Pieter Cleppe, Gastautor / 13.04.2023 / 12:00 / Foto: Kuhlmann/MSC / 19 / Seite ausdrucken

Die EU verprellt ihren nächsten Handelspartner

Die „BRICS“-Staaten gewinnen an Einfluss und planen einen asiatischen Währungsfonds. Treibende Kraft ist Malaysia, eine gute Handelsalternative zu China und Russland. Doch die EU verprellt das Land mit bürokratischer Schikane.

Kürzlich reagierte China positiv auf einen Vorschlag des malaysischen Premierministers Anwar Ibrahim, einen asiatischen Währungsfonds als Alternative zum Internationalen Währungsfonds (IWF) zu gründen und die Abhängigkeit vom US-Dollar zu verringern. Die Idee ist Jahrzehnte alt, aber sie wird von denjenigen aufgegriffen, die behaupten, dass die Rolle des US-Dollars als globale Reservewährung gezählt ist.

Weil der US-Dollar international so akzeptiert ist, kann die US-Regierung mit viel verschwenderischeren Ausgaben davonkommen als jede andere Regierung, da ihre Zentralbank, die Federal Reserve, in der Lage ist, bei der Monetarisierung der US-Schulden viel weiter zu gehen – tatsächlich Geld zu drucken – als jede andere Zentralbank. Seit 50 Jahren wird behauptet, dass die Vereinigten Staaten dieses so genannte exorbitante Privileg verlieren könnten, aber bisher ist das nicht geschehen.

Die Argumente und Erklärungen, warum dies der Fall ist, reichen von der Zusage der USA, die saudische herrschende Klasse militärisch zu schützen – die „Petrodollar“-Theorie – über den Status der USA als energieunabhängige Nation bis hin zu der Tatsache, dass sie nach wie vor führend in der Entwicklung von Spitzentechnologie sind, da sie beispielsweise im Jahr 2022 dreimal so viele neu gegründete KI-Unternehmen zählten wie China.

Dennoch müssen auch diejenigen, die den US-Dollar am rosigsten einschätzen, zugeben, dass sich die Dinge ändern. Eine Reihe jüngster Abkommen veranschaulicht dies. In diesem Jahr haben sich Brasilien und China darauf geeinigt, alle künftigen Handelsgeschäfte in ihren eigenen Währungen abzuwickeln, indische Kunden zahlen seit kurzem für das meiste russische Öl in Nicht-Dollar-Währungen, und Saudi-Arabien hat seine Beziehungen zu China intensiviert, indem es „Dialogpartner“ in der von China kontrollierten „Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit“ wurde und sich zu einem massiven Investitionsprojekt in der Chemie- und Rohstoffbranche in China verpflichtete. Hinzu kommt natürlich die Schlüsselrolle Chinas bei der Wiederherstellung der diplomatischen Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran.

Sanktionen könnten US-Einfluss schmälern

Das alles geht über die „BRICS“ hinaus. Ende März gab der französische Ölgigant Total Energies bekannt, dass er seinen ersten Kauf von Flüssigerdgas (LNG) von der chinesischen Ölgesellschaft CNOOC abgeschlossen hat und dabei den chinesischen Yuan als Währung verwendet.

In einem neuen Buch mit dem Titel „Backfire“ erörtert Agathe Demarais, die für die Economist Intelligence Unit arbeitet, wie das politische Instrument der Sanktionen eine ganze Reihe unbeabsichtigter Nebenwirkungen hat, die letztlich den Einfluss der USA schmälern könnten. Und das, obwohl die Regime alle möglichen innovativen Techniken anwenden, um solche Sanktionen zu umgehen.

Der Palmöl-Vorwand

Für den Westen ist es besonders beunruhigend, Malaysia als treibende Kraft hinter dem Asiatischen Währungsfonds zu sehen. Im Zeitalter der „Entkopplung“, in dem die westlichen Länder und ihre Verbündeten versuchen, eine übermäßige Abhängigkeit von China und Russland zu vermeiden, wenn es um „strategische“ Fragen geht – ein Begriff, der schwer zu definieren und leicht zu missbrauchen ist –, könnte Südostasien, eine Region mit enormen Wachstumsperspektiven, jeden Rückgang des Handels mit China und Russland ausgleichen.

Andererseits scheinen die Spannungen zwischen Südostasien und der Europäischen Union zuzunehmen. Im Mittelpunkt steht dabei ein Streit über Palmöl, ein wichtiges Exportgut für Volkswirtschaften wie Malaysia und Indonesien. Die immer strengeren EU-Anforderungen, die häufig mit Bedenken hinsichtlich der Abholzung von Wäldern zusammenhängen, verärgern die südostasiatischen Exportmächte, so dass der indonesische Präsident Jokowi die EU auf dem EU-ASEAN-Gipfel im vergangenen Jahr offen warnte, sie solle nicht versuchen, dem regionalen Handelsblock ASEAN ihre Standards vorzuschreiben (Achgut berichtete).

Besonders frustriert ist man in Malaysia und Indonesien darüber, dass die EU die unbestreitbaren Fortschritte, die dort bei der Reduzierung der Abholzung von Wäldern während der Palmölproduktion erzielt wurden, schlichtweg ignoriert und stattdessen immer mehr Bürokratie für Palmöl-Exporte auferlegt. Gerüchten zufolge geht es dabei in Wirklichkeit um den Schutz alternativer Ölsaaten, die eher in Europa produziert werden, auch wenn diese Alternativen eigentlich eine größere Belastung für die Umwelt darstellen als Palmöl.

Territoriale Streitigkeiten mit europäischen Bezug

Ein viel beachteter Rechtsstreit im Wert von 14,9 Milliarden Dollar bestimmt derzeit die Aussichten für die Beziehungen zwischen Malaysia und Europa. Die Tatsache, dass er in den europäischen Medien relativ wenig Beachtung gefunden hat, ist wahrscheinlich ein Hinweis darauf, wie sehr sich die europäischen Entscheidungsträger darum kümmern.

Im Februar 2022 verurteilte ein französisches Gericht Malaysia zur Zahlung von 14,9 Milliarden Dollar an die Erben des letzten Sultans von Sulu, das zu der rohstoffreichen malaysischen Provinz Sabah gehört. Grundlage hierfür ist eine Vereinbarung aus der Kolonialzeit, in der sich eine britische Handelsgesellschaft bereit erklärte, dem Sultan von Sulu, der damals als Souverän über das Gebiet galt, eine Entschädigung zu zahlen. Nach der Unabhängigkeit Malaysias hielt sich der neu gegründete Staat stets an die Zusagen der Briten und zahlte den Erben eine jährliche Entschädigung von 5.300 Dollar, bis 2013 eine Gruppe, die sich als die Erben ausgab, von den Philippinen aus bewaffnet einfiel

Die Tatsache, dass Politiker auf den Philippinen weiterhin historische Ansprüche auf Sabah erheben, macht die Angelegenheit noch heikler. Da eine Gruppe, die behauptet, die Erben zu vertreten, nun vor Gericht zieht, um ihren Willen durchzusetzen, waren europäische Gerichte gezwungen, Urteile in dieser Angelegenheit zu fällen. Nach der Entscheidung des französischen Schiedsgerichts waren malaysische Politiker schockiert über die Bemühungen, Bankkonten zweier Tochtergesellschaften der staatlichen malaysischen Ölgesellschaft Petronas in Luxemburg zu beschlagnahmen. Ein französisches Gericht setzte zwar die Vollstreckung des Schiedsspruchs bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens aus, doch der Versuch der Beschlagnahme zeigt, wie viel auf dem Spiel steht.

Befreundete Handelspartner verprellen

Der ganze Streit ist von vielen Fragezeichen umgeben. Zunächst einmal stellt sich die Frage, ob es sich bei den Klägern um die echten Erben des Sulu-Sultans handelt. Außerdem ist nicht ganz klar, wer die juristische Kampagne finanziert. Die Financial Times zitiert „mehrere Personen, die dem Fall nahe stehen“, dass der in London ansässige Investor Therium die angeblichen Erben finanziert, die auf den Philippinen leben und nicht wohlhabend sind.

Hinzu kommt, dass das Oberste Gericht in Madrid ein Verfahren annulliert hat, das vom Schiedsrichter Gonzalo Stampa geleitet wurde, der den Fall dann nach Paris verlegte, wo ein Urteil gegen Malaysia gefällt wurde. Schiedsverfahren können verlegt werden, aber nur, wenn sie „übermäßig schwierig“ werden. Bezeichnend für den Verlauf dieses Falles ist, dass die malaysische Regierung nun ein Strafverfahren gegen Stampa eingeleitet hat. Um die Sache noch komplizierter zu machen, gibt es historische Aufzeichnungen, die zeigen, dass das Land nie dem Sultan von Sulu, sondern dem Sultan von Brunei gehörte.

Alles in allem ist es wahrscheinlich nicht übertrieben, von einem Hornissennest zu sprechen. Was auch immer man davon halten mag, es trägt zu den Herausforderungen zwischen Malaysia und Westeuropa bei, die die Beziehungen der EU zu den ASEAN-Staaten ernsthaft untergraben könnten, und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, an dem die EU versucht, den Handel und die diplomatischen Beziehungen mit der Region zu vertiefen. Das alles ist natürlich sehr komplex, aber die europäischen Regierungen dürfen die Sorgen in der Region nicht übersehen. Im Zeitalter der Entkopplung ist es einfach keine gute Idee, befreundete Handelspartner zu verprellen.

Foto: Kuhlmann/MSC CC BY 3.0 de via Wikimedia Commons

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Steffen Huebner / 13.04.2023

Frankreich ist nun der erste europäische Staat, der kapituliert: Frankreich bezahlt in chinesischen Yuan 65.000 Tonnen Flüssigerdgas. Nicht Dollar, nicht Euro, sondern Yuan, wie Xi Jinping es forderte, wie Putin schon bei früheren BRICS-Treffen forderte: Kein Dollar mehr bei Finanztransaktionen innerhalb der BRICS, Abrechnung in nationalen Währungen, wem das nicht gefällt, der soll sich woanders umsehen!

Hermann Sattler / 13.04.2023

Die Sanktionen gegen R., - Weigerung, bereits Vertrags gemäß gelieferte Energie sofort und korrekt zu bezahlen, hat insbesonders D auf das Niveau einer Betrüger Firma fallen lassen. Kein versierter Kfm. würde einem solchen “Kunden” auch nur Klo-Papier liefern, es sei denn, gegen Vorkasse und zu entsprechenden Konditionen. So verspielt man sein internationales Image. China, R, Indien, VAR u.a. halten Billionen von $-Aktien/Wertpapieren, Cash in ihren Tresoren. Bereits jetzt sind Abriebe deutlich sichtbar. Diese $-Werte, Gold u. Diamanten massiv in einem Überraschungscoup auf die unabhängigen Weltmärkte geworfen, könnte den USA-$ Abwärts-Trend sicher extrem beschleunigen. Wer profitiert in erster Linie von den Auswirkungen der R- Sanktionen? Unstreitbar die Atlanter. Wer wird von ihnen vernichtend getroffen? In der Hauptsache Deutschland!  Damit schalten die Yankees gezielt und vorsätzlich die Wirtschaft hier als Konkurrent aus und zwingen D in die atlantische teure Energie-Abhängigkeit. Passend dazu die verbrecherische Sprengung der NStr.2 .- Die USA als “teure” Freunde, fürwahr. Den ergänzenden Satz spare ich mir. Befeuernd unterstützt von einer hiesigen politischen Mischpoke, jenseits kfm. Könnens und Wissens. Einem Narrativ untertan, das nur in den Abgrund führen kann.

RMPetersen / 13.04.2023

Wer als Europäer eine oder zehn Millionen € sicher unterbringen will, wird er sie auf einer US-Bank in USD oder in auf einer chinesichen Bank einzahlen? Eben. Der Yuan mag einen grösseren Anteil im Aussenhandel bekommen, aber weil man immer damit rechnen muss, daß die chinesische Regierung von heute auf morgen den Zugang stoppt und Devisenkontrollen einführt, ist das kein sicherer Hafen. Ja, die USA blockieren auch Gelder von Bürgern und Staaten, mit denen sie im Konflikt sind. Das macht leider sogar die Schweiz. Da hilft nur diversifizieren und irgendwo Gold bunkern. (Innovative Vorschläge sind willkommen Ich frage für einen Freund.)

S.Buch / 13.04.2023

Der Westen, besser dessen Elite, lebt noch in der Vorstellung, er könnte dem Rest der Welt seine Regeln (= regelbasierte Ordnung) oktroyieren. Dazu fällt mir das Stichwort „Realitätsleugnung“ ein, denn diese Zeit ist vorbei. Wobei ich meiner eigenen VT nicht ganz abschwören kann, dass es sich um ein abgekartetes Spiel handelt, um den Westen schneller anzugleichen - nach unten, versteht sich.

Bärbel Witzel / 13.04.2023

@Gunther Laudahn Im Oktober 1995 hielt Margaret Thatcher eine Rede in Colorado Springs. Sie sagte u. a. “Ihr habt nicht Deutschland an ein vereintes Europa gekettet; ihr habt Europa an ein wiedererstarktes, erneut dominierendes vereinigtes Deutschland gekettet. Am Ende, meine Freunde, werdet ihr sehen, dass es nicht funktioniert.”

Ralf Pöhling / 13.04.2023

Da ist offensichtlich etwas im Gange. Hmmm…

D. Schmidt / 13.04.2023

Wenn man unfähige Politiker wie bei uns zur EU abschiebt (wegbefördert) braucht man sich nicht wundern wenn die dort auch nichts Zustande bringen. Dieses künstliche Europa Gebilde wird eines Tages sowas von auseinander fallen. Spätestens wenn Deutschland sowieso zusammenbricht. Aber es interessiert das doofe Fussvolk alles irgendwie nicht. Kein Wunder warum es so kommt wie es kommt. Danach wirds aber verdammt ungemütlich. Bereiten wir uns mal vor.

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