Die Bundesregierung zahlte in den vergangenen fünf Jahren rund 1,5 Millionen Euro Honorare an einzelne Journalisten. Ob hier Geldzahlungen tatsächlich Einfluss auf die Meinungsbildung haben, braucht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes nicht untersucht zu werden. Allein wenn dadurch eine Beeinflussung möglich ist, sind diese Zahlungen nach Art. 5 GG einzustellen.
Am 1. September 1948 – vor 75 Jahren – treten 65 Bürger in Bonn als Parlamentarischer Rat zusammen und beraten ein Grundgesetz (GG), das am 23. Mai 1949 unterzeichnet und verkündet wird. Zur obligaten Jubiläumsfeier (am 1. September dieses Jahres, Anm. d. Red.) meint der ehemalige Bundespräsident Gauck, das GG sei eine „Daseinsgewissheit“. Die Bundestagspräsidentin Frau Bas meint: Es sei mit dem GG „… eine moderne und für künftige Entwicklungen offene Verfassung geschaffen worden.“ Bundeskanzler Scholz zur Feier des Tages: „Diese beste Demokratie (Verfassung), die wir in Deutschland jemals hatten, ist die, die wir verteidigen müssen.“
Sehen wir uns an, was die Regierenden zur Verteidigung des GG getan haben und tun. Aus Art. 5 GG wird das staatliche Distanzgebot von Presse, Rundfunk und Fernsehen abgeleitet. Rundfunk und Fernsehen haben spezifische Probleme, die in der Rechtsprechung viel breiteren Raum einnehmen als diejenigen der Druckpresse. Die Druckpresse soll jedoch im Mittelpunkt der nachfolgenden Erörterungen stehen. Festzuhalten ist, dass zur Druckpresse auch die digitalen Formate zählen, wenn sie maßgeblich aus Texten, Interviews, Reportagen und Kommentaren bestehen und in einem regelmäßigen Zeitabstand erscheinen. Dann sind auch sie durch Art. 5 GG (Pressefreiheit) geschützt. Dabei bezieht sich der Begriff „Presse“ nicht nur auf solche Medien, die sich an die gesamte Öffentlichkeit richten. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat entschieden, dass auch Werkszeitungen dem Begriff der Presse unterfallen.
Mit der so definierten Presse wird ein Handlungsfeld bezeichnet, das vor dem Zugriff des Staates geschützt sein soll. Das BVerfG spricht hier von „institutioneller Eigenständigkeit der Presse.“ Die Staatsferne ist nach Ansicht des BVerfG konstitutiv für die individuelle und öffentliche Meinungsbildung, weil nur unter dieser Voraussetzung eine umfassende Informationsgrundlage hergestellt werden kann. Nur ohne Staatseinfluss kann gesellschaftliche Meinungsvielfalt entstehen, in der unvoreingenommen staatliches Handeln kritisch reflektiert werden kann.
Buschmann will nichts gewusst haben
In der Rechtsprechung des BVerfG ist anerkannt, dass Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG nicht nur die private Presse vor staatlichen Eingriffen schützt, also ein subjektives Abwehrrecht definiert, sondern auch den Staat daran hindert, selbst als Presse tätig zu werden. So wurde Konrad Adenauer vom BVerfG der Betrieb eines „Deutschlandfernsehens“ verboten. Neuestens wurde der juris GmbH der Weiterbetrieb des kostenlosen juristischen Informationsdienstes „Libra – das Rechtsbriefing“ gerichtlich verboten. Diese GmbH wird mehrheitlich staatsbestimmt (50,01 Prozent der Bund, 2,99 Prozent das Saarland neben Privatbeteiligten).
Bei der gerichtlichen Überprüfung kam zutage, dass in der juris-Zentrale in Saarbrücken mit 209 Mitarbeitern das Ehepaar Oostrom bestimmend wirkt. Das Gehalt von Herrn Oostrom hat sich seit 2012 von 84.000 Euro bis 2022 vervielfacht auf 324.645 Euro. Dafür braucht der Geschäftsführer nicht seine ganze Arbeitskraft juris zu widmen. Er hält Managementfunktionen in anderen Unternehmen. Seine Ehefrau ist seit 2009 Prokuristin. Deren Gehaltshöhe ist unbekannt. Ein Bewusstsein für mögliche Interessenkonflikte ist offensichtlich nicht vorhanden. Der zweite Geschäftsführer, Herr Weichert, residiert mit 12 Mitarbeitern auf fürstlichen 500 Quadratmetern am Kurfürstendamm in Berlin. Sein Gehalt beträgt 182.000 Euro. Er trägt die Verantwortung für die Beziehungen zwischen dem Bund und juris. Diese Beziehungen scheinen jedoch nicht mit der erforderlichen Intensität gepflegt zu werden, behauptete doch Bundesjustizminister Buschmann, nichts von „Libra – das Rechtsbriefing“ gewusst zu haben. Bisher bekannte Kosten der „Pleite“: circa 100.000 Euro Sach- und ca. 250.000 Euro Personalkosten.
In unserer demokratischen Ordnung ist es unvermeidlich, dass staatliche Organe mit der Öffentlichkeit kommunizieren und über staatliches Handeln informieren. Staatliches Handeln soll transparent sein bezüglich der staatlichen Aufgabenwahrnehmung. Klassische unverfängliche Beispiele sind die Veröffentlichung von Gesetzes- und Verordnungstexten, Protokolle von Parlamentsdebatten, Gerichtsentscheidungen und so weiter.
Das Spannungsfeld zwischen Information über staatliche Aufgabenwahrnehmung und wertender Beeinflussung der individuellen und der öffentlichen Meinungsbildung tritt zum Beispiel bei Veröffentlichungen der Bundeszentrale und der Landeszentralen für politische Bildung zutage. In den Jahren 2020 bis 2023 hat die Bundesregierung über diese Institutionen zahlreiche Projekte gegen Hassrede, Fake-News, Propaganda oder allgemein „Desinformation“ gefördert.
Wann hier unzulässig wertend, den Meinungsbildungsprozess verzerrend, Einfluss genommen wird, war schon Gegenstand von Gerichtsentscheidungen. Ob wertend, den Meinungsbildungsprozess verzerrend eingegriffen wird, ist nach der einschlägigen Rechtsprechung nicht an den tatsächlichen Konsequenzen, sondern nach den möglichen Wirkungen zu entscheiden.
Bezahlte Presse
Bei oberflächlicher Betrachtung ergibt sich ein lebendiges Bemühen, die Pressefreiheit zu stärken und zu fördern. Libra wurde, da verfassungswidrig, abgeschaltet, Konrad Adenauer wurde der Betrieb eines „Deutschlandfernsehens“ untersagt. Wir haben die Intendantendebatte, die Entscheidung des BVerfG über die Besetzung der Rundfunkräte, Rundfunk- und Fernsehgebühren dürfen aus Respekt vor Art. 5 GG nicht direkt aus Steuergeldern gezahlt werden, sondern sind durch Gebühren der Nutzer aufzubringen. Die „Anzeigenkorruption“ ist vielen ein Dorn im Auge. Es wird eine staatliche Presseförderung diskutiert, weil die Presse wegen wachsendem Mindestlohn (Zusteller) explosionsartiger Kostensteigerungen bei Papier, Energie, im Druck und in der Zustellung (Postgebühren) mancherorts in ihrer Existenz bedroht ist. Hat der Medienverband der freien Presse (MVFP) begründeten Anlass zu fordern, die geplante Förderung solle diskriminierungsfrei, ohne Unterschied der Meinungsausrichtung und Wahrung der freien Entscheidung des Verlegers über Art und Weise der Publikation, gewährt werden?
Die Mahnung des MVFP ist angebracht, wenn man betrachtet, was zum Beispiel auf eine Anfrage der AfD die Bundesregierung (BReg) geantwortet hat. Die BReg hat in den Jahren 2020 bis 2022 für Werbe- und Informationsmaßnahmen 513 Millionen Euro ausgegeben. Sie will damit einen verfassungsmäßigen Informationsauftrag erfüllt haben. Diese Gelder flossen an Medien- und Marketingagenturen sowie im Internet populäre Influencer. Der größte Teil, circa 299 Millionen, ging an das Gesundheitsministerium. Für die sogenannte „Corona-Aufbruchskampagne“ erhielt die Medienagentur Carat Deutschland knapp 700.000 Euro. Die Medienagentur Mediaplus erhielt bis Mai 2023 bereits über 5 Millionen Euro für die Kampagne „Energiewechsel“.
Für diese Kampagne hat das Wirtschaftsministerium 2022 35 Millionen Euro gezahlt. 1,5 Millionen Euro haben Journalisten kassiert, indem sie Aufträge der Bundesregierung angenommen haben. Zwei Drittel davon gingen an in öffentlich-rechtlichen Medien tätige Journalisten. Bundeskanzler Scholz machte zur Bedingung seines Auftritts bei der Berliner Digitalkonferenz „re:publica“ im Juni 2022, dass ihn die Journalistin Linda Zervakis interviewt. Um den prominenten Gast nicht zu „vergraulen“, stimmten die Ausrichtenden zu. So konnte der Bundeskanzler seine nebulösen Gemeinplätze zur Digitalisierung Deutschlands unbehelligt loswerden. Nach Recherchen der taz soll Frau Zervakis für diesen und einen weiteren Auftritt vom Kanzleramt 12.000 Euro erhalten haben. Frau Zervakis, dazu befragt, gab bekannt, auf diesem Weg weiter voranzugehen. Warum gibt der Staat solch immense Summen an Steuergeld aus, hat doch die Presse in weiten Teilen ohnehin ihre ureigenste Aufgabe, die Kontrolle der drei Staatsgewalten, in erschütterndem Umfang vernachlässigt?
Wo sind die Feinde der Demokratie?
Bei der Migrationswelle 2015/16 kamen Gegenstimmen nicht zu Wort, es sei denn, um sie verächtlich zu machen. Andersdenkende wurden mit Codewörtern wie umstritten, rechts, rassistisch, antisemitisch und so weiter markiert. Vieles, was im Gewand der Kritik daherkommt, ist schlicht Repression. Es wurde und wird überbrüllt, blockiert, ausgegrenzt und bedroht. Diese Art des Journalismus erreichte in ihrer Kompromisslosigkeit und Aggressivität bei den Corona-Grundrechtseinschränkungen einen weiteren Höhepunkt.
Wie kann die Presse in weiten Teilen zum Sprachrohr der Exekutive, der Parlamentsentscheidungen und der Rechtsprechung werden, fragen aufmerksame Beobachter? Mahnungen, die eigene Urteilsfähigkeit der Menschen zu respektieren, ihnen die Ausübung von Freiheit zuzutrauen, gingen ins Leere.
Ob hier Geldzahlungen tatsächlich Einfluss auf die Meinungsbildung haben, braucht nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht untersucht zu werden. Allein wenn dadurch eine Beeinflussung möglich ist, sind diese Zahlungen nach Art. 5 GG einzustellen. Ich frage Sie, wozu neigen Sie? Nur so viel meinerseits: Wenn sich die Geldempfänger tatsächlich von der Meinung des Zuwenders freihalten könnten, wäre das eine bemerkenswerte Leistung.
Die journalistischen Akteure rechtfertigen ihre Kompromisslosigkeit und Aggressivität durch eingebildete absolute moralische Überlegenheit (oft gepaart mit Dummheit). Eine Neigung, der man in einer Demokratie nie nachgeben sollte. Denn das läuft auf die Negierung dessen hinaus, was doch gerade ihre Geschäftsgrundlage ist: Die Konkurrenz unterschiedlicher, doch gleichermaßen legitimer Meinungen. Wo sind die Feinde der Demokratie, frage ich?
Neben Geldzahlungen und eingebildeter moralischer Überlegenheit sollte eine gemeinsame Sozialisierung zahlreicher aktueller Akteure nicht außer Acht gelassen werden. Die Einseitigkeit weiter Teile der Presse beruht auch auf einem Zusammengehörigkeitsgefühl der Mächtigen. Es braucht morgens keine Parolen aus dem Kanzleramt dazu, wie oder was zu berichten ist. Nach gemeinsamen Studiengängen – oft auch abgebrochen – engagiert sich der eine in der Politik, der andere in den Medien. Was bleibt? Verbundenheit im Geiste. Ein Ergebnis des schon 1968 angekündigten Marsches durch die Institutionen.
Überrascht es, wenn bei dieser Kompromisslosigkeit und Aggressivität von Politikern und der Presse circa 70 Prozent der Deutschen aus Angst vor Nachteilen Bedenken haben, ihre wirkliche Meinung frei auszusprechen? Der Meinungskorridor des Sagbaren wurde erfolgreich eingeschränkt.
Lesen Sie morgen: Wie die EU die Pressefreiheit aushebelt.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Blog von KRiStA – Netzwerk Kritische Richter und Staatsanwälte n.e.V. Er entspricht einem Vortrag von Dr. Manfred Kölsch, gehalten auf dem 7. KRiStA-Treffen vom 14. bis 17. September 2023.
Dr. Manfred Kölsch war 40 Jahre lang Richter und gab im Mai 2021 aus Protest gegen die Corona-Maßnahmen sein Bundesverdienstkreuz zurück.