Ahmet Refii Dener / 23.01.2023 / 14:00 / Foto: Raimond Spekking / 74 / Seite ausdrucken

Der Völkermord an den Jesiden und die falsche Seite

Katrin Göring-Eckardt leitete die Debatte über eine Bundestags-Erklärung zum Völkermord an den Jesiden. Jesidische Zuschauer applaudierten den Rednern. Als auch ein AfD-Abgeordneter Applaus bekam, geriet Katrin Göring-Eckardt außer sich. 

Interessiert sich überhaupt jemand für das Leiden der Jesiden? Ich weiß, das klingt proaktiv, aber so soll es auch sein. Egal was weltweit an Unglücken, Terror, Kriegen und ähnlichem passiert, uns geht es nur dann etwas an, wenn wir die Region greifbar nahe auf dem Radar haben. Bei der Ukraine scheint es der Fall zu sein, aber das Leiden der Jesiden, oder gar die Anerkennung des Völkermordes an diesen, ist bei uns erst bekannt geworden, seitdem viele jesidische Flüchtlinge beziehungsweise Asylanten, in der Mehrzahl Frauen, in Deutschland Unterschlupf suchten und fanden.

Die Terrormiliz IS hatte ab 2014 tausende von Jesiden ermordet. Eine von der Union eingebrachte Resolution wurde am 19. Januar 2023 vom Bundestag einstimmig angenommen. „Der Deutsche Bundestag verneigt sich vor den Opfern der durch den IS begangenen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, heißt es in der Resolution.

Somit gilt mein Beifall dem ganzen Bundestag. Warum ich das besonders erwähne? Frau Katrin Göring-Eckardt, die die Debatte im Bundestag zu leiten versuchte, war außer sich, dass die Besucher auf der Besuchertribüne – augenscheinlich mehrheitlich Jesiden – der Rede von Martin Sichert applaudierten, wie auch den Rednern davor. Frau Göring-Eckardt regte sich deshalb auf, weil Herr Sichert ein Abgeordneter der AfD ist und drohte umgehend damit, dass die Zuschauertribüne geräumt wird, wenn weiter applaudiert wird. Zum Glück sind wir in Deutschland, wo Demokratie noch großgeschrieben wird. Hier darf jeder seine freie Meinung sagen, auch im Parlament, oder gerade da. Es sei denn, es handelt sich um einen AfD-Abgeordneten, dem dürfen andere Abgeordnete nicht applaudieren und die Besucher sowieso nicht.

Kein Gramm echte Anteilnahme

Der Bundestag ist anscheinend kein Ort, wo Ehrlichkeit etwas verloren hat. Schon als Kind fragte ich meine Eltern, wenn im TV die Bundestagsdebatten übertragen wurden, warum nicht alle gemeinsam applaudierten. Die Antwort: „Die sind alle von unterschiedlichen Parteien.“ Die Eltern machten sich nicht die Mühe, mir als Kind noch weitere Details zu erklären, zumal dies auf meiner Seite zu noch mehr Fragen geführt hätte.

Später konnte ich mir die Antwort selbst geben. „Stallorder“ und das ungeschriebene Gesetz, dass man dem Konkurrenten, egal was er sagt, nicht zu applaudieren hat. Auch wenn der Abgeordnete der anderen Partei etwas Richtiges sagt, darfst du es zwar gut finden, aber deine Gefühle, in Form von Applaus, nicht nach außen tragen. Machst du das einige Male, fällst du unangenehm auf in deiner Partei und schnell kann es passieren, dass du parteiintern verwarnt wirst. Das bittere Ende wäre: „Ene, mene, muh und raus bist du!“

So ist fraglich, ob die Anerkennung des Völkermordes an den Jesiden für die Abgeordneten eine tatsächliche Relevanz hat. Glauben Sie nicht, dass da ein Gramm echte Anteilnahme dabei ist, wenn einige so traurig oder ernst dreinschauen bei ihren Reden. Ich entschuldige mich bei denen, die ihre Reden tatsächlich mit Anteilnahme vortrugen, wie zum Beispiel bei Martin Sichert, den ich bis heute nicht kannte und aus den Medien erfuhr, dass er der AfD angehört. Der Mann muss es wissen, ist er doch mit einer Jesidin verheiratet.

Dass man auf der Besuchertribüne nicht applaudieren darf, ist klar, aber das hat man doch bei den Reden der sonstigen Abgeordneten an diesem Tag auch getan, und zwar ohne Beanstandungen. Dann darf man das auch bei Martin Sichert, egal bei welcher Partei er Mitglied ist.

Sichert soll nach dem Eklat gesagt haben: „Katrin Göring-Eckardt (Sie leitete die Debatte, Anm. d. Autors) und den Grünen ist die Unterdrückung der Debatte über die radikal-islamischen Täter wichtiger als der Respekt vor den Opfern des Völkermords. Ich bin fassungslos, wie schnell die Grünen ihre Fassade der Anteilnahme für die Opfer fallenließen.“

Wie ich gesagt habe, Bundestag halt. Wenn dort die Ehrlichkeit einkehrt, werden Sie das sofort merken, weil dann alle applaudieren, wenn ihnen gefällt, was einer gesagt hat, egal welcher Partei er/sie/diverse angehört.

 

Ahmet Refii Dener ist deutsch-türkischer Unternehmensberater, Blogger und Internet-Aktivist aus Unterfranken.

Foto: Raimond Spekking CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Manfred Schwark / 23.01.2023

Ich dachte früher immer Claudia Roth wäre die dümmste Frau in der deutschen Politik. Ich habe mich geirrt ! Frau Göring-Eckardt übertrifft sie mühelos.

Wolfgang Richter / 23.01.2023

Damit sollte ein paar mehr Wählern klar gemacht geworden sein, wo ihr Kreuzchen beim nächsten Ruf an die Wahlurne den für das Land besten Effekt haben könnte.

Wolfgang Salzmann / 23.01.2023

Nun ja, die würdigen Nachfolger der Nazis eben! Vieles von dem, was Adolf Hitler den Deutschen als Segnungen zu bringen versuchte, stammt im Kern aus diesen verschwurbelten, irrationalen und modernitätsfeindlichen Strömungen, aus denen sich auch die Nazis aufluden und woher sie sich ideologisch wapneten. Der Nationalismus war dabei nur Zierwerk, wie Hannah Ahrendt so treffend ausführte, bei den Nazis wie den GRÜNEN heute ging und geht es um Weltbeherrschung. Die Parallelen fangen bei einem romantisierten Naturbild und einem irrationalen Wunsch nach Rückkehr zur vermeintlichen Ursprünglichkeit an, gehen über den imperialen (damals völkisch genannt) Anspruch, als Führungsmacht den Rest der Welt in das wahre Zeitalter zu führen bis hin zum vegetarischen Ernährungskonzept, dem Hochjubeln der Führerbohne (Soja!), dem quasi-religiösen Sendungsbewußtsein, der Nähe zum Islam, dem Judenhass bis hin zum Zerschlagen der traditionellen Familie und vielem anderen mehr. Und all das sind eben auch die Wurzeln der GRÜNEN, die - sobald sie über genug Macht verfügen - mit großer Gewissheit auch wieder langsam aber sicher die Methoden der Nazis einführen werden. Die Judenfrage hat sich für sie ja in Deutschland bereits weitgehend gelöst. Und Gegner zuerst wirtschaftlich zu zerstören erfolgt bereits heute, sie auf der Straße und daheim zu verfolgen, sie zusammenzuschlagen und ggf. Schlimmeres ist durch die Antifa (die Neo-SA) gerade dabei hochgefahren zu werden , und das Einsperren, in Lager verbringen oder gar Töten ist ja auch bereits verschiedentlich durch GRÜNE-Politiker explizit als bedauerlicher, aber eigentlich erforderlicher Umgang mit dem politischen Gegner genannt worden. Ich kann nur sagen: Sche… auf Deutschland, mein Geld ist schon im Ausland, meine Kinder gehen auch in die USA und anderswohin und wir wollen den Laden ebenfalls so oft und weit wie möglich hinter uns lassen. Auflösen und an die Nachbarstaaten verteilen wäre vielleicht das Beste!

Mathias Rudek / 23.01.2023

Dieses fast unbemerkte Ereignis wäre fast durchgerutscht, aber dafür ist diese selbstgefällige, unglaublich verlogene KGE zu unbeliebt als das Ereigniss doch nicht beachtet würde. Einfach nur widerlich gegenüber den Jesiden und der Öffentlichkeit. Minderleister vom Staat bezahlt.

A. Ostrovsky / 23.01.2023

@T. Schmidt-Eichhorn : “@ A.Ostrowski: In § 5 der Hausordnung des Bundestages ...” Ja, vielen Dank. Das ändert aber doch die gesamte Argumentation. Um es klar zu sagen, man müsste dann bemängeln, dass KGE bei Beifall zu den Rednern von SPD, Grünen usw. nicht angedroht hat, die Zuschauerrtribüne zu räumen. Aber das Gerede, dass sie es dann bei Beifall von der Tribüne bei der Rede von Herrn Sichert gemacht hat, ist doch dann inhaltslos.

Ebs Werner / 23.01.2023

Wer nur seine eigene politische Meinung gelten lässt, ist ein Faschist - egal was er sagt. An ihren Taten sollt ihr sie erkennen.

Chris Groll / 23.01.2023

Kann fast allen Komentatoren hier zustimmen. @L. Bauer, @ Wilfried Düring, schließe mich Ihren Kommentaren an. Habe die Rede von Herrn Martin Sichert auch gehört und fand sie gut und zutreffend. Alles andere wurde ja schon gesagt.

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