Ahmet Refii Dener / 15.12.2023 / 14:00 / Foto: Pixabay / 39 / Seite ausdrucken

Bei Ankunft assimiliert

Als meine Familie in den 60er Jahren aus der Türkei nach Köln zog, sprach mein Vater bereits perfekt Deutsch und meine Mutter lernte die Sprache in kurzer Zeit über unsere Nachbarin, mit der sie regelmäßig Schwarzwälder Kirschtorte essen ging. Was ist heute anders?

Express-Assimilierung – Meine Eltern, eigentlich meine Mutter, hat mir das mitgegeben, was heute meinen Charakter größtenteils ausmacht. Eigentlich kann ich mich nicht daran erinnern, dass sie mir im Laufe der Jahre irgendeinen Rat gegeben hätte, wie ich mich in bestimmten Situationen zu verhalten hätte. Nein, sie lebte es uns drei Brüdern vor. Sie begegnete allen Menschen mit der Güte, die sie uns, ihren Kindern und ihrem Mann entgegengebracht hatte. In Istanbul waren unsere Nachbarn, Griechen, Armenier, Juden, Christen … Wir Kinder spielten miteinander und unsere Eltern waren die besten Freunde und Nachbarn. Politisch turbulent ging es in der Türkei immer zu, aber was kümmerte das uns Kinder?

Ich möchte hier auch unseren 1994 verstorbenen Vater Dr. Ing. Reyyan Dener nicht unerwähnt lassen, denn von ihm haben wir erfahren dürfen, dass Männer und Frauen gleich sind. Fast hatte man den Eindruck, dass sie, die Frauen, für unseren Vater höher standen als die Männer. Auch er gab mir ein Leben lang nicht einen einzigen Rat. Unbewusst lebte er es vor, indem er unserer Mutter Wertschätzung entgegenbrachte. Sogar seine Geste, dass er sofort aus dem Auto heraussprang, um meiner Mutter oder einer anderen Frau beim Aussteigen die Tür aufzuhalten – er hatte keinen Führerschein, was bedeutete, dass er aus einer der drei anderen Türen ausstieg –, prägte sich in den Köpfen von uns Brüdern ein. In einer Stadt wie Istanbul war das nicht außergewöhnlich. Das brachte die damalige Zeit mit sich, fast bis in die 70er Jahre. Damals war der laizistische Staat noch präsent.

Der Filmtitel bei meiner Familie, im Zusammenhang mit Deutschland, könnte heißen: „Bei Ankunft assimiliert.“ Als wir 1972 nach Deutschland zogen, kamen wir eigentlich zum vierten Mal hier an (mehr erfahren sie in meiner mit Anekdoten gefüllten „fast Autobiografie“ KALTSTART X – Wie oft kann man im Leben bei null anfangen?). Außer meinem Vater – der 1952 das erste Mal in Deutschland war und 1960 seinen Doktor (Chem. Ing., Gesteins- und Hüttenkunde) in Aachen gemacht hatte und Deutsch perfekt beherrschte –, sprachen weder meine Brüder, meine Mutter noch ich Deutsch. Trotzdem gehörten wir sofort dazu.

Auch unsere Mutter machte schnell Fortschritte in Sachen Landessprache. Einerseits lernte sie Deutsch über das Fernsehen, und andererseits Kölsch über unsere Nachbarin Frau Brinkmann, die ihre Freundin wurde (möge sie in Frieden ruhen). Eine Seele von einem Menschen und Kölsch getaktet dazu. Sie sprach zumeist Dialekt. Alle zwei Wochen gingen die beiden in die Stadt, um im Café Reichard am Dom ihre Schwarzwälder Kirschtorte zu essen. Solche deutschen Torten helfen auch, dass man die deutsche Sprache schneller lernt. Der Sahnegehalt ist entscheidend.

„Die wenigen könnt Ihr suchen!“

Ich befasse mich viel mit den sogenannten Flüchtlingen – die ich mehrheitlich illegale Einwanderer oder Wirtschaftsflüchtlinge nenne, meine Schätzung diesbezüglich beläuft sich auf 99 Prozent. Bei den Migranten, die sich in den 70er oder 80er Jahren sofort assimilierten, habe ich beobachtet, dass sie wenig bis gar nichts mit Religion zu tun hatten. Wenn sie Gläubige waren, lebten sie ihre Religion nicht mit aller Macht öffentlich aus oder zwangen sie anderen auf. Ohne Religion und mit etwas Bildung, wird man automatisch zum Weltbürger, der sich überall sofort wohlfühlt.

Da sich die Deutsche Bahn am 8. Dezember im Streik befand, konnte ich leider nicht wie geplant zur Konferenz „Antisemitismus in der islamischen Welt und in Deutschland“ fahren. Eigentlich nur um Freunde zu treffen, die Redner oder im Publikum waren, denn den Inhalt kenne ist aus dem FF.

Wer der islamischen Glaubensgemeinschaft angehört, hasst Juden und Israelis, aber auch viele Andersdenkende beziehungsweise Andergläubige. Oder kann sie zumindest nicht besonders gut leiden. Die Menschen übertragen dies immer weiter. Ich kenne muslimische Familien, die, ohne jemals darüber diskutiert zu haben, ihren Hass und ihre Antipathie gegen die Juden und Israelis weitergegeben haben.

So gesehen, wenn man die türkische Community und sonstige, neu zugewanderten Muslime dazu zählt, reden wir hier von fast 6 Millionen Antisemiten und Rassisten, Deutsche nicht mitgezählt, Tendenz steigend. Wenn jetzt einige mit dem Einwand kommen „Es sind aber nicht alle so!“, dann sage ich nur: „Die wenigen könnt Ihr suchen!“

Wir sind gerade erst am Anfang

Ich habe nach dem Massaker der Hamas am 7. Oktober wieder feststellen dürfen, wie viele Türkeistämmige in den Sozialen Medien auf meine pro-israelischen Posts zuerst giftig reagierten, mich beschimpften und bedrohten und ich sie dann als Follower blockieren musste. Unter denen sind auch welche dabei, die ich eigentlich menschlich sehr hoch einschätzte, aber wenn es um Juden und Israel geht, weht doch ein anderer Wind.

Hanno Sauer sagt in „Moral. Die Erfindung von Gut und Böse“: „Aus der Perspektive der Theorie kostspieliger Signale ist der bizarre Charakter religiöser Bekenntnisse gerade ihr Punkt. Man erkennt die wahren Gläubigen genau daran, dass sie dazu bereit sind, sich selbst öffentlich als geistig verwirrt zu inkriminieren.“

Wer zu sehr in eine Religion abgetaucht ist und es auch „Bewusst und anderen aufzwingend“ öffentlich auslebt, zeigt, dass er nicht bereit ist, sich irgendwo zu integrieren, geschweige den zu assimilieren. Gute Mütter, die zum Wohle der Kinder den Weg vorgeben, denen ihre Söhne nicht mehr wert sind als die Töchter, können das Gegenteil bewirken, wenn dem die Religion nicht im Wege steht. Es stehen uns noch schwere Zeiten in Deutschland bevor. Wir sind gerade erst am Anfang.

 

Ahmet Refii Dener, geb. 1958, ist deutsch-türkischer Unternehmensberater, Blogger und Internet-Aktivist aus Unterfranken. Mehr von ihm finden Sie auf seinem Blog, auf seiner Facebookseite und in seinem Buch KALTSTART X – Wie oft kann man im Leben bei null anfangen?.

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Leserpost

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L. Bauer / 15.12.2023

Danke Herr Dener! Großartige, klare Gedanken und Erklärung. Ich stimme Ihnen in allen Punkten zu. Die erste Gastarbeitergeneration mit ihren Kindern, hat mit den heutigen Invasoren garnichts zu tun. Der Knackpunkt ist, wie Sie es völlig exakt beschreiben, die Religion. Wobei man beim Islam eigentlich nicht von einer Religion sprechen kann. Wer alle anderen als Ungläubige definiert, mit dem Tode bedroht, zum lügen und täuschen aufruft, kann selbst kein Gläubiger sein! Unterwerfung… nichts anderes ist das Ziel. Beste Grüße!

finn waidjuk / 15.12.2023

“Ohne Religion und mit etwas Bildung, wird man automatisch zum Weltbürger, der sich sofort überall wohlfühlt”. Danke, Herr Dener, für mich DER Satz des Jahres!

S.Buch / 15.12.2023

Deutschland sollte es mit den Judenhassern wie Pakistan mit den Afghanen machen: allgemeine Ausweisungsverfügung. Unter den linksgrünen Judenhassern, die täglich verbal den Antisemitismus geiseln, aber diesen faktisch durch Massenimport von Judenhassern leben, allerdings unvorstellbar.

Wilfried Cremer / 15.12.2023

Lieber Herr Dener, meine Mutter hatte einen Tag den Führerschein (um 1970 rum) und hat beim ersten Parkmanöver vor der Haustür einen Mast gerammt. Die Türkin aus dem Nachbarhaus hat das gesehen, kam herausgestürmt und hat mit reichlich Kölnisch Wasser Trost gespendet. Sowas wäre heute unvorstellbar, auch nicht, dass ein Türke Schüler in der Kneipe anspricht, ob sie seinen Kindern Nachhilfe erteilen, so wie mir (auch in den 70ern) geschehen. Nur der Unterricht litt etwas, weil sich die Menus sehr in die Länge zogen. Optimismus haben wir auf jeden Fall gelernt, auf beiden Seiten.

Rainer Niersberger / 15.12.2023

Alles. Ich vermute, dass der Autor nicht in einer der sogen Parallelgesellschaften lebt, warum auch, denn er gehoert ja dazu. Die Vorbereitung auf eine zumindest auskoemmliche Existenz in einer anderen Kultur qua vorherigem Spracherwerb beweist alles.  Das Gegenteil allerdings auch. Die Parallelgesellschaft ist einer der klassischen Merkmale der Pflege einer eigenen Identität und der Abgrenzung gegenueber der Gesellschaft des zur Eroberung und Beherrschung auserwählten Landes. Die Aussichten sind wahrlich sehr finster, zumal der Liberalkonservative, der Mehrheitsdeutsche, gar nicht daran denkt, die Gefahr zu begreifen, geschweige denn, in diesem Fall rechtzeitig und angemessen zu reagieren.

Karin Krause / 15.12.2023

Vielen Dank für den Einblick in ihr Familienleben. Fast genau so habe ich es auch erlebt, aber auf der Seite einer Deutschen. Ich bin mit allen möglichen Nationalitäten gross geworden,  Religion war dabei nie ein Thema. Es liegt auch an der Bildung und den Einfluss des Elternhauses, wie Kinder sich entwickeln. Tatsächlich sollte sein, Religion ist Privatsache!!! So hat man es mir beigebracht…

Yon Bureitxa / 15.12.2023

Die meisten die seinerzeit kamen, wie mein Grossvater in den frühen sechzigern, wollten unbedingt Deutsche werden. Unbedingt! Dafür sind in dieses Land gekommen. Weil sie sicher waren, sehr sicher sogar, hier kannst du dir ein besseres Leben aufbauen, in politischer Sicherheit und wirtschaftlicher Prosperität - mit der Chance auf ein gutbürgerliches Leben, ja, gerne auch spiessig, sei`s drum, Hauptsache es war Deutschland… Fernab von völlig sinnlosen und gewalttätigen Träumen von territialer und politischer Unabhängigkeit - wie seinerzeit usus auch im Biscayabogen. Und es hat geklappt. Weil sie ehrgeizig waren und bescheiden leben konnten, wie damals in ihrem Kaff; ihr Ziel zäh und arbeitswillig verfolgten, auch indem sie früh und umfassend verstanden, dass sie die Kultur des neuen Heimatlandes vorbehaltlos anzunehmen hätten…sollte der Traum von der neuen Heimat Realität werden. Das ist es wohl, was den Unterschied zu heute ausmacht. Mittlerweile ist es in der dritten Generation so, dass ICH gerne, sehr gerne sogar, zu den Basken fahre…aber als Deutscher.

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