In einem Gastbeitrag haben Thunberg und andere Autoren aus ihrem Umfeld erklärt, warum ihre Solidarität den „marginalisierten“ Palästinensern gilt und nicht Israel. Greta ist – wie man so schön sagt – übergeschnappt. Als „Virgo“ der Klimakirche ist sie vom Sockel gefallen.
Die elitäre Schar gefallener Engel hat vor Kurzem Zuwachs bekommen. Greta, das Idol des globalen Klimagewissens mit dem Charme eines Exorzisten und der Hybris einer pubertären Besserwisserin, hat sich vollends entzaubert und bewiesen, wie reflexhaft und infam es auch in ihr denkt. Zumindest aus deutscher Sicht und Staatsräson oder israelischer Sicht und Staatsräson ist sie – als eine unter vielen Antisemiten – nun auch nicht mehr salonfähig. Ein herber Verlust für den deutschen Klimaaktivismus: Thunberg ist ab jetzt „Greta non grata“.
In einem Gastbeitrag in schwedischen und britischen Medien haben Thunberg und andere Autoren aus ihrem Umfeld erklärt, warum ihre Solidarität den „marginalisierten“ Palästinensern gilt und nicht Israel. Dabei verdrehen sie die Opfer-Täter-Perspektive, wie es in linksradikalen Kreisen bezüglich Israel schon lange üblich ist.
Was die innere Logik der Klimabewegung betrifft, transportieren diese Statements der schwedischen Dachorganisation von Fridays for Future ein typisches Verschwörungsnarrativ, das von antikapitalistischen, antiimperialistischen Motiven durchzogen ist. Die darin enthaltene Hetze gegen Israel und zumindest indirekte Solidarität mit palästinensischen Attentätern hätte auch den Pamphleten der in den 70er Jahren frisch aus den PLO-Terrorcamps zurückgekehrten RAF-Terroristen entstammen können.
Plumpe Propaganda der Hamas
Im britischen „Guardian“ war diese Woche von Greta zu lesen: „Im Gegensatz zu dem, was viele behauptet haben, hat sich Fridays for Future nicht ,radikalisiert‘ oder ,politisiert‘. Wir waren seit jeher politisch, denn wir waren immer eine Bewegung für Gerechtigkeit. [...] Die entsetzlichen Morde an israelischen Zivilisten durch die Hamas können in keiner Weise Israels anhaltende Kriegsverbrechen legitimieren. Völkermord ist keine Selbstverteidigung und auch keine verhältnismäßige Reaktion. [...] Und wir weigern uns, den Fokus der Öffentlichkeit von dem entsetzlichen menschlichen Leid abzuwenden, dem die Palästinenser derzeit ausgesetzt sind.“
Greta Thunberg wirft Israel Völker- und Massenmord im Gazastreifen vor, also einen Vernichtungsfeldzug, der darauf abzielt, möglichst viele Menschen, die man für minderwertig hält, zu töten. Das ist nicht nur eine radikale, sondern auch eine falsche Aussage, die wie die plumpe Propaganda der Hamas formuliert ist.
Im Angesicht des planvoll und großflächig angelegten Genozids vom 7. Oktober 2023, exekutiert von palästinensischen Mörderbanden auf israelischem Boden, im Angesicht der Entmenschlichung der Opfer und der erdrückenden Beweislast gegen die perversen Killer, Sadisten, Vergewaltiger und Plünderer aus dem Gazastreifen, klingen die Unterstellungen Gretas wie aggro-linke Paranoia, die ihr Stereotyp vom jüdisch-kapitalistischen Unterdrücker nicht abschütteln und zwanghaft am Leben erhalten will.
Vorbereitung des perfiden Vernichtungsfeldzugs
Wenn man die Worte von Greta und Genossen liest, könnte man auf die Idee kommen, an jenem 7. Oktober habe gar kein barbarischer Völker- und Massenmord von palästinensischen Terroristen auf israelischem Boden stattgefunden, der dann Auslöser des israelischen Gegenschlages war. Denn Greta und ihre Mitautoren machen die palästinensischen Täter zu Opfern Israels und vertauschen Ursache und Wirkung. Sie ignorieren, dass die unmenschlichsten Grausamkeiten der Hamas unter Muslimen im Gazastreifen und der Welt frenetische Zustimmung erhalten haben. Die Vernichtung von Juden liegt den Palästinensern offenbar am Herzen – sie gehört zum Statut der Hamas. Fridays for Future International scheint das gutzuheißen und macht sich damit zum Fürsprecher von Barbaren.
Vergessen wurde, dass Israel einst der Hoffnung verfallen war, Land gegen Frieden eintauschen zu können. Zusätzlich vergessen wurden hunderte Millionen Euro Hilfsgelder der EU, die in Gaza statt Verständigung leider Hetze und Gewalterziehung, Tunnelbauten, Korruption und Raketenabschussrampen finanziert haben – Gelder, die für den Frieden gedacht waren, aber von der Hamas zur Vorbereitung eines perfiden Vernichtungsfeldzugs veruntreut worden sind, in dessen Folge nun auch die eigene Bevölkerung zum Opfer fällt.
Dem Staat Israel also Völkermord im Gazastreifen vorzuwerfen ist eine Aussage, wie sie radikaler und „Hamas-gerechter“ nicht sein könnte – die im Angesicht des islamistischen Terrors vom 7. Oktober jedoch wie linkspathologischer Irrsinn klingt.
Der „Schönwetterkitt“ bröckelt
Es geht noch weiter: Greta muss keinen großen dialektischen Bogen spannen, um mit ihrem Artikel das Vorgehen Israels im Gaza (vor und nach der Invasion) als kapitalistisch-imperialistischen Akt gegen die „Klimagerechtigkeit“ zu brandmarken. Im Prinzip soll den Juden eine (Mit-)Schuld an der Klimakatastophe gegeben werden, denn sie sitzen – so das bewährte Motiv der jüdischen Weltverschwörung – an den Schalthebeln „globalistischer, imperialistischer Eliten“, die gezielt Ungerechtigkeit herstellen und dem Weltklima schaden, um Profit daraus zu schlagen. Früher „Brunnenvergifter“, heute „Klimaschädlinge“, schon klar...
„Zion“, „Ostküste“, „Israel“, der Dreisprung antisemitischer Motive bietet Chiffren, die seit den 60er Jahren der Bundesrepublik „ideologische“ Andockstellen für linksradikale Judenhasser bieten und sich heute in „harmloser“ verkleideten Motiven wie „Boykott, Desinvestitionen, Sanktionen“ (BDS) transnational neuformieren. Diese „Logik“ vererbte sich auch in die Öko- und Friedensbewegung, wo sie heute noch in den Köpfen altlinker und grüner Weltverbesserer herumwabert. Robert Habeck musste neulich diesem Treiben mit einem Video-Weckruf präventiv einen Riegel vorschieben, um nicht auch noch an dieser Parteiflanke bloßgestellt zu werden.
Für die Partei der Grünen ist diese erneute antisemitische Ausfälligkeit Greta Thunbergs ein Stolperstein, an dem der parteieigene Utopismus und seine realpolitisch fragilen Konstrukte hängenbleiben und straucheln. Denn der moralische Kitt zwischen Klimaschutz und „Kriegsdiplomatie“, „Klimagerechtigkeit“ und Industriepolitik, historischer Verantwortung gegenüber Israel und linksideologischen Erblasten war nie dazu geeignet, harten Prüfungen und anachronistischen Krisen standzuhalten, wie wir sie zurzeit erleben. Der grüne „Schönwetterkitt“ bröckelt großflächig, an den Sollbruchstellen unvereinbarer Politikfelder entstehen Risse, die die Grünen bald nicht mehr zusammenfügen können.
Postmarxistisch aufgemöbelter Antisemitismus
Greta, die „Klimaschützerin“, bläst jedoch mit Inbrunst in das „Gerechtigkeitshorn“ und agiert als verlängerter Arm einer Bewegung, die den Staat Israel wirtschaftlich, moralisch, kulturell und politisch in die Isolation treiben möchte. Es wird nicht offen ausgesprochen: Die intrinsische Diffamierung des Staatsgebietes Israels als unrechtmäßige Landnahme und Kolonisation ist eine BDS-Hassbotschaft und soll den Palästinenser-Terror als Notwehrmotiv legitimieren.
Das ehemalige Klimaidol Greta ist damit einen großen Schritt zu weit gegangen. Sie hat unfreiwillig der linksgrünen Selbstüberhöhung beim Thema „Klima“ ihre Widersprüchlichkeit und Grenzen aufgezeigt. Nun will die erwachsen gewordene Schulstreikerin einen antiisraelischen Antisemitismus als „klimagerechte Argumentation“ salonfähig machen. Das ist sehr durchsichtig. Mit solchem postmarxistisch aufgemöbelten Antisemitismus kann keine Diskussion über „Klimagerechtigkeit“ geführt werden, wenn dabei Israel als Täterstaat identifiziert und das Existenzrecht des Landes infrage gestellt werden soll.
Die immer tiefer stattfindende Politisierung der Klimabewegung lässt deren nationale Sektionen und Ländergruppen nunmehr in verschiedene (lokalpolitische) Richtungen jenseits der Kernthematik „Klima“ auseinanderdriften. Dieser Effekt schwächt Fridays for Future und andere Klimagruppen bereits massiv. Die „Klimabewegung“ als homogene Einheit gibt es vielleicht bald nicht mehr, sie büßt gerade ihre argumentative Konsistenz ein – nicht allein, weil ihr totalitärer Anspruch gegen die demokratische Willensbildung nicht durchzusetzen ist, oder weil Klimapolitik letztlich eine demokratische Legitimation im Verhältnis zum Wohlstand benötigt, sondern weil das Klimaschutz-Personal im Fokus seiner moralischen Kompetenz schlicht unbrauchbar ist.
Inspiriert von Greta
Andere „Klimaaktivisten“, wie die „Letzte Generation“, stellen die Legitimität ihrer Aktionen über nationale Gesetzgebung und begründen dies mit einem höheren moralischen Standpunkt. Daraus entstehen Konflikte, bei denen Klimabewegte mit der Gesellschaft in direkte Konfrontation auf strafrechtlicher Seite geraten können. Anders als die Hoffnung der „Aktivisten“ auf bürgerliche Solidarisierung mit ihren gesetzwidrigen Aktionen, sieht die demokratische Mehrheitsgesellschaft in ihnen zunehmend kriminelle Handlungen. Die Klimabewegten werden kriminell, wenn sie die Gesellschaft drangsalieren und gefährden. Daraus ergibt sich für das Selbstverständnis der „Aktivisten“ ein Problem: Ihr „hehres“ Ziel kann bald nur noch mit illegalen Mitteln, die gegen die demokratischen Ordnung verstoßen, umgesetzt werden – frei nach dem Motto „Der Zweck heiligt die Mittel“.
Ein solches moralische „Dilemma“ kann man auch an der Reaktion der deutschen Sektion von FfF auf die Äußerungen Greta Thunbergs ablesen. Luisa Neubauer antwortete lapidar, die antisemitischen Ausfälle von Greta Thunberg und von Fridays for Future International würde sie nicht teilen. Im Spiegel liest man: „Wir haben dieser Bewegung eine eigene Identität gegeben – inspiriert von Greta, aber seit Jahren selbstständig und unabhängig von ihr.“ Daraus folgert sie, dass es „Symbolpolitik“ wäre, den Namen abzulegen: „Unsere Priorität liegt in der Klarheit unserer Haltung.“ Neubauer will an der Marke „Fridays for Future“ festhalten und nicht mit der Dachorganisation brechen, obwohl deren Frontfrau eine erklärte Antisemitin ist.
Man kann Luisa Neubauer, die Mitglied der Grünen ist, Doppelmoral vorwerfen. Während sie heute mit ihrer Klima-NGO aus opportunistischen Gründen lieber im Sumpf antisemitischer Vorwürfe gegen ihre einstige „Heldin“ Greta stecken bleibt, hatte sie sich im Mai 2021 in einer ARD-Talkrunde zu diesem Thema noch weit aus dem Fenster gelehnt. Über Hans-Georg Maaßen behauptete sie damals: „Er verbreitet antisemitische und rassistische Inhalte.“ Solches sei „nachgewiesen, vielfach“. Nachgewiesen wurde jedoch in der Folge, dass nichts dran war an dieser Diffamierung, reine Erfindung. Der Vorfall hat gezeigt, dass die Klimaaktivistin keine Hemmungen hat, verleumderische Gerüchte über Gegner ihrer Politik zu verbreiten.
In die globalen Machtlogiken einbezogen
Im Falle Gretas, der Antisemitin, „teilt“ Neubauer deren Meinung zwar nicht, will aber anscheinend Gras über den Vorfall wachsen lassen. Das sollten deutsche Gesprächspartner im Kopf behalten, wenn sie mit Luisa Neubauers anmaßendem Gebaren konfrontiert werden. Sie ist sicher keine Antisemitin, wie ihr Vorbild Greta, von der sie sich jedoch weiterhin „inspirieren“ lassen will. Gerüchte und Falschaussagen über Menschen, die nicht in ihr Weltbild passen, verbreitet Luisa Neubauer bedenkenlos, wie wir gehört haben. Dabei hat sie sich vielleicht auch von Greta Thunberg, der Verschwörungstheoretikerin, inspirieren lassen.
Greta Thunberg ist – wie man so schön sagt – übergeschnappt. Als „Virgo“ der Klimakirche ist sie vom Sockel gefallen. Irgendwie ist das gesellschaftspolitisch zu verstehen: Die Klimabewegung steckt in einer Sackgasse, weil sie so erfolgreich ist. Ihre Ziele wurden politisch assimiliert, in die globalen Machtlogiken einbezogen, relativiert, zu zertifizierten Produkten umgeformt und machttechnisch instrumentalisiert. Dabei wurde die Klimapolitik zu einer globalen Geschäftsidee, die alle Insignien kapitalistischer, monopolhafter Umtriebe beinhaltet. Die Helden haben ausgedient und irrlichtern weiter in Parteien und NGOs. Denn auch für die Klimakatastrophe gilt: Am Ende zählt nur das Geld, die Kohle.
Dieser Text erschien in leicht gekürzter Fassung zuerst im wöchentlichen Newsletter von Achgut.com (jeweils am Freitag), den Sie hier kostenlos bestellen können.
Fabian Nicolay ist Gesellschafter und Herausgeber von Achgut.com.