Wolfgang Meins / 06.04.2020 / 06:26 / Foto: Pixabay / 58 / Seite ausdrucken

Der Hanau-Attentäter, die Psychiatrie und das Schweigen

Wunder gibt es bekanntlich immer wieder, aber eben doch sehr selten. In weiser Voraussicht titelte achgut.com deshalb in seiner Berichterstattung über das Attentat und den Attentäter von Hanaus auch zurückhaltend: „Bestätigt BKA das Offensichtliche?“ Und, siehe da: Das BKA bestätigt das inzwischen nicht mehr. Es passt also wieder kein Blatt Papier zwischen BKA und Generalbundesanwalt (GBA) bei der Einschätzung des Hanau-Attentats. 

Entschuldigend könnte natürlich darauf hingewiesen werden, dass die beiden hier vorzugsweise handelnden Personen – GBA Dr. Peter Frank und BKA-Präsident Holger Münch – nicht unabhängig wie zum Beispiel Richter sind, sondern jeweils an die Weisungen des für sie zuständigen Ministers oder seiner Vertreter gebunden. Davon wird sicherlich auch Gebrauch gemacht worden sein. Aber der von GBA und BKA in der Hanau-Sache gefahrene Instrumentalisierungskurs konnte nur erfolgreich durchgezogen werden in einer solch uniformen, geradezu gleichgeschaltet wirkenden Medienlandschaft wie der deutschen. Diese Medien wiederum konnten ihre Agitprop-Inszenierung nicht zuletzt auch deshalb durchhalten, weil die Psychiatrie bis heute in dieser Sache unter einer mittlerweile chronifizierten Sprech- und Schreibhemmung leidet. 

Weder hat die zuständige Fachgesellschaft Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) mit ihren über 10.000 Ärzten und Wissenschaftlern sich zu Wort gemeldet noch einzelne Kollegen – von einer rühmlichen Ausnahme fünf Wochen nach der Tat einmal abgesehen. Es herrscht vielmehr das große Schweigen. Das gilt auch für die chronisch linkslastige Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie (DGPS), auch wenn die sich nach Eigendarstellung besonders für die Interessen der schwer chronisch psychisch erkrankten Menschen einsetzt. Vielleicht glaubt man in diesen Gesellschaften gar, mit dem Beschweigen der Hanau-Sache die psychisch Kranken aus dem Focus öffentlicher Empörung heraushalten zu können. Lügen dieser Art fallen einem aber irgendwann auf die Füße. 

Positiv bliebe allenfalls zu vermerken, dass sich, zumindest bisher, auch niemand dafür hergegeben hat, die Einschätzungen von Medien, GBA oder BKA fachlich zu unterfüttern. Der Grund dafür ist klar: Es gibt selbst unter den eigentlich durchaus diskussionsfreudigen psychiatrischen Fachkollegen dazu im Kern keine zwei fachlich zu begründenden Meinungen. Dazu passt, dass auch nach der Meldung über das Abweichlertum des BKA die Medien keinen Psychiater zur näheren Erklärung hinzugezogen haben, sondern, völlig abwegig, einen Soziologen. Aber bei dem wusste man praktischerweise im Voraus genau, was er antworten wird. 

Warum wird geschwiegen?

Bleibt abschließend noch zu klären, welche Motive diesem psychiatrischen Schweigekartell zum Thema Hanau zugrunde liegen mögen. Der Einzige, der sich bisher – mit einem kurzen Fachartikel – zu Wort gemeldet hat, ist der forensische Psychiater Professor Hans-Ludwig Kröber. Dass er bereits emeritiert ist, dürfte hier die grobe Richtung weisen. Müssten denn die Kollegen im Falle einer öffentlichen kritischen Äußerung etwa ernsthafte Repressalien ihres Arbeitgebers fürchten? Nein, glaube ich nicht. Weder drohen Kündigung noch Gehaltskürzung, von drastischeren Maßnahmen ganz zu schweigen.

Nicht sicher auszuschließen wäre im Falle des DGPPN-Präsidenten Professor Andreas Heinz – im Hauptberuf Klinikdirektor an der Charité – vielleicht ein gewisser Unwille des SPD-Wissenschafts- und Forschungssenators, künftig seine Budgetforderungen mit besonderem Wohlwollen zu prüfen. Ob eine fachlich-kritische Stellungnahme reichen würde, ins Fadenkreuz der Antifa zu geraten, möchte ich trotz des Risikowohnsitzes Berlin eher verneinen. Ebenfalls halte ich es für sehr unwahrscheinlich, dass Gerichte solche Psychiater, die sich kritisch in der Hanau-Sache äußern würden, nicht mehr mit Gutachtenaufträgen versorgen könnten. Allein schon deshalb nicht, weil es viele Aufträge und vergleichsweise wenige qualifizierte Gutachter gibt. 

Also, wo liegt das Problem der geschätzten Kollegen? Entweder man hält es trotz der fachlich nicht tragfähigen Grundlage aus persönlicher politischer Überzeugung schlicht für richtig und geboten, das Hanauer Attentat als Waffe gegen „Rechts“ im Allgemeinen und die AfD im Besonderen zu instrumentalisieren – nach dem Motto: Der Zweck heiligt die Mittel. Oder es ist für das gesellschaftliche Milieu, in dem sich Hochschullehrer und Chefärzte der Psychiatrie ganz überwiegend bewegen, mittlerweile ein absolutes No-Go, irgendetwas öffentlich zu sagen oder zu tun, was – sei es fachlich auch noch so gut begründet – als Wasser auf die Mühlen der „Rechten“ interpretiert werden könnte. Und falls doch, muss man befürchten, nicht mehr richtig dazuzugehören oder – in einem besonders schweren Falle – gar offen sozial geächtet werden zu können. Dass dieser Weg in den Einmeinungsstaat gebahnt wird durch die offenbar bereits endemische Verbreitung von Feigheit und Opportunismus in bestimmten gesellschaftlichen Kreisen, ist dabei das vielleicht traurigste Kapitel. 

 

Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Wolfgang Meins ist Neuropsychologe, Arzt für Psychiatrie und Neurologie und apl. Professor für Psychiatrie. In den letzten Jahren überwiegend tätig als gerichtlicher Sachverständiger im sozial- und zivilrechtlichen Bereich.                  

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Ulla Schneider / 06.04.2020

Sehr geehrter Herr Professor, alle gedanklichlichen Möglichkeiten, die Sie in Erwägung gezogen haben, stimmen. Es geht hier nicht um Fachwissen, sondern um “Parteidiziplin” und um Feigheit.  Die Geschichte der “Seelenwissenschaft”  hat viele Knackpunkte, welche leider bis heute, aus den genannten Gründen, nicht aufgearbeitet wurden. Warum sollten sie da nicht weitermachen wie bisher? Was ich hier besonders schlimm finde und mich empört, ist das Schweigen derer Kollegen, die Mitglied im sog. ETHIKverband sind.  Aber das macht sich ja oben auf dem Briefkopf besonders gut.  Weiter empört mich, dass diese schwere psych. Erkrankung so klein geredet und für politische Zwecke missbraucht wird. Ich empfehle denen, den Huber zu lesen, rauf und runter!  Diese Menschen können, ohne Medikation, im Prinzip am öffentlichen Leben gar nicht teilnehmen und das mit Medikation manchmal auch nur schwer. Ich danke Ihnen für Ihren Mut. Bleiben Sie so “taff"und bleiben sie gesund.

Cornelius Angermann / 06.04.2020

Folgendes ist aus meiner Sicht dazu zu sagen: 1) Der K(r)ampf gegen rechts ist ein wesentlich von der SPD getragenes “Projekt”. Es wurde eingeleitet durch die Abschaffung der Extremismusklausel durch Manuela Schwesig (SPD), die dem staatsfinanzierten Terror der Antifa gegen politische Gegner Tür und Tor öffnete. Überall, wo nicht systemkonforme Haltungen oder Meinungen sanktioniert wurden, war die SPD an vorderster Front. Das war so bei der NSU-Affäre bzgl. des damaligen Innenministers Friedrich CSU (der musste gehen), das war so beim ehemaligen Generalbundesanwalt Harald Range CDU (der musste gehen und verstarb kurze Zeit später “plötzlich und unerwartet”), das war bei Hans-Georg Maaßen so, der die Chemnitz-Lüge nicht mittragen wollte und der Kanzlerin widersprach. Hinter manchem davon war Maas SPD die treibende Kraft. Das alles sind Beispiele der Mao-Strategie “Bestrafe einen, erziehe hundert.” Das werden diese Leute verinnerlicht haben. 2) Feigheit im öffentlichen Dienst ist leider nicht die Ausnahme sondern die Regel. Wie weit diese Feigheit geht, konnte man im Dritten Reich beobachten. Aus dem “Berufsbeamtentum” wagte kaum einer aufzumucken, es wurden die Gesetze brav exekutiert, so grausam sie auch waren. Selbst ein MP Filbinger CDU, seinerzeit Marinerichter, verurteilte noch kurz vor Kriegsende Soldaten zum Tode und sagte später dazu “Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein!”. DAS ist die deutsche Beamtenseele! 3) Ihre Risikoeinschätzung teile ich nicht. Es ist schon ein nicht unerhebliches Risiko, den linken Parteien zu widersprechen. 4) In einer zu 40% von der SPD regierten Medienlandschaft traut sich auch kein Journalist mehr, sich mit einer abweichlerischen Meinung zu exponieren, und sei sie noch so fundiert begründet. Gute nachprüfbare Argumente sind nämlich heutzutage wertlos, sie werden einfach nicht zur Kenntnis genommen. Und wer da einmal in Ungnade gefallen ist, der wird nicht nur kaltgestellt sondern darüber hinaus verfolgt.

Dieter Kief / 06.04.2020

Klar sind die Psychiater Teil ihres Milieus und klar bildet sich da eine Mentalität heraus. Das Groß-Drehbuch, nach dem das alles “gegen Räääächts!” abläuft, hat der Historiker Rolf-Peter Sieferle in “Finis Germania” geschrieben. Ein kleines großes Werk, das uns noch lange beschäftigen wird. Hitler wirkt nach wie vor - auch auf die Psychiatrie. Dass es zugleich einen rechten Hintergrund der Tat von Hanau gibt, ist freilich ebenfalls so klar wie Kloßbrühe. Was das angeht, hat der von ihnen kritisierte Soziologe Qent einfach recht. Wo Quent scheitert, ist der Punkt, dass die Hanauer Tat auch einen linken Hintergrund hat (s. Internationlismus), der ebensowenig zu leugnen wäre. Sodann hat die Hanauer Tat einen medienstrategischen Hintergrund, der sich nicht einfach mit links oder rechts verrechnen lässt, der vielmehr auf Effizienz und Rationalität zielt. - Insofern ist die Hanauer Tat auch ein Reflex einer der besten Ideen des Abendlandes, nämlich der Rationalität selber. Der Fall ist komplex.

armin_ulrich / 06.04.2020

Vor allem stellt sich die Frage, wie man/frau/div bei einem (bequemerweise) Toten eine psychische Erkrankung feststellen kann. Und: was ist mit dem Vater des mutmaßlichen Täters los? Der wurde auch (bequemerweise) weggeschlossen.

armin_ulrich / 06.04.2020

“Entschuldigend könnte natürlich darauf hingewiesen werden, dass die beiden hier vorzugsweise handelnden Personen – GBA Dr. Peter Frank und BKA-Präsident Holger Münch – nicht unabhängig wie zum Beispiel Richter sind” Wie kommt es dann zu diesen Skandalurteilen? Ich denke, die Richter*Innen bekommen Befehle.

Klaus Schmid Dr. / 06.04.2020

Der typische Deutsche ist grenzenlos obrigkeitshörig. Diese Obrigkeitshörigkeit hat zum Adolf-Wahn, zur “Tapferkeit” der Soldaten in den Weltkriegen und jetzt eben zur Merkel-Anbetung geführt. Man gibt sich mit aller Kraft seiner gestellten Aufgabe hin und kümmert sich darüber hinaus nur um seinen eigenen kleinen Mikrokosmos. Kritik nach oben ist tabu. Den meisten Deutschen fehlt eben das Kritik-Gen, vom Revolutions-Gen ganz zu schweigen. Journalisten können da rein statistisch keine Ausnahme sein.

Markus Hahn / 06.04.2020

Das ist doch eine win win Situation für das psychiatrische Establishment wie auch für das antifaschistische Juste milieu: Ein von rechtem Hass getragener, rassistischer Massenmörder ist propagandistisch Gold wert. Als von seiner Psychose gesteuerter Gewalttäter mit wirren (u.a. rassistisch getönten) Wahninhalten wäre er eine echte propagandistische Verschwendung für die Einen und eine Beschädigung des Bildes vom edlen Irren für die Anderen. Dogma: Psychisch Kranke werden nicht häufiger straffällig als psychisch Gesunde (ist die Unterscheidung nicht auch schon arbiträr und diskriminierend?). Dass Psychotiker ein mehrfach höheres Risko haben, Gewalttaten zu begehen (wie sie auch ein mehrfach höres Risiko haben, sich zu suizidieren), weiß jeder, aber man spricht nicht gerne drüber in den aufgeklärten psychiatrischen Kreisen.

Burkhard Mundt / 06.04.2020

Das “System Merkel” funktioniert perfekt. Es hat ja auch Hetzjagden gegeben . ..

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