Cora Stephan / 11.02.2021 / 10:00 / Foto: Pixabay / 68 / Seite ausdrucken

Die Stimme der Provinz: Die bedrohten Bauern

Bauern sind längst eine bedrohte Minderheit. Das war mal anders, einst war die Bauernschaft wahlentscheidend und musste bei Laune gehalten werden. Das lohnt sich heute für Politiker nicht mehr.

Im Jahr 1900 ernährte ein Landwirt vielleicht vier, 1980 schon 47 und heute um die 135 Menschen. Dazu braucht es nur noch 266.600 Betriebe mit knapp 600.000 Beschäftigten. 1949 fanden achtmal mehr Menschen Beschäftigung in der Landwirtschaft (siehe hier). Auf den Feldern sieht man schon lange keine kräftigen Landmänner mehr beim Mähen mit der Sense – oder adrette Landfrauen beim Heuen oder Aufstellen der Getreidegarben. Das Geräusch, mit dem Sense und Sichel geschärft, also gedengelt wurden, dürfte ausgestorben sein. Bloß nicht nostalgisch werden: Keiner meiner Nachbarn sehnt sich nach diesen Zeiten zurück.

Heute dampfen zur Erntezeit gigantische Maschinen Tag und Nacht (bei Flutlicht) über die Äcker und durchs Dorf. Ich gestehe heftige Bewunderung für diese von meinem Nachbarn schon mal liebevoll gestreichelten und geputzten Kolosse. Doch auch schlichtere Maschinen hält man hier heilig: Ohne Traktoren kein Landleben, bei uns pröttelt ein ziemlich alter Lanz Bulldog (Einzylinder-Zweitakt-Glühkopfmotor) über die Straße, die Dinger halten lange und viel aus.

Politiker verschärfen die Agrarkrise

Für Hauptstädter: Man kann die bunte Vielfalt modernster Traktoren neuerdings fußläufig bewundern, bei einer der mittlerweile häufigen Demonstrationen aufgebrachter Landwirte. Noch nicht mitbekommen, dass es die gibt? Derzeit stehen welche vor dem Brandenburger Tor. Man kann sie kennenlernen – und man wird feststellen, dass unter ihnen überaus kompetente Spezialisten tätig sind, die garantiert von Tier- und Pflanzenschutz mehr verstehen als Renate Künast von den Grünen oder auch Landwirtschaftsministerin Klöckner. Aber so richtig Medienöffentlichkeit haben sie nicht – höchstens dann, wenn ein woker Journalist glaubt, bei einem der Traktorfahrer „Völkisches“ entdeckt zu haben, etwa Fahnen mit dem Landvolk-Symbol.

Die Landvolk-Bewegung Ende der 1920er Jahre war in der Tat reichlich radikal, weshalb Julia Klöckner prompt meint warnen zu müssen „vor den Geistern, die ich rief“. Der Kampf gegen Rechts kommt nun mal an erster Stelle und lenkt praktischerweise ab vom Anliegen der Bauern, von denen viele im Zweifelsfall gar nicht so genau wissen, was das Landvolk damals so dachte. Im Zweifelsfall weiß auch die Ministerin nicht, dass sich die Bewegung damals einer sich seit 1927 extrem verschärfenden Agrarkrise verdankte.

Eine Agrarkrise haben wir auch heute – und einige Politiker bemühen sich, diese Krise noch zu verschärfen. Besonders hilfreich betätigt sich hierbei Renate Künast, die als Grund für die Corona-„Pandemie“ „die falsche Art & Weise“ ausdeutete, „wie wir unsere Nahrungsmittel produzieren, Landwirtschaft betreiben und dabei mit unserer Umwelt umgehen.“ Und prompt folgt die Funktionalisierung der Coronakrise, die man nun nutzen müsse, „um endlich die Ernährungswende auf den Weg zu bringen.“ Wofür so ein Virus alles herhalten muss!

Am besten noch mit dem Pferd pflügen

Nun, man könnte Frau Künast beruhigen: die Ernährungswende ist längst unterwegs. Da die deutschen Bauern bei woken Städtern als Tierquäler gelten, weichen die, sofern nicht schon vegan, auf importiertes Rind aus, über dessen Vorleben sie nichts wissen, auch nicht, ob das Biogemüse womöglich ein Massenprodukt aus China ist. Egal, wie sehr man die Trommel für nachhaltig, gesund und regional rührt: Der deutsche Kunde geht noch immer nach dem Preis, und die ausländische Konkurrenz ist meist billiger.

Klar, die deutschen Bauern vor ausländischer Konkurrenz zu schützen, wäre natürlich nationalistisch! Man muss ja nicht gleich an die Hungersnot in und nach dem Ersten Weltkrieg dank Handelsblockade denken, um auf die Idee zu kommen, dass es nicht gut ist, sich allzusehr vom Weltmarkt abhängig zu machen. Zumal dort durchaus andere Verhältnisse herrschen als bei uns.

In keinem Land dürfte die Landwirtschaft derartig gegängelt sein wie in Deutschland. Die Bauern sind nicht nur an Corona schuld – nein: Auch das Insektensterben geht auf ihr Konto. So jedenfalls kann man das „Aktionsprogramm Insektenschutz“ verstehen, das vom Bundesumweltministerium unter Svenja Schulze vorgelegt wurde und wogegen sich die derzeitigen Demonstrationen richten. Danach soll Düngung reduziert und auf Pflanzenschutzmittel verzichtet werden. Prima, denkt sich da der Konsument, der sich seine Lebensmittel gen-, gift- und laktosefrei wünscht. Dabei geht es in der Landwirtschaft nicht ohne Schädlingsbekämpfung, die im übrigen längst selektiv und schon aus Kostengründen sparsam eingesetzt wird. Mal boshaft gefragt: sollte man nicht erst einmal die neuerdings überall entstehenden Schottergärten verbieten, die weder Vögeln noch Insekten Nahrung und Schutz bieten?

Bauer Willi, dessen Seite man allen empfehlen kann, die sich dafür interessieren, wer unsere Lebensmittel wie herstellt, platzte jüngst der Kragen:

„Du, lieber Verbraucher, willst doch nur noch eines: billig. Und dann auch noch Ansprüche stellen! Deine Lebensmittel sollen genfrei, glutenfrei, lactosefrei, cholesterinfrei, kalorienarm (oder doch besser kalorienfrei?) sein, möglichst nicht gedüngt und wenn, dann organisch. Aber stinken soll es auch nicht, und wenn organisch gedüngt wird, jedenfalls nicht bei dir. Gespritzt werden darf es natürlich nicht, muss aber top aussehen, ohne Flecken. Sind doch kleine Macken dran, lässt du es liegen. Die Landschaft soll aus vielen kleinen Parzellen bestehen, mit bunten Blumen und Schmetterlingen. Am liebsten wäre es Dir wahrscheinlich, wenn wir noch mit dem Pferd pflügen würden. Sieht doch so nett aus und Pferde findest du so süß!“

Genau. Wozu brauchen wir noch Bauern, wenn die Radieschen aus biodynamischem Urban Gardening stammen und jeder woke Städter sein Legehuhn auf dem Balkon hält? Sollen sie doch Mais anbauen, die Bauern, für erneuerbare Energie. Mais ist allerdings so ziemlich das Schädlichste für Acker und Insekten. Da wollen wir jetzt aber keinen Zusammenhang herstellen, oder?

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Leserpost

netiquette:

bernd weber / 11.02.2021

@bernd Kaiser: auch wenn er sich noch so sehr bemüht, er wird nichts finden - kein Landwirt wählt die AfD !

b. stein / 11.02.2021

wie stand letzte Woche so treffend auf einem an einem Traktor angebrachten Plakat: sie säen nicht, sie pflegen nicht, sie düngen nicht, sie ernten nicht - ABER SIE WISSEN ALLES BESSER!? Darunter die Konterfeis von Svenja Schulze und Anton Hofreiter.

Anton Weigl / 11.02.2021

Ich glaube jetzt nicht, daß die Grünen uns Bauern in Zukunft mit den Pferden ackern lassen. Vor zwei Jahren wurde in einer bayrischen Kleinstadt das Ponyreiten von Kindern auf dem Volksfest verboten. Wegen Tierquälerei angeblich auf Antrag einer Grünen. Ich denke, daß wir dann die Plüge selber ziehen müssen.

Martin Wogenstein / 11.02.2021

Auch meine Beobachtung / Erfahrung , sehr geehrte Frau Karola@Sunck !

Dr, Mephisto von Rehmstack / 11.02.2021

Es sei daran erinnert, daß Frau Künast die Ursache des Insektensterbens ist: sie war es, die die Maismonokulturen für die Biomasse entdeckte und die Bauern als die zukünftige Energiescheichs pries. Auch die Verwendung von Lebensmitteln und Bioprodukten als Treibstoffzusätze sind Grüne Ideen.

Kostas Aslanidis / 11.02.2021

Mit solchen Alibidemonstrationen wird das nichts. Nicht mal eine Beachtung bekommt man. Seit Jahren blockieren die griechischen Bauern, Hauptverkehrsadern, blockieren Grenzuebergaenge, manchmal monatelang. Die Autofahrer schimpfen, die Unternehmen machen Vetluste, da Grenzen geschlossem sind. Der Druck auf Politiker waechst. Dann wird verhandelt. Einige Forderungen werden errungen. Nur so. In Frankreich, Spanien agieren die Bauern auch knallhart.

Gido von Bertholdstein / 11.02.2021

Ich fahre gern zur Erntezeit in das schöne Oderbruch um mich an Mähfahrzeugen, den Traktoren und am Staub in der Mittagssonne zu erfreuen. Wunderbare Tage in Erinnerung an die Kindheit. Anderseits braucht es nur wache Augen, um zu sehen, was die Mähfahrzeuge und Erntevollmaschinen in Rekordzeit an Kleintieren und Insekten mit “verarbeiten”. Zwei Mal im Jahr wird ein Feld mindestens rasiert. Das bedeutet, jedes Mal einen Totalverlust an sämtlichen Leben das sich im Feld, auf den Ähren, den Stängeln und am Boden befindet. Keine Art kann da mit ihrer Regeneration mithalten. Selbst ganz ohne Vernichtungswaffen aus der Chemiefabrik, haben Käfer und Co gegen einen 50 km/h fahrenden Erntevollautomaten keine Chance. Früher gab es wenigstens noch Brachflächen und Magerböden die nicht bestellt wurden. Heute wächst auf jedem qm Mais für die Biospritlobby. Leider fällt mir auch keine Lösung ein, Schade.

Willi Meier / 11.02.2021

Die klugen Städter, vor allem die von den schreibenden und regierenden Zünften haben wirklich keine Ahnung und halten sich dennoch für weise und im Besitz der absoluten Wahrheit. Ihnen allen ist dringend zu empfehlen, sich mal mit Bauern oder Landwirten über das wahre Leben zu unterhalten. Schon wegen der Verständigungsschwierigkeiten würde das wahrscheinlich gar nicht gehen. Ich könnte schon mitreden: ich bin auf dem Dorfe aufgewachsen und mein Bruder war 70 Jahre Bauer und ist immer noch mit Leidenschaft für Feld und Vieh.

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