In Deutschland wächst die Lust an Verboten. Prohibition hat Konjunktur, nicht nur in der Coronapolitik. Nachdem in früheren Zeiten nur zehn Gebote für das christliche Abendland kulturprägend waren, soll jetzt alles Mögliche verboten werden: Von der Bezeichnung eines Traditionsgerichtes der deutschen Küche als Zigeunerschnitzel über das Fliegen innerhalb Deutschlands bis zum schnellen Autofahren auf der Autobahn. Vielleicht sogar das Eigenheim oder das Nackensteak vom Tönnies-Schwein. Also eigentlich alles, was vielleicht Spaß machen könnte.
Experten in Sachen Verbote sind die Grünen. Sie kennen sich vielleicht im klassischen Kanon der biblischen Ge- und Verbote nicht so gut aus – Ausnahmen wie der grüne Ministerpräsident in Baden-Württemberg bestätigen die Regel – führen aber die Rangliste der Verbotsfetischisten an. Auf ihrem Index prohibitorum operum finden sich besonders viele Beispiele aus dem Verkehrssektor:
- Die grüne Jugend Baden-Württemberg möchte langfristig private Pkw abschaffen (2017).
- Die Berliner Umweltsenatorin Regine Günther (Grüne) plant bereits seit längerem ein Fahrverbot für Verbrennungsmotoren in der Hauptstadt.
- Im Herbst 2020 sprachen sich Partei- und Fraktionsführung der Grünen für ein Moratorium hinsichtlich des Neubaues von Autobahnen und Bundesstraßen aus.
- Bereits 2019 forderte Robert Habeck in einem Interview mit der Welt am Sonntag die „Abschaffung“ von innerdeutschen Kurzstreckenflügen.
Und so weiter, und so fort: Die Liste möglicher Verbote ließe sich beliebig verlängern. Aktuell steht der Verbrennungsmotor im Fokus und soll als Klimaschädling Nummer 1 möglichst schnell das Zeitliche segnen. Klartext redet der Entwurf für ein grünes Wahlprogramm 2021, die Botschaft ist allerdings nicht neu: „Der fossile Verbrennungsmotor hat keine Zukunft. Wir wollen ab 2030 nur noch emissionsfreie Autos neu zulassen.“
Die CSU überholt auf dem Grünstreifen
Kurios ist in diesem Zusammenhang, dass die CSU, insbesondere in Person ihres Vorsitzenden und bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, seit geraumer Zeit versucht, die Grünen auf dem Grünstreifen zu überholen – wohlgemerkt unter Einhaltung der vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit. So soll wohl einem schwarz-grünen Bündnis im Bund, nach Möglichkeit unter der Kanzlerschaft Söders, der Weg bereitet werden. Söder wandelt allerdings schon sehr viel länger auf grünen Pfaden: „Ab dem Jahr 2020 dürfen nur noch Autos zugelassen werden, die über einen umweltfreundlichen Antrieb verfügen“, zitiert ihn der Spiegel schon 2007. Von da ab müssten herkömmliche Verbrennungsmotoren durch Wasserstoff- und Hybridtechnik abgelöst werden. Auf dem CSU-Parteitag im Herbst 2020 knüpfte er unmittelbar an diese frühe Erkenntnis an: Es solle ein Enddatum festgelegt werden, ab dem keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr verkauft werden dürfen; 2035 sei ein sehr gutes Datum dafür.
Dass in der letzten Woche auch Bundesverkehrsminister Scheuer auf den Verbotszug aufsprang, zeigt, wie der klimabewegte grüne Zeitgeist die deutsche Verkehrspolitik vor sich hertreibt. In einem Interview mit der Welt am Sonntag fordert er das Ende des fossilen Verbrenners bis 2035, wohlgemerkt des Verbrennungsmotors, der mit fossilen und nicht mit synthetischen Kraftstoffen betrieben wird. Das ist dann vielleicht nicht ganz so ideologisch-verbohrt wie das politische Programm der Grünen, da dem Verbrenner zumindest noch eine Restchance zugestanden wird, aber eben auch völlig weltfremd: Soll die Betriebserlaubnis neuer Fahrzeuge dann an das Tanken von E-Fuels gekoppelt sein?
In dieser kleinen Welt, in der laut „Autopapst“ Dudenhöffer Berechenbarkeit und Planbarkeit alles ist, könnte man doch konsequenterweise einfach den Verkauf fossiler Kraftstoffe „auslaufen lassen“, dann hätte sich das Ganze. Würde aber noch jemand in die Erforschung und Produktion synthetischer Kraftstoffe Geld investieren, wenn Verbrennungsmotoren ohnehin ein Auslaufmodell sind? Und die ganz andere Frage: Fährt Scheuers BMW 325ix E30, der einst Franz Josef Strauß seligen Angedenkens gehörte, auch mit E-Fuels?
Obwohl Scheuer sich mit seiner Position in gefährliche Nähe zu Fridays for Future-Positionen begab, hagelte es gleich und erwartungsgemäß Schläge von den einschlägig Verdächtigen aus der Szene der Umwelt- und Klima-NGOs. Ein Greenpeace-Vertreter bezeichnete die Idee als brandgefährlich; anschließend forderten mehrere der Autoindustrie in herzlicher Abneigung verbundene Umweltverbände (BUND, Germanwatch und die Deutsche Umwelthilfe) die deutschen Autobauer in einem gemeinsamen Brief auf, ab spätestens 2030 (!) keine neuen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor mehr zu verkaufen.
Verbrennerverbote sind keine rationale Klimapolitik
Man darf gespannt sein, welche weiteren Blüten diese unsägliche Diskussion treiben wird, wenn die Klimapolitik Corona wieder als beherrschendes Medienthema ablösen und die EU-Kommission demnächst ihre Ideen zum New Green Deal präzisieren wird. Scheinbar ist niemandem in der Arena klar, dass pauschale Verbote oder Ultimaten die schlechtestmögliche Form der Klimapolitik darstellen. Sie bedeuten nicht nur einen unverhältnismäßigen und ungerechtfertigten Eingriff in die unternehmerische und persönliche Freiheit der Bürger, sondern ziehen auch erhebliche Effizienz- und Wohlstandsverluste nach sich. Die Kollateralschäden in der wertschöpfungs- und beschäftigungsintensiven Automobil- und Automobilzuliefererindustrie sind absehbar, werden aber ausgeblendet oder negiert. Wie titelte bereits die Deutsche Bank: „Detroit lässt grüßen!“
Bereits heute schrumpfen die Belegschaften der Autoindustrie in Deutschland kräftig. Dass andere „Autoländer“ wie Japan, Großbritannien, Frankreich, Spanien oder Kanada bereits Enddaten zwischen 2030 und 2040 für die Verbrennertechnologie festgelegt hätten, wie die FAZ feststellt, heißt ja nicht, dass eine solche Politik vernünftig und zielführend ist. Wie man leicht einsieht, ist sie es gerade nicht. Alles wird auf die eine Karte der Elektromobilität gesetzt, deren Klimawirkungen durchaus umstritten sind. Verbrenner werden in Zukunft einfach rationiert.
Elektroautos laufen mit Kohlestrom
Da der Cap (EU-Emissions-Obergrenze, Anm. d. Red.) im Europäischen Emissionshandelssystem seit langem und auch auf absehbare Zeit keine Bindungswirkung für die Emissionen entfaltet, weil der tatsächliche CO2-Ausstoß darunter liegt, fährt aber jedes zusätzliche Elektroauto auf Deutschlands Straßen mit den CO2-Emissionen des marginalen Stromangebots, also aktuell in der Regel eines fossilen Kraftwerks. Der Strom aus Photovoltaik- oder Windkraftanlagen wird bekanntlich bevorzugt eingespeist und ist damit bereits verplant. Ceteris paribus kommt es also durch zusätzliche Elektroautos in Deutschland zu einem Anstieg der CO2-Emissionen, der erst dann entfällt, wenn der Cap wieder zieht. Und an diesem Punkt stellt sich dann die Frage, woher der ganze saubere Strom für die Elektromobilität und die Dekarbonisierung der anderen Sektoren kommen soll.
Elektroautos mit hohen staatlichen Subventionen in den Markt zu drücken, ist zudem ökonomisch völlig ineffizient, auch wenn Volkswagen sich mit einer konsequenten E-Mobilitätsstrategie derzeit anscheinend in den Tesla-Himmel katapultiert. So werden die Kosten der Subventionierung von E-Autos in Deutschland auf 1.100 bis 1.200 Euro je Tonne eingespartes CO2 geschätzt, während die Börsenpreise für die Emissionsrechte zuletzt bei circa 40 Euro lagen. Andere, vielleicht parteiische Studien ermitteln für die fiskalischen und regulierungsbedingten Subventionen für Elektrofahrzeuge Beträge von 2.500 bis 3.000 Euro je Tonne CO2.
Verbote und ihre Schwestern, die Gebote in Form von Vorgaben, Quoten und Standards, feiern in Deutschland anscheinend fröhlich Urständ, nicht nur in der Klimapolitik. Unter der Flagge des Klimaschutzes sind wir der sozialen Marktwirtschaft entwachsen und auf dem Weg in die interventionistische Lenkungs- und Planwirtschaft angekommen. Es gäbe zwar noch Auswege, wie die Integration des Verkehrssektors in den europäischen Emissionshandel, aber davon will die Politik anscheinend nichts wissen. Anstatt technologieoffene und kosteneffiziente Klimapolitik zu betreiben, wird weiter über publikumswirksame Deadlines von Verboten diskutiert, bis im deutschen Herbst des Jahres 2021 dann auf dem Wahlzettel das Sterbekreuzerl für den Verbrenner gemacht werden wird.