Eine Koranverbrennung in Schweden führt zu muslimischen Protesten. Eine Religion, die das Verbrennen eines Buchs als Todsünde erachtet, aber das Schlachten von Menschen nicht, hat ganz eigene Probleme.
In Deutschland wird gern Heine zitiert: „Wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.“ Ein Blick in Heines Tragödie, aus welcher der Satz stammt, zeigt: Mit den Büchern meint hier ein fiktiver Muslim den Koran und er hat kein Problem damit, Christen zu töten.
Die Verbrennung einer Ausgabe des Korans in Stockholm hat am Wochenende zu Protesten in der Türkei geführt. Rund 250 Menschen versammelten sich vor dem schwedischen Konsulat in Istanbul und protestierten gegen die Aktion.
Bevor ich etwas zu der Verbrennung des Korans sage, erkläre ich, dass ich das Recht jedes Menschen unterstütze, meine Texte und Bücher zu verbrennen, solange sie die Bücher nur kaufen. Wer ein Buch kauft, dem gehört es. Er kann damit machen, was er will. Er kann das Buch lesen, es zum Beschweren, zur Verzierung oder als Installation benutzen. Er kann das Buch meinetwegen auch verbrennen. Heinrich Heine schrieb einst:
„Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.”
Der Kontext macht die Bedeutung
Der Satz stammt aus seiner Tragödie „Almansor“. Sie spielt im 15. Jahrhundert in Spanien. Der Satz wird von dem Moslem Hassan gesprochen. Er nimmt damit Bezug auf eine Verbrennung des Korans, die während der Eroberung des spanischen Granadas durch christliche Ritter unter dem inquisitorischen Kardinal Mateo Ximenes de Cisneros stattgefunden hat.
Hassan: So stürzten wir von jenen Höhen oft zermalmend, auf das Christenvolk im Tal; und wenn sie sterbend röchelten, die Buben, wenn ferne wimmerten die Trauerglocken, und Angstgesänge dumpf dazwischen schollen, dann klang’s in unsre Ohren süß wie Wollust.
Almansor: Wir hörten, dass der furchtbare Ximenes, inmitten auf dem Markte, zu Granada – Mir starrt die Zung im Munde – den Koran in eines Scheiterhaufens Flamme warf!
Hassan: Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.
Heinrich Heine zeigt einen Mann, der das Verbrennen des Korans kritisiert, aber selbst unzählige Christen geschlachtet hat. Während für Hassan das Verbrennen des Korans eine Todsünde ist, klingt die Tötung von Christen in seinen „Ohren süß wie Wollust.“ Im Wissen um diesen Kontext bekommt Heinrich Heines Satz eine ganz andere Bedeutung. Eine Religion, die das Verbrennen eines Buchs als Todsünde erachtet, aber das Schlachten von Menschen nicht, hat ganz eigene Probleme.
„Beschränkter Teutomanismus“
Heinrich Heine hat in seinem Leben selbst eine Bücherverbrennung miterlebt. Zu der studentlichen Bücherverbrennung auf dem Wartburgfest im Jahr 1817 schreibt er:
„Auf der Wartburg krächzte die Vergangenheit ihren obskuren Rabengesang, und bei Fackellicht wurden Dummheiten gesagt und getan, die des blödsinnigsten Mittelalters würdig waren! (…) Auf der Wartburg herrschte jener beschränkte Teutomanismus, der viel von Liebe und Glaube greinte, dessen Liebe aber nichts anderes war als Haß des Fremden und dessen Glaube nur in der Unvernunft bestand, und der in seiner Unwissenheit nichts Besseres zu erfinden wusste als Bücher zu verbrennen!“
Die in Deutschland bekannteste Bücherverbrennung fand in Berlin auf dem Opernplatz im Jahr 1933 statt. Es waren ebenfalls wieder deutsche Studenten, die diese Tat begingen. Es war nicht die einzige Bücherverbrennung in dem Jahr. Über 90 Bücherverbrennungen in rund 70 Städten fanden von März bis Oktober 1933 in Deutschland in der Zusammenarbeit mit der Hitlerjugend statt. Deutsche Studenten verbrannten Bücher und wurden dabei von staatlicher Seite unterstützt. Die staatliche Unterstützung ist der Unterschied!
Freiheit statt staatliche Anmaßungen
In der Tragödie „Almansor“ von Heinrich Heine wird die Bücherverbrennung von christlichen Rittern unter dem Befehl eines Kardinals durchgeführt, also von Staats wegen. Es ist ein Unterschied, ob ein Mensch ein Buch verbrennt, oder ob ein Staat vorgibt, was mit einem Buch zu geschehen hat.
Ein Mensch, der ein Buch verbrennt, kann und darf kritisiert werden; es ist jedoch sein gutes Recht, Bücher zu verbrennen. Ein Staat jedoch, darf sich nicht anmaßen, darüber zu befehlen, was mit einem Buch geschehen soll. Das ist Zensur. Dabei ist es ganz egal, ob der Staat nun zur Bücherverbrennung lädt oder das Verbrennen von Büchern verbietet. Beide Haltungen zeigen nämlich, dass der Staat bereit ist, seine eigenen Ideale über die allgemeinen Menschenrechte zu stellen. Ein solcher Staat schafft eher Menschen ab, als dass er es zulässt, dass die Bücher seiner Ideologie verbrannt werden.
In einem Rechtsstaat gibt es nur dann die Möglichkeit, ohne Furcht vor staatlicher Bevormundung kreativ, journalistisch und wissenschaftlich arbeiten zu können, wenn die Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit garantiert ist. Zu dieser Freiheit gehört es eben auch, dass Bücher verbrannt werden dürfen, ohne staatliche Sanktionen befürchten zu müssen. Das gilt übrigens auch für digitale Texte. Wenn ein Staat Texte aus dem Netz löscht oder unterdrückt, ist das nichts anderes als eine digitale Bücherverbrennung.
Jeder Mensch darf selbst entscheiden, welche Texte und Autoren er im Netz löscht, unterdrückt, stumm schaltet oder blockiert, aber kein Staat darf das entscheiden. Ich lebe nämlich deutlich lieber in einem Land, in dem Bücher verbrannt werden dürfen, als in einem Land, in dem sich die Unterdrückten danach sehnen, die Schriften der Unterdrückung zu verbrennen, sie es aber nicht dürfen.