hätte das Regime nicht das Internet abgeschaltet, wäre es vermutlich von den Massen hinweggefegt worden, die sich über Messenger-Dienste und Social Media organisiert hatten. Der Aufstand wurde mit ungehemmter Gewalt niedergeschlagen. Man schätzt, dass ungefähr 300 Menschen getötet wurden. Tausende wurden verletzt, ins Gefängnis geworfen, gefoltert. Frauen werden gezielt eingeschüchtertIranische Religionsexperten fordern öffentlich, dass die Demonstranten „möglichst brutal gequält und hingerichtet gehören“, und das Regime stellt den Angehörigen der von seinen Sicherheitskräften Ermordeten die Kugeln in Rechnung, mit denen sie erschossen wurden.

Dabei dürfen sie auf die stillschweigende Duldung Europas zählen. Viel mehr als Aufforderungen zur Dialogbereitschaft war aus Europa zu den Protesten nicht zu hören. Die scheidende Außenbeauftragte der EU Federica Mogherini hat in diesem Zusammenhang gar „jeden Akt der Gewalt von allen Seiten“ verurteilt.

Politische Bankrotterklärung Europas

In diesen Tagen dem Iran politisch den Rücken zu stärken, indem man den Willen signalisiert, die Sanktionen mit allen Mitteln zu unterlaufen, kommt einer moralischen und politischen Bankrotterklärung gleich.

Der Iran ist nicht nur eine blutige Diktatur, sondern mit Katar auch der größte Förderer des weltweiten islamischen Terrorismus. Immer wieder werden Anschläge auf europäischem Boden bekannt, die vom Iran geplant und/oder finanziert wurden. Viele davon konnten nur mit israelischer Hilfe verhindert werden. Die europäische Liebe zum Iran beruht nicht auf Gegenseitigkeit.

Im Nahen Osten ist Iran zur militärischen Supermacht aufgestiegen und zu einer ernsthaften Bedrohung für die arabischen Nachbarländer geworden. Die Vernichtung Israels ist Teil des iranischen Staatsprogramms seit Khomeinis Revolution von 1979.

Ausgerechnet Europa, das sich so gern als Hüterin der Menschrechte und moralische Supermacht inszeniert, stellt sich einmal mehr an die Seite jenes Regimes, das heute die einzige reale Bedrohung von 6 Millionen Juden darstellt.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Mena-Watch.

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Leserpost

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Wolfgang Kaufmann / 09.12.2019

Irgendwann wird Amerika ein klares Bekenntnis von seinen Verbündeten fordern: Seid ihr für uns oder wider uns; und wenn es Trump nicht tut, dann einer seiner Nachfolger. Denn seit der Geiselnahme vor 40 Jahren, Staatsterrorismus vom Feinsten, ist der Irankrieg nur aufgeschoben. Und nicht nur er. – Übrigens wird Europa weltpolitisch keine Rolle mehr spielen, bei der Machtpolitik so wenig wie beim Klima. Solche Luschinnen und Luschen wie unsere Brüsseler Spitzen rauchen die Russen und Chinesen, Inder und Brasilianer doch in der Pfeife. Zum Frühstück.

Jochen Lindt / 09.12.2019

Die politische Bankrotterklärung Europas heißt Kosovo, bzw. (Unterstützung für) Albanien.  Immer erst mal vor der eigenen Haustür kehren. Persische Hauseingänge reinigen wir dann später. Die Mullahs sind sicher auch nicht nett, aber der stinkende Misthaufen in unserer eigenen Nachbarschaft sollte uns mehr interessieren.

Marc Blenk / 09.12.2019

Lieber Herr Eppinger, ich glaube nicht mehr an den zivilisatorischen und humanistischen Lebenstrieb unserer politischen EU - Eliten. Sie sind bereit, Europa durch massenhafte islamische Einwanderung zu destabilisieren, fördern damit den Antisemitismus auf unserem Kontinent, wo es nur geht, sie unterstützen die schlimmsten Feinde der Juden und überhaupt der westlichen Zivilisation hier und überall. Diese Eliten haben jegliche politische, moralische und intellektuelle Satisfaktionsfähigkeit verloren. Wenn es tatsächlich um eine demokratische persische Zukunft ging, dann wäre doch jetzt spätestens die Gelegenheit, gegen die islamofaschistischen Mulllahs und für die Kämpfer der Freiheit ein Zeichen zu setzen. Aber Deutschland hat ja nicht einmal gewagt, auch nur ein Bötchen Richtung der Straße von Hormus zu schicken. Aus ihrem neuen Führerhauptquartier in Ausschwitz hätte sie am Wochenende ein Signal setzen können. Aber nichts wäre weiter entfernt vom politischen Willen Merkels und Maas’. Deutschland und die EU haben ihre Würde verloren.

Heiko Engel / 09.12.2019

Also, Herr Schleif, ganz so einfach ist die Welt nun sicher nicht. Auch wenn ich das manchmal sehr begrüßen würde. Zwischen schwarz und weiß bleibt ausreichend grau. Und Iran bewegt sich doch recht gut im Graubereich. Schlussendlich geht es hier um Entwicklung der Gesellschaft bzw. der Menschen. Und diese Entwicklungsmöglichkeiten sind z. Zt. doch eher in Demokratien , bei allen Defiziten, möglich. Das aktuelle Sein im Iran kann keine Option sein. Es muss Veränderung machbar sein.

Andreas Scheicher / 09.12.2019

Ich sehe das pragmatischer. Für Deutschland ist gut: Handel mit Jedem. Krieg gegen Keinen (der Deutschland nicht militärisch in Deutschland angreift). Raus aus der EU/NATO oder sonst irgendeinem Enddarm wie z.B. die UN. Fremdtruppen raus aus Deutschland.

Robert Schleif / 09.12.2019

Bei aller berechtigten Kritik an Merkel & Co. samt ihrem verlogenen Antifaschismus: Alles, was von Herrn Trump und aus rechten Ecken kommt, ist deshalb auch nicht Gold! Die ständige Anti-Iran-Hetze entbehrt jeder rationalen Grundlage. Israel hat die atomare Erst- und Zweitschlagsmöglichkeit. Israel hat die mit Abstand modernste, größte und motivierteste Armee der gesamten Region. Die Schlinge um den Iran wird immer enger gezogen („Zedernrevolution“ im Libanon, Syrienkrieg), nicht die Schlinge um Israel. Das militärische Potential des Iran (der übrigens, wie viele nicht zu wissen scheinen, gar nicht an Israel grenzt) ist dagegen dürftig. Die Möglichkeit, über die Hizbollah Terror in Israel zu verbreiten, ist nahe Null. Ein Hochrüsten der Huthi im Jemen kann aufgrund der Blockade des Landes nicht nennenswert stattfinden. Geld für weltweite Terrorförderung steht kaum zur Verfügung. Palästinensischen Terror wird es mit oder ohne Unterstützung aus dem Iran weiter geben. Die angeblichen Irren von Teheran sind, was ihre antiisraelische Hetze betrifft, widerliche Maulhelden – sie werden sich aber, aus Selbsterhaltungstrieb, aufs Maulheldentum beschränken. Alle Verantwortlichen wissen das, Peter Scholl-Latour wusste es schon immer. Aus mir unerfindlichen Gründen ist aber die Iran-Phobie das persönliche Steckenpferd von Benjamin Netanjahu. Da trifft er sich mit den Ölscheichs – mit eben jenen Ölscheichs, die für SÄMTLICHEN islamischen Terror auf der Welt haupt- oder mitverantwortlich sind. Und welcher Anschlag der letzten Zeit wurde vom Iran aus gesteuert? Von Trump, der genügend Geld hat und nicht auf saudische Bestechung angewiesen ist, hätte ich mir mehr Unabhängigkeit erhofft. Aber vermutlich will er seinen Wählern aus der Arbeiterschaft Megadeals mit den Saudis präsentieren. Außerdem bekommen US-Präsidenten vermutlich seit 1979 bei der Amtsübernahme einen Anti-Iran-Chip ins Hirn gepflanzt.

Jan Kandziora / 09.12.2019

Die Existenz dieses Instex-Konstruktes dient lediglich der Zuschaustellung, dass die Weltpolitik nicht mehr in Washington gemacht wird, und schon gar nicht vom US-Repräsentantenhaus. Iran ist dabei nur ein willkommener Präzedenzfall. Ob tatsächlich irgendwann mal Geschäfte darüber abgewickelt werden, das hängt tatsächlich vom Wohlverhalten der Iranischen Regierung ab. Entschieden wird darüber dann aber nicht mehr in Washington.

Hannes Schmidt / 09.12.2019

“Dabei dürfen sie auf die stillschweigende Duldung Europas zählen. Viel mehr als Aufforderungen zur Dialogbereitschaft war aus Europa zu den Protesten nicht zu hören.” Einer der Gründe, warum ich jedes mal kot**n könnte, wenn ich eine Figur unserer “politischen Elite” irgendwo zu sehen bekomme. (Ähnlich muss es wohl vielen Engländern in den 1930er ergangen sein im Bezug auf Chamberlain…) (Die anderen Gründe sind die absolute Realitätsverweigerung und Ideologie dieser “politischen Eliten”. (Womit sie eigentlich wiederum den iranischen Machthabern nicht sooo unähnlich sind…)) Man kann sich nicht einerseits als “Hüter(in) der Menschrechte und moralische Supermacht inszenieren” (mal davon abgesehen, das völlig unterschiedliche Vorstellungen von Menschenrechten und Moral weltweit existieren) und auf der anderen Seite Regime das “Händchen halten” und diese unterstützen, die die eigenen Prinzipien mit Füßen treten. (Von solchen Regimen/Menschen distanziert man sich und möchte mit diesen möglichst wenig zu tun haben!)

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