Im Jahr 2021 befanden sich weltweit 56 Kernreaktoren im Bau. Das deutsche „Vorangehen beim Atomausstieg“ spielt sich offensichtlich nur in den Köpfen unserer „Ökos“ ab.
Die IAEA (International Atomic Energy Agency) hat in ihrem 42. Bericht einen Ausblick auf die weltweite Entwicklung der Kernenergie in den nächsten 30 Jahren versucht. Für die Entwicklung des Energieverbrauches verwendet sie das umfangreiche Material der OECD. Es handelt sich bei diesen Berichten nicht um Prognosen, sondern eher um fundierte Einschätzungen der erwarteten Bandbreite. Für die untere Begrenzung (low case) wird angenommen, dass die Märkte, die Technologie, die Ressourcen und die Randbedingungen (Gesetze, Politik etc.) bleiben wie gehabt.
Dies soll eine konservative, aber plausible Projektion ergeben. Bei der oberen Begrenzung (high case) berücksichtigt man auch technisch machbare Entwicklungen und etwaige Ziele für eine „CO2-arme Gesellschaft“. Gleichwohl sollen die Annahmen plausibel bleiben und man geht deshalb ausdrücklich nicht von „net zero carbon emissions“ aus. Dies ist schon mal die erste interessante Feststellung gegenüber der Vorstellung der Bundesregierung: Fossile Energieträger verschwinden ausdrücklich nicht bis 2050.
Neusprech für die Zerstörung dieser Gesellschaft
Im Jahre 2021 sollen fast 7,9 Milliarden Menschen auf der Erde gelebt haben. Sie erzeugten 27007 Terawattstunde elektrischer Energie (zum Vergleich: Deutschland 588 TWh). Etwa 9,8 Prozent davon entstammten der Kernenergie (zum Vergleich: Deutschland 11,8 Prozent). Der Anteil der Elektrizität betrug 19,5 Prozent (zum Vergleich: Deutschland circa 20 Prozent) an der verbrauchten Endenergie. Schon diese drei Zahlen regen zu grundsätzlichen Überlegungen an: Die Stromproduktion in Deutschland ist gegenüber der gesamten Stromproduktion der Welt nahezu eine vernachlässigbare Größe.
Das mag für viele „Weltenretter“ deprimierend sein – oder anders betrachtet – es kann bei dem Kohle- und „Atomausstieg“ gar nicht ums Klima gehen, sondern Energiewende ist lediglich Neusprech für die Zerstörung dieser Gesellschaft. Gerade die Kernenergie hat noch weltweit ein riesiges Wachstumspotential, da selbst im „Ausstieg Deutschland“ die Produktion noch überproportional war. Der Anteil von rund einem Fünftel der Elektroenergie an der Endenergie macht deutlich, wie abwegig eine voll elektrifizierte Welt und wie unverantwortlich eine Versorgung nur durch wetterabhängige Energie wäre.
Ende 2021 waren weltweit 437 Reaktoren mit einer Nettoleistung von 389,5 GWel in Betrieb. Sechs neue Reaktoren mit einer Gesamtleistung von 5,2 GWel gingen ans Netz und es wurden acht Reaktoren mit einer Gesamtleistung von 8,7 GWel abgeschaltet. Gleichzeitig wurde mit dem Bau von zehn Reaktoren mit einer Gesamtleistung von 8,8 GWel neu begonnen. Es befanden sich 56 Reaktoren mit einer Gesamtleistung von 58,1 GWel 2021 im Bau. Die Stromproduktion der Kernkraftwerke wuchs gegenüber 2020 um 4 Prozent auf 2653 TWh.
Das ist immerhin die 4,5-fache Menge der Gesamtproduktion von Deutschland, das heißt das „Vorangehen beim Atomausstieg“ spielt sich offensichtlich nur in den Köpfen deutscher „Ökos“ ab. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, dass die drei größten Produzenten USA (771,6 TWh), China (383,2 TWh) und Frankreich (363,4 TWh) bezüglich des Kernenergieanteils an der Stromproduktion nur den 15. (19,6 Prozent), den 25. (5 Prozent) beziehungsweise den ersten Platz (69 Prozent) eingenommen haben. Man sieht daran ganz deutlich, wo das Ausbaupotential in der nahen Zukunft für diese Industrie liegen wird: Die Musik wird weiterhin in den USA und China spielen. Durch die eigenen Binnenmärkte werden sie auch den Weltmarkt dominieren. Demgegenüber hat sich Europa ideologische Fesseln verpasst und Russland zerstört sich gerade selbst.
Entwicklung in den vergangenen Dekaden
In den letzten 30 Jahren ist der Anteil der fossilen an der Endenergie von etwa 74 Prozent auf 66 Prozent gesunken. Der Anteil von Öl (40 Prozent) und Erdgas (15 Prozent) ist bemerkenswert stabil geblieben. Einzig der Stromverbrauch ist um neun Prozentpunkte angewachsen. Ein Zeichen, dass die Industrialisierung durch Elektrifizierung weiter voranschreitet. Dieser Trend wird sich in der Zukunft eher noch beschleunigen.
Es ist daher wichtig, einen Blick auf die Stromproduktion zu werfen. Über 60 Prozent der elektrischen Energie stammen immer noch aus fossilen Energieträgern. Kohle hat daran nach wie vor mit rund 40 Prozent den größten Anteil. Der Anteil von Öl ist drastisch von etwa 20 Prozent auf nur noch 2 Prozent gesunken. Es ist vor allem durch (billiges) Erdgas verdrängt worden, dessen Anteil um neun Prozentpunkte gestiegen ist. Wasserkraft – als größte „Erneuerbare“ – hat noch einen Anteil von 16 Prozent, ist aber um vier Prozentpunkte gesunken. Ein sicheres Zeichen dafür, dass die natürlichen Quellen erschöpft sind.
Es gibt schlicht keine geeigneten Flüsse mehr und die Umweltschäden werden immer größer. Der Anteil von Wind und Sonne ist durch massive Subventionen von unter 1 Prozent im Jahr 1980 auf etwa 9 Prozent im Jahr 2021 gestiegen. Zumindest für Windenergie sind langsam die wirtschaftlichen und technischen (Netzstabilität) Grenzen erreicht. Deren Anteil wird sich in den kommenden Dekaden eher wieder verringern müssen. Außerdem wird ja auch noch von „Grünem Wasserstoff“ als Ersatz für die anderen Endenergieträger (Industrie, Raumheizung, Verkehr und so weiter) geträumt.
Ausblick auf die kommenden Dekaden
Die Studien gehen von einem Anstieg des Endenergieverbrauches um 12 Prozent bis 2030 und um 27 Prozent bis 2050 aus. Das dürfte die „Grünen Khmer“ vom Schlage Trittin/Herrmann nicht sehr freuen. Geht man von der Relation zwischen Weltenergieverbrauch und Deutschland aus, wird daran auch die komplette Deindustrialisierung Deutschlands nicht viel ändern. Der Rest der Welt wird sich nicht zurückentwickeln wollen, sondern gern die Produktion und die Arbeitsplätze und damit den Wohlstand Deutschlands übernehmen.
Der Stromverbrauch wird sich überproportional mit einer Wachstumsrate von geschätzt 2,4 Prozent pro Jahr entwickeln und sich bis 2050 gegenüber heute verdoppeln – „Klimakrise“ hin oder „Klimakrise“ her.
Die Elektrifizierung der Welt als der Wohlstandsschöpfer schlechthin, muss (Bevölkerungswachstum) und wird (streben nach Wohlstand) sich weiter fortsetzen. Die Studien gehen deshalb von einer Steigerung des Anteils an der Endenergie um zehn Prozentpunkte aus. Darin sind so Seltsamkeiten, wie die komplette Umstellung auf E-Mobilität, noch gar nicht enthalten.
In Deutschland als Schrottreaktoren tituliert
Zwei von drei Reaktoren sind seit mehr als dreißig Jahren in Betrieb. Auch diese Studie ging daher von einer baldigen Außerbetriebnahme aus. Die Zeiten können sich jedoch schnell ändern: Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine ist eine sichere Energieversorgung schlagartig in den Mittelpunkt gerückt. Selbst in Deutschland – dem Kernland der „Atomangst“ – wird über eine längere Betriebsdauer plötzlich offen diskutiert. In Belgien hat man buchstäblich die Notbremse gezogen und fast schon abgeschaltete Reaktoren (die in Deutschland als Schrottreaktoren tituliert werden) um zehn Jahre verlängert.
Selbst in Großbritannien will man eigentlich ans (wirtschaftliche) Ende gekommene Reaktoren noch einmal flott machen. Es sind die gestiegenen Strompreise, die alle Wirtschaftlichkeitsrechnungen zu völlig neuen Ergebnissen führen. Dies gilt weltweit, wie das Umdenken in USA, Kanada, Korea und Japan zeigt. Dort will man Laufzeiten verlängern beziehungsweise vorübergehend abgeschaltete Reaktoren (Fukushima) schneller wieder in Betrieb nehmen, um die Nachfrage nach Erdgas zu senken.
In diesem Zusammenhang ist es wichtig, der Propaganda der „Anti-AKW-Gruppen“ und deren Vertretern im Bundestag und in der Bundesregierung entgegenzuwirken: Es gibt bei Kernkraftwerken kein Verfallsdatum. Sie werden ständig überprüft und nicht nur „sicher“ gehalten, sondern sogar modernisiert (Nachrüstung). Dafür sind gewaltige Investitionen erforderlich, die in jedem Einzelfall auf ihre Sinnhaftigkeit überprüft werden müssen. So kosten zum Beispiel die Generalüberholungen der CANDU-Reaktoren mehrere Milliarden US-Dollar. Man erhält dafür eine Flotte neuwertiger Kernkraftwerke, die für mehrere Jahrzehnte weiter ihren Dienst verrichten können. Es gibt keine technische, sondern nur eine wirtschaftliche Lebensdauer.
Sie ist dann erreicht, wenn laufende Reparaturen oder Kosten für Nachrüstungen die Kosten eines Neubaus überschreiten. Dabei muss ein Energieversorger alle möglichen Technologien und das Gesamtsystem im Blick behalten. Vor einigen Jahren glaubte man in den USA, dass Gaskraftwerke wegen der geringen Investitionen sinnvoller seien. Ein gewaltiger Irrtum, wie die hohen Betriebskosten durch stark gestiegene Erdgaspreise heute zeigen. Erdgas war nur deshalb in den USA so billig, weil man technisch noch nicht in der Lage war (Bau von LNG-Anlagen), das Gas zu Weltmarktpreisen zu verkaufen. Das süße Gift der Subventionen führte zu immer mehr Windkraftanlagen und Photovoltaik. Die Nebenkosten (zum Beispiel Netzausbau) und die Backup-Kosten (Dunkelflaute) ließen die Strompreise stark ansteigen. Hinzu kamen auch noch politische Maßnahmen („Klimaschutz“). All das wird Länder ohne eigene „billige“ fossile Vorkommen – wie zum Beispiel Deutschland – noch viel brutaler treffen.
In „höchster Erdgasnot“ drei Kernkraftwerke abschalten
In der Folge der 1970er Ölkrise wurden 40 Prozent der Reaktoren gebaut, die heute noch in Betrieb sind. Der Überfall auf die Ukraine könnte ähnliche Reaktionen auslösen: Angst vor Erpressung und stark gestiegene Energiepreise. Die Erdgaspreise werden erst – wie damals die Ölpreise – wieder merklich sinken, wenn das Angebot deutlich erhöht wird. Eine sinkende Nachfrage durch eine weltweite Rezession wird nicht so durchschlagen, da Erdgas vornehmlich im Wärmemarkt eingesetzt wird. Russland hat sich für Jahrzehnte selbst aus dem Weltmarkt katapultiert. Kein Land wird sich jemals wieder so abhängig machen wie Deutschland.
Bis Russland die alten Mengen wieder liefern kann, muss es erstmal eine vergleichbare LNG-Struktur wie die USA oder Australien aufbauen. Dafür fehlt es ihm aber an der Technologie und vor allem am Kapital. Die jetzige Situation, dass die anderen Produzenten den Ausfall in Europa decken müssen, wird somit schon aus technischen Gründen länger anhalten. Das Modell der wetterabhängigen Stromversorgung mit billigen Erdgaskraftwerken als Backup ist damit mausetot. Aus diesem Grund ist mit anhaltend hohen Strompreisen in Europa zu rechnen.
Ab jetzt wird gnadenlos der Deckel für „Die-Sonne-schickt-keine-Rechnung“ präsentiert. Will man auch noch das Narrativ von der „menschengemachten Erderwärmung“ aufrecht erhalten, bleibt der Fluchtweg in die Kohle versperrt. Wer mehr Windenergie und Photovoltaik fordert, löscht mit Benzin. Wer von „Grünem Wasserstoff“ als Speicher und „Wasserstoff-ready-Turbinen“ für die Dunkelflauten schwadroniert, wirft noch eine Stange Dynamit zusätzlich ins Feuer.
Völlig irrsinnig ist es aber, wenn man in „höchster Erdgasnot“ auch noch drei Kernkraftwerke (Emsland, Isar 2, Neckarwestheim 2) abschaltet. Sie haben zusammen eine elektrische Nettoleistung von 4049 MW. Dies ist ein dauerhafter Schritt, bei dem nur der Ersatz durch teures Erdgas möglich ist, da man ja auch so schnell wie möglich aus der Kohle aussteigen will. Dafür wird man zukünftig jede Stunde mindestens 738.000 Kubikmeter Gas zusätzlich aus LNG verfeuern müssen.
Dies ist noch konservativ gerechnet, weil hier angenommen wurde, dass Grundlast durch Grundlast (Gas und Dampf Kombikraftwerk) ersetzt wird. Will man nur die Dunkelflauten überbrücken – was ja das erklärte Ziel unserer Regierung ist – ist man sehr schnell bei deutlich über eine Million Kubikmeter Erdgas in jeder Betriebsstunde. Will man Wasserstoff einsetzen, ergibt das etwa 2,5 Millionen Kubikmeter in der Grundlast beziehungsweise weit über 4 Millionen Kubikmeter Wasserstoff in jeder Stunde Lastfolgebetrieb. Noch Fragen, Herr Habeck?
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Nuke-Klaus.
Aktueller Hinweis:
Mit der Petition „Stuttgarter Erklärung“ vom 25. Juli 2022 fordern 19 erstunterzeichnende aktive Professoren deutscher Universitäten, vor dem Hintergrund der sich verschärfenden Energiekrise sowie der vom IPCC und der EU als CO2-arm und nachhaltig eingestuften Kernenergie, die sofortige Aufhebung der Atomausstiegs-Paragraphen (Insbesondere § 7 Atomgesetz) und eine Prüfung der sicherheitstechnischen Betriebserlaubnis, um deutschen Kernkraftwerken den Weiterbetrieb zu ermöglichen.
Bis zum 14. Oktober müssen 50.000 Unterschriften zusammenkommen, damit sich der Petitionsausschuss des Bundestages damit befasst. Die Petition kann online unter diesem Link unterzeichnet werden (Petition 136760 „Stuttgarter Erklärung“).