Martina Binnig, Gastautorin / 23.01.2024 / 06:15 / Foto: Twitter / 48 / Seite ausdrucken

EU verhindert Impf-Deal-Aufklärung

Die EU-Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly kämpft hartnäckig für eine Aufklärung der Impfstoff-Deals von Ursula von der Leyen. Doch das EU-Parlament weigerte sich gerade, die EU-Kommission aufzufordern, die entsprechenden Verträge ungeschwärzt offenzulegen.

Am 17. Januar stimmte das EU-Parlament über sechs Änderungsanträge zum Jahresbericht der EU-Bürgerbeauftragten für das Jahr 2022 ab, in dem es unter anderem um die Offenlegung der Verträge im Zusammenhang mit der Beschaffung von COVID-19-Impfstoffen ging. Anstragsteller war Cristian Terheş im Namen der ECR-Fraktion. Die Bürgerbeauftragte – auch: Ombudsfrau – prüft Beschwerden gegen die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU. Sie wird vom Parlament für jeweils fünf Jahre gewählt und legt jedes Jahr einen Tätigkeitsbericht vor.

Seit 2013 bekleidet Emily O’Reilly dieses Amt und hat sich als hartnäckige Kämpferin für Transparenz einen Namen gemacht, indem sie beispielsweise bei der Europäischen Kommission den „Zugang der Öffentlichkeit zu Textnachrichten und anderen Dokumenten zu Gesprächen zwischen der Kommissionspräsidentin und dem Geschäftsführer eines Pharmaunternehmens über den Kauf von COVID-19-Impfstoffen“ einforderte (wir berichteten). Hintergrund war der Kauf von 1,8 Milliarden Impfdosen im Mai 2021, der nach einem privaten und geheimen SMS-Austausch zwischen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Pfizer-Vorstandschef Albert Bourla (siehe Foto) zustandegekommen war.

Dabei gleicht das Engagement O’Reillys gegen Missstände oft dem Kampf gegen Windmühlen. Im Dezember kritisierte die Ombudsfrau etwa zwei Praktiken, die die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) bei der Bearbeitung des Zugangs zu Dokumentenanfragen anwendet. Die EMA stellt Zugangsersuche nämlich in eine chronologische Warteschlange und beschränkt den Zugang auf höchstens fünf Anträge zu einem bestimmten Zeitpunkt und jeden dieser Anträge wiederum auf höchstens zwei Dokumente. Weitere aktuelle Fälle betreffen beispielsweise eine mangelnde Transparenz bei Treffen der EU-Kommission mit Tabaklobbyisten, die Ethik-Richtlinie des Parlaments, die Europäischen Verteidigungsfonds (EDF) sowie die Europäische Investitionsbank (EIB).

Beiläufige Abstimmung

Bereits im April letzten Jahres veröffentlichte O’Reilly ihren Jahresbericht 2022, über den dann am 7. Dezember Peter Jahr für den Petitionsausschuss des Parlaments wiederum den Bericht A9-0414/2023 mit einem „Entwurf einer Entschließung des Europäischen Parlaments zu dem Jahresbericht 2022 über die Tätigkeit der Europäischen Bürgerbeauftragten“ vorlegte. Zu diesem Entwurf konnten von den Parlamentariern Änderungsanträge eingereicht werden, über die nun am 17. Januar im Rahmen der letzten Plenarsitzung in Straßburg abgestimmt wurde. Diese Abstimmung war allerdings nur ein kleiner Tagesordnungspunkt unter vielen anderen. So ging es in Straßburg beispielsweise auch um die Richtlinie gegen „Grünfärberei“ – konkret um das Verbot von nicht nachweisbaren Umweltaussagen wie „umweltfreundlich“, „klimaneutral“ oder „öko“ – sowie um Maßnahmen gegen das „Wiederaufleben des Neofaschismus in Europa“ und „Hetze und Hasskriminalität in der EU“.

Am Mittwochmittag wurde dann eher beiläufig etwa über einen von Terheş vorgeschlagenen Zusatz abgestimmt. Im Entwurf des Berichts von Peter Jahr ist unter § 14 zu lesen: Das Europäische Parlament „begrüßt die anhaltenden Bemühungen der Bürgerbeauftragten um mehr Transparenz und Ethik in der Lobbyarbeit, insbesondere indem die Kommission verpflichtet wird, den Verhaltenskodex für Kommissionsmitglieder zu stärken, ein für die Öffentlichkeit zugängliches Verzeichnis von Treffen zwischen Kommissionsmitgliedern und Lobbyisten einzurichten und die Reisekosten der Kommissionsmitglieder proaktiv zu veröffentlichen“. Terheş wollte nun als § 14a ergänzt haben: Das Europäische Parlament „fordert die Bürgerbeauftragte auf, die Kommission weiterhin nachdrücklich aufzufordern, unverzüglich die ungeschwärzten Verträge im Zusammenhang mit der Beschaffung von COVID-19-Impfstoffen zu veröffentlichen“. Damit kam er jedoch nicht durch. Immerhin 254 Parlamentarier stimmten zwar dafür, aber 349 dagegen, und 17 enthielten sich.

Von den deutschen Abgeordneten votierten vor allem Vertreter von CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Offenlegung der Verträge, während Vertreter der AfD, der Linken und auch der Grünen dafür stimmten. Das namentliche Abstimmungsverhalten kann in dem öffentlich zugänglichen Dokument P9_PV(2024)01-17(RCV)_XM auf der offiziellen Website des EU-Parlaments eingesehen werden. Auch folgende von Terheş vorgeschlagene Ergänzung zu § 2 erhielt keine Mehrheit im Parlament: Das Europäische Parlament „beglückwünscht die Europäische Bürgerbeauftragte zu ihren beispielhaften Bemühungen während der Pandemie, die Rechte der Bürgerinnen und Bürger vor dem beispiellosen Missbrauch durch die Kommission zu schützen und die Weigerung der Kommission zu untersuchen, Zugang zu Dokumenten und Textnachrichten im Zusammenhang mit der Aushandlung von Verträgen über den Kauf von COVID-19-Impfstoffen mit öffentlichen Mitteln zu gewähren“. Hier votierten 265 Parlamentarier dafür und 348 dagegen bei 11 Enthaltungen.

Terheş fiel auch mit seinen weiteren Vorschlägen durch, wie etwa mit einer zugefügten Erwägung (Pa), „dass die Bürgerbeauftragte im Jahr 2022 weiterhin eine große Zahl von Beschwerden im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie erhalten hat, hauptsächlich in Bezug auf Maßnahmen, die die nationalen Behörden als Reaktion auf die Pandemie ergriffen haben, und das Recht, sich innerhalb der EU frei zu bewegen“. Letztlich wurde die Entschließung mit 543 Ja-Stimmen, 12-Nein-Stimmen und 64 Enthaltungen verabschiedet. Damit wurde eine weitere Chance der Aufarbeitung der Corona-Politik der EU und insbesondere des Impfstoff-Deals von Ursula von der Leyen vertan.

Den Wortlaut der angenommenen Entschließung des Europäischen Parlaments vom 17. Januar 2024 zum Jahresbericht 2022 über die Tätigkeit der Europäischen Bürgerbeauftragten (2023/2120(INI)) finden Sie hier.

 

Martina Binnig lebt in Köln und arbeitet u.a. als Musikwissenschaftlerin (Historische Musikwissenschaft). Außerdem ist sie als freie Journalistin tätig.

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Leserpost

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Jens Uwe Meier / 23.01.2024

Kurzform: Nichts geht mehr, außer AFD 53+. Dann Dexit, Pause, Nachdenken über einen neuen Wirtschaftsverbund.

aaron treppe / 23.01.2024

VDLs hauptsächliche Funktion scheint zu sein, dass sie vorlebt, wie hoch Reiche und Politiker über dem Gesetz stehen, in jeder Position gescheitert, in keinster Weise für die Politik geeeignet, wäre sie ohne Merkel heute vermutlich Pharmalobbyistin, aber immer wenn eine Position frei wurde in der Inkompetenz und Korruptheit zur Folklore gehören ist sie genau die Richtige. Die alten Verfehlungen werden einfach gelöscht, muss ja Platz auf dem Telefon für neue Schweinereien geschaffen werden ;). Mal abwarten, aber spätestens in der übernächsten Wahl wird sich zeigen, dass auch auf europäischer Ebene die Arroganz und Korruption zu einem weiteren Aufstieg der Rechten führen werden.

Ferdinant Katz / 23.01.2024

Ich kann nur hoffen, wenn die Afd, hier den Laden übernommen hat, man eine riesige Stinkbombe, nach Brüssel wirft. Nicht mehr und nicht weniger, als ein Ultimatum. Entweder, der Scheiss um Uschis SMS und das Geseier um Corona und Maßnahmen, wird jetzt lückenlos aufgeklärt und aufgearbeitet, oder Deutschland, geht. Und ihr könnt euch fortan an die Franzosen wenden und deren Geld umverteilen.

Eberhardt Feldhahn / 23.01.2024

Ich dachte auf dem Photo sähe man UvdL Herrn Haldenwang umarmen, was aber auch absolut passend wäre. Ein schönes Paar, wer auch immer der Typ ist und was sie verbindet.

paul brusselmans / 23.01.2024

Stichwort Demokratiefeinde: Frau von der Laien verweigert dem Parlament, auch einzelnen Parlamentariern, Einsicht in die gesc hlossenen Verträge. Damit beraubt sie das Parlament der Kontrollfunktion gegenüber dem EP. Schlimmer kann Demokratieverachtung nicht sein. Ein ganz anderes Kaliber als die sozialistischen Katarversteher. im EP. Der Skandal kam ja zur richtigen Zeit.  Amtsenthebung ist das Mindeste plus staatsanwaltschaftliche ERmittlungen. Übrigens: bei bedingter Zulassung herrscht ausnahmslos Herstellerhaftung - die allerdings in Artikel 6 des “Zeig-ich-aber-nicht-Vertrag”  ausgehebelt worden ist. Spahn hat auch dahingehend das Arzneimittelrecht geändert, so dass der Bund die Haftung übernimmt.

Anglea Maaz / 23.01.2024

So lange die Corona-Protagonisten an der Macht sind, wird nix aus der Aufklärung. Schade, ich hatte immer mal gehofft, dass aus Amerika was rüber schwappt an Gerichtsprozessen und Urteilen.

gerhard giesemann / 23.01.2024

Denn “Impfen macht frei”.

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