Von Michael P. Senger.
Die Chinesen protestieren gegen dieselben Lockdowns, die die Eliten hierzulande befürwortet haben. Hätten wir die Gesundheitsbeamten und Medieneliten ernst genommen, sähe die gesamte freie Welt heute so aus wie China.
Vorbemerkung der Achgut.com-Redaktion: Im Folgenden dokumentieren wir einen Text des US-Anwalts Michael P. Senger, der anhand zahlreicher Beispiele aus Medien und Politik demonstriert, wie Chinas Corona-Kurs in den USA gelobt und befürwortet wurde. Doch auch in Deutschland hielten manche eine „No Covid“- oder „Zero Covid“-Strategie lange Zeit für erstrebenswert. So die Virologin Melanie Brinkmann, die im Deutschlandfunk für eine Ziel-Inzidenz von zehn plädierte (also maximal zehn Neuinfektionen pro eine Million Einwohner und Tag), und fand, dahinter stehe „Teamgeist“. Sie wurde dabei unterstützt von Christian Drosten und Lothar Wieler. Drosten bei Twitter: „Eine No-Covid-Strategie [...] muss von einer massiven Informationskampagne begleitet werden.“ Die extrem harten Lockdowns in Australien und Neuseeland schon bei geringsten Fallzahlen wurden als Beispiele für erfolgreiche Bekämpfung der Ausbreitung des Virus hingestellt.
Karl Lauterbach, wenig überraschend, ließ am 29. Januar 2021 verlauten, das Zero-Covid-Konzept gewönne „als Ziel ganz klar an Bedeutung“. Und der Vorwärts zitiert ihn am 9. Februar 2021 wie folgt: „Wenn wir langfristig durch die Kombination von Lockdown, Impfungen und Schutzmaßnahmen in eine Situation kämen, in denen es in bestimmten Landkreisen keine Corona-Fälle mehr gibt, wären wir in der Lage, Neuausbrüche schnell zu erkennen und die Ausbreitung des Virus zu verhindern. (…) Insofern ist eine Zero-Covid-Strategie als Ziel sehr wertvoll und wichtig.“ Am 1. Juni 2021 behauptete Lauterbach: „Die No-Covid-Strategie hat zehntausenden Menschen das Leben gerettet.“ Erst am 10. Mai 2022 gestand der erratische Gesundheitsminister ein, die chinesische Null-Covid-Strategie sei gescheitert.
Explizit forderte der Aufruf „ZeroCovid“ einen „solidarischen europäischen Shutdown“, das heißt: „Fabriken, Büros, Betriebe, Baustellen, Schulen müssen geschlossen und die Arbeitspflicht ausgesetzt werden.“ Unter dem Vorwand, ein Erkältungsvirus zu bekämpfen, sollte die Zerstörung der bürgerlichen Gesellschaft in Europa sowie die Enteignung der Reichen durch „unerlässliche gesellschaftliche Maßnahmen“ in Angriff genommen werden. Zu den Unterzeichnern des Aufrufs gehörten unter anderen die Autorin Margarete Stokowski, die das Programm „zack-zack“ umgesetzt sehen wollte, der Journalist Georg Restle („Monitor“), der meinte, die geforderten Maßnahmen hätten „mit Totalitarismus nichts zu tun“, die unvermeidliche Klimaaktivistin Luisa Neubauer, die die „innovative Initiative“ lobte, sowie der Filmemacher und Autor Mario Sixtus („Nicht ZeroCovid ist weltfremd, der Widerstand dagegen ist es“). Lesen Sie nun die Übersetzung des Artikels, der zuerst auf dem Substack-Blog von Michael P. Senger erschienen ist.
Die chinesische „Version der Freiheit“ (NY Times)
Die Presse des Mainstreams ist voll von Berichten über Proteste von noch nie dagewesenem Ausmaß, die in ganz China als Reaktion auf Xi Jinpings drakonische Null-Covid-Abriegelungspolitik ausgebrochen sind. Ich veröffentliche diese Berichte mit dem Vorbehalt, dass die Berichte über Proteste und Instabilität in China immer wieder übertrieben werden.
CNN: „Proteste brechen in ganz China aus und stellen eine beispiellose Herausforderung für Xi Jinpings Null-Besorgnis-Politik dar“
The Washington Post: „Proteste gegen Chinas Covid-Kontrolen breiten sich im ganzen Land aus“
Reuters: „Hunderte von Demonstranten und Polizisten sind am Sonntagabend in Shanghai zusammengestoßen, als die Proteste gegen Chinas strenge COVID-Beschränkungen einen dritten Tag lang aufflammten (...)“
CBS-News: „Proteste in China weiten sich aus: Demonstranten fordern den Rücktritt von Xi Jinping wegen der Covid-Politik“
Dass es Proteste gegen die Lockdowns der Kommunistischen Partei Chinas gab, ist jedoch nicht überraschend, wenn man bedenkt, wie entsetzlich diese Politik war. Ohne zu übertreiben, durften die meisten Bewohner Chinas während der Lockdowns nicht einmal ihre Häuser verlassen, um sich etwas zu essen zu holen. Die Essenslieferungen sind häufig unzureichend und verdorben, und die medizinische Versorgung ist oft unzugänglich. Die Apps für den Covid-Gesundheitsstatus werden strikt durchgesetzt. Diejenigen, die positiv auf Covid getestet werden, werden in spärliche, überfüllte Quarantänelager gebracht, die Gefängnissen ähneln. Kleinkinder werden von ihren Eltern getrennt. Haustiere werden getötet.
Ich beziehe mich auf diese Berichte unter dem Vorbehalt, dass die Geschichten über die Null-Covid-Politik der KPCh oft übertrieben sind, was sowohl an der vom Establishment nur vorgetäuschten Feindseligkeit gegenüber China als auch an der durchgängigen Darstellung in den Medien liegt, dass wir es während der Reaktion auf Covid wenigstens nicht so schlimm hatten wie die armen Chinesen, die einen „richtigen Lockdown“ erfahren mussten.
Es ist eine offene Frage, warum die KPCh so obsessiv an dieser Politik des Null-Covids festhält. Die Theorien reichen von bürokratischer Trägheit über „Gesichtswahrung“, einen Loyalitätstest für die Parteimitglieder, die Aufrechterhaltung der „Wissenschaft“ bis hin zu einer Show, um den internationalen Zuschauern zu versichern, dass die KPCh wirklich an das glaubt, was sie ihnen verkauft hat, und dass es bei ihnen zumindest nicht so schlimm ist wie in China. Es bleibt abzuwarten, ob diese Proteste zu einem wirklichen Richtungswechsel im Land führen werden.
Aber in der Zwischenzeit sollte man sich daran erinnern, wer genau es war, der diese irrsinnige Zero-Covid-Abriegelungspolitik befürwortet und uns aufgefordert hat, sie nachzuahmen: Unsere eigenen Medieneliten und Gesundheitsbeamten:
Hier preist die New York Times die chinesische „Version der Freiheit“ an:
„In einer von Pandemien geprägten Welt bietet China seine Version von Freiheit an. Überwachung und Zensur untermauern Pekings kompromisslosen Griff nach der Macht. Doch in den Städten und auf den Straßen des Landes haben die Menschen ihr normales Leben wieder aufgenommen.“ (04.01.2021)
Bill Gates lobt Chinas autoritäre Reaktion
Und hier: „Die USA sagen, das Virus könne nicht kontrolliert werden. China will das Gegenteil beweisen. Chinas Ansatz, Covid-19 in Schach zu halten, hat dazu beigetragen, das Vertrauen wiederherzustellen und die Wiedereröffnung von Unternehmen zu ermöglichen. Aber seine Strategie ist von Autoritarismus geprägt.“ (17.11.2020)
Hier wünscht sich die Washington Post, die USA wären mehr wie China:
„Die USA haben absolut keine Kontrolle über das Coronavirus. China hat auch die kleinsten Risiken im Griff.“
Hier der New Yorker über die Geheimnisse von Chinas „Erfolg“:
„Wie China das Coronavirus unter Kontrolle brachte. Lehren und Lernen in Sichuan während der Pandemie.“ (17.08.2020)
Hier lobt Bill Gates Chinas „autoritäre Reaktion“ und schiebt Amerikas Versagen auf die „Freiheit“.
Hier erklärt der stellvertretende WHO-Generaldirektor Bruce Aylward die Lockdowns der KPCh zur globalen Politik.
Hier erklärt Neil Ferguson, wie China den Weg vorgibt: „Es ist ein kommunistischer Einparteienstaat, sagten wir. Wir dachten, in Europa könnten wir damit nicht durchkommen. Und dann hat Italien es getan. Und uns wurde klar, dass wir es können.“
[Viele weitere Beispiele finden Sie im Original-Artikel, Anmerkung der Redaktion.]
Niemand wurde zur Rechenschaft gezogen
Natürlich ist es kein Zufall, dass Matt Pottinger und Deborah Birx, die beiden wohl wichtigsten Beamten hinter den Lockdowns in den Vereinigten Staaten, ihre Idee der Viruseindämmung ebenfalls aus China bezogen haben. Ebenso wie der italienische Gesundheitsminister Roberto Speranza, der die ersten Lockdown-Anordnungen in der westlichen Welt unterzeichnete.
In den Jahren 2020 und 2021 erreichten diese Aufrufe an die westlichen Länder, Chinas Lockdowns nachzuahmen, einen fieberhaften Höhepunkt. Aber man muss gar nicht so weit zurückblicken. Erst gestern verteidigte der Journalist der Washington Post Taylor Lorenz die „Zero Covid“-Politik der KPCh inmitten der weit verbreiteten Proteste, die in der chinesischen Öffentlichkeit ausgebrochen waren.
Während in ganz China weiterhin Proteste entstehen und Zero Covid als die moralische und intellektuelle Katastrophe entlarvt wird, die es schon immer war, sollte man sich daran erinnern, dass die gesamte freie Welt heute so aussehen würde wie China, wenn wir diese Beamten und Medieneliten ernst genommen hätten. Darüber hinaus wurde kein einziger dieser Beamten oder Medieneliten zur Rechenschaft gezogen oder hat sogar seinen Posten verloren. Im Gegenteil, mehrere der wichtigsten Befürworter der Lockdowns wurden in Memoiren verherrlicht, und einige, wie die britische SAGE-Beraterin Susan Michie, seit 40 Jahren Mitglied der Kommunistischen Partei Großbritanniens, haben große Beförderungen erhalten.
Dies steht in krassem Gegensatz zu den zahllosen Fachleuten, die ihre Positionen verloren haben, weil sie sich nicht an die Covid-Politik hielten, oder die – wie ich auf die harte Tour herausfand – für die bloße Andeutung zensiert wurden, dass wir vielleicht eine Untersuchung darüber brauchen, warum all diese Eliten es plötzlich für angemessen hielten, ihren Ländern zu raten, eine der rücksichtslosesten totalitären Politiken der KPCh zu übernehmen.
Wenn wir dieser Geschichte auf den Grund gehen, könnten wir herausfinden, dass diese Eliten durchaus gute Gründe dafür hatten, Chinas Daten als belastbar zu betrachten und Xi Jinpings Lockdowns als legitime Gesundheitspolitik zu behandeln. Vielleicht fänden wir eine gute Erklärung dafür, warum sie diese Gründe nicht mit der Öffentlichkeit teilen konnten. Aber irgendwie scheint das nicht wahrscheinlich zu sein.