Vera Lengsfeld / 08.07.2021 / 11:00 / 36 / Seite ausdrucken

Annalena Baerbocks erster Skandal

Annalena Baerbock war bereits vor rund 10 Jahren als Vorsitzende des Landesverbands der Grünen in Brandenburg in einen Skandal verwickelt. Dieser ist nur in Vergessenheit geraten. 

Momentan befindet sich die Kampagne Baerbock in einer selbstverschuldeten Negativspirale. Die Grünen reagieren darauf zunehmend dünnhäutig, wittern überall Kampagnen und böse Absichten. Dabei scheinen die Grünen und das Team Baerbock komplett zu vergessen, dass in einer Demokratie der Wahlkampf immer auch dazu da ist, den Charakter und die Führungsqualitäten der jeweiligen Aspiranten einem verschärften Stresstest zu unterziehen.

Und da reicht es nicht, dass es Abschlüsse in einem Lebenslauf gibt oder dass ein Buch nicht gerichtlich angegriffen wird, sondern der Lebenslauf und die Buchvisionen müssen überzeugen. Deshalb ist ja auch der Ablenkungsversuch („aufgebauschte Kleinigkeiten“) aus der Grünenzentrale beziehungsweise dem Baerbock-Umfeld so hilflos und so kontraproduktiv. Denn die Wähler spüren instinktiv, dass auch vermeintliche Kleinigkeiten in Hinblick auf besagten Stresstest sehr wichtig sind.

Noch wichtiger sind aber solche Dinge, wie sie zum Beispiel die Welt im Bericht von Judith Henke und Uwe Müller noch mal dankenswerterweise in Erinnerung gerufen haben.

Der Vorgang spielt sich 2011 bis 2013 im von Annalena Baerbock (mit-)geführten Grünen Landesverband Brandenburg ab. Der Zeitraum ist der Vorlauf des 2013er Bundestagseinzugs von Annalena Baerbock und wirft ein ganz spezielles Licht auf ihre Führungsfähigkeiten und den Stil ihres Krisenmanagements.

Suche mit Haftbefehl

Aber Schritt für Schritt:

Die Niedersächsin Baerbock beginnt ihre aktive grüne Politikkarriere als Kandidatin im Bundestagswahlkampf 2009 in Brandenburg, auf Listenplatz 3 der Landesliste, dem traditionell zweiten Frauenplatz bei den Grünen. Aber die Brandenburger Grünen sind nicht nur ein mitgliedermäßig kleiner Landesverband (nicht mal 800 damals), sondern sie stellen auch für die Grünen nur einen MdB – eine Position, die jahrelang Cornelia Behm innehatte, ohne bundesweit groß aufzufallen.

Annalena Baerbock hat aus dem Bundestagswahlkampf eine zentrale Lektion gelernt: Das Mandat geht nur über den Spitzenplatz: Vier Wochen nach dem Nichteinzug 2009 wird sie eine von zwei Landesvorsitzenden der Grünen in Brandenburg und bei der Bundestagswahl 2013 hat sie dann folgerichtig den ersten Frauenplatz und damit die Spitzenkandidatur und zieht 2013 so in den Deutschen Bundestag ein.

Die Affäre, die damals bundesweit Schlagzeilen machte, aber heutzutage fast vergessen ist, startet mit einer Vermisstenanzeige von Eltern im Frühjahr 2011: Ihr (erwachsener) Sohn sei verschwunden. Dieser verschwundene Sohn ist der Landesschatzmeister der Grünen Brandenburg und damit wie in jedem Parteivorstand die wichtigste Person hinter dem (oder im Falle der Grünen Brandenburg, den) Vorsitzenden.

Schnell stellt sich raus, dass in der Parteikasse Geld fehlt, aus der Vermisstenanzeige wird eine Suche mit Haftbefehl, schließlich wird der flüchtige Schatzmeister dingfest gemacht. Im November 2011 kommt es zum Prozess und zur Verurteilung. Der Schaden ist erheblich, um nicht zu sagen für einen Landesverband riesig: Der Schatzmeister hat allein von Anfang 2009 bis Anfang 2011 aus zwei Parteikassen insgesamt circa 270.000 Euro veruntreut. Der Skandal lässt in mehreren Dimensionen sehr tief blicken, und immer geht es dabei auch um Baerbock.

Ein moralisches Armutszeugnis

Zunächst das Offensichtliche: Der relativ junge, einheimische Landesschatzmeister nutzte das Geld, um sich osteuropäische Prostituierte zu leisten – ein hochinteressantes Sittenbild in einer übermoralischen Partei, deren junge, zugereiste Vorsitzende mit ihrem in grünen Kreisen sehr aktiven Ehemann in dieser Zeit in Berlin-Mitte residiert und sich bei den Brandenburger Themen offenbar vor allem um das mediale Großthema Kohleausstieg und CO2-Weltrettung kümmert.

Aber auch führungstechnisch: Nicht nur haben Baerbock, ihr Mitvorsitzender und die anderen Mitglieder des Landesverbandes offenbar nichts vom dem signifikanten Kassenschwund bemerkt, sondern für die reale Lebenssituation des Landesschatzmeisters, dessen legales Einkommen eine 300 Euro Unterstützung von seinen Eltern und eine kleine Aufwandsentschädigung als grüner Stadtverordneter war, hat sich offenbar niemand interessiert. Für mich ein moralisches, politisches und führungstechnisches Armutszeugnis.

So sah es wohl auch das Gericht, welches im Urteil feststellte: „dass ihm (das heißt dem Delinquenten) die Taten durch die nicht ausreichenden Kontrollmechanismen seitens der Partei Bündnis 90/Die Grünen sehr leicht gemacht wurde“ (dieser Umstand bewog das Gericht sogar zu einem strafmildernden Urteil).

Wohlgemerkt: Dieses Urteil vom November 2011 charakterisiert den Landesverband Bündnis 90/Die Grünen Brandenburg, geführt von Annalena Baerbock zusammen mit einem anderen Vorsitzenden. Man kann dem Landgericht Potsdam damals nur für seine Weitsicht danken. Wer hätte gedacht, dass dies 10 Jahre später eine Art Führungszeugnis für die grüne Kanzlerschaftsaspirantin sein würde?

Schuld sind immer die anderen

Als wäre all dies nicht wirklich schon schlimm genug, zeigt sich 2011–13 noch ein weiteres Muster, was jetzt schon als ein Green Classic à la Baerbock zu sehen ist: Schuld sind immer die anderen.

Der WELT-Artikel zitiert hier den Brandenburger Grünen Andreas Menzel: „Die Strategie war ganz klar, der Landesverband hat sich als hilfloses Opfer eines systematisch vorgehenden Betrügers dargestellt.“

Praktisch die Vorwegnahme der momentanen Verteidigungsstrategie des Teams Baerbock in der Buch- und Lebenslaufaffäre. Statt Selbstkritik und Transparenz, statt Einsicht und gelobte Besserung nur Abwiegeln, Wegducken, Wegreden, Schuldverschieben.

Andreas Menzel war übrigens über das damalige Verhalten so verärgert, dass er den Vorgang bei der Bundestagsverwaltung anzeigte – es erging ein Strafgeld gegen Bündnis 90/Die Grünen Brandenburg. Und er wurde innerparteilich als Bösewicht stigmatisiert.

Schuld ist der Überbringer der schlechten Nachricht

Und auch dies passt in die grüne Baerbock-Weltuntergangsverhinderung-geht-nur-mit-uns-Weltsicht: Schuld ist nicht etwa der angeprangerte Missstand in der neugrünen Wunschwelt, sondern nur der, der den Missstand an die Öffentlichkeit bringt.

In jeder modernen Firma völlig aus der Zeit gefallen, aber im neugrünen Berliner Politikbetrieb offenbar als völlig selbstverständlich angesehen: Wo wir sind, ist richtig, denn es sind ja wir, die Guten. Alles andere ist böse Nachrede, Fake News oder Schlimmeres.Zwei wichtige Lehren ziehe ich aus dieser Geschichte: Es gibt noch kritischen, freien Journalismus (Danke, Die Welt).

Und Annalena Baerbock, ihr enges Umfeld und die Grünen insgesamt dürfen nicht an die Macht und vor allem nicht ins Bundeskanzleramt!mNoch etwas mehr als 80 Tage bis zur Bundestagswahl …

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Vera Lengsfeld.

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Leserpost

netiquette:

Dr. Joachim Lucas / 08.07.2021

Es wäre schon schlimm genug, wenn die irgendein Amt zugeschustert bekäme. Der Schaden in diesem Ressort wäre maximal. Und da alles mit allem zusammenhängt, würde das auch auf andere Bereiche abstrahlen. Bärbock ist die personifizierte Inkompetenz. Aber der Rest des historischen Unfalls “Die Grünen” ist ja auch nicht besser.

Thorsten Beyer / 08.07.2021

Baerbock verkörpert doch all das, was in unserer Gesellschaft massenhaft vorhanden ist: Überheblichkeit, Herrschsucht, gepaart mit Unfähigkeit und Neid auf alle, die etwas zustande bringen. Dazu noch Feigheit, Blödheit und Arroganz - und fertig ist der brave gute Deutsche Gutmensch… Sie verköpert damit all das, woran unsere Gesellschaft - im Gegensatz zum medial befeuerten Märchen vom Klimaweltuntergang - wirklich krankt…

Dr. med. Jesko Matthes / 08.07.2021

Ach, dann war das also doch wieder nur die böse Springer-Presse, diese Israelfreunde, die schon 1968 auf Seiten des Schahs standen und immer für die Rechten und gegen den sozialen Fortschritt hetzen etc. blablablabla - daran können Weltretter*Innen niemals selbst schuld sein. Passt nicht in deren Weltbild, so wie es nicht in Frau Merkels Weltbild passt, sich für den Import von Mördern und Antisemiten zu verantworten. Ist nämlich auch so eine Weltretter*In. Tja, schlimmer geht immer. Kann Klaus Staeck doch mal ein schönes Plakat dazu machen!

Hans-Peter Dollhopf / 08.07.2021

Sabine Heinrich, wo auch nur das kleinste Pflänzlein Hoffnung gedeiht, da kippen Sie ihr siedendes Öl darauf und man fragt sich langsam cui bono.

Andreas Bitz / 08.07.2021

In der Zeit des Promotionsstipendiums der Böll-Stiftung = 4 Jahren zwischen Kandidaturen zum Bundestag = Landesvorsitzende Brandenburg der Grünen lohnt nicht nur der Blick auf die Aktivitäten des Schatzmeisters, sondern auch jene des beruflich bei den Grünen engagierten Gatten von Annalena Baerbock, Daniel Holefleisch. Er war bis 2016 für Kontakte in die Wirtschaft und die Spendenakquise zuständig. Es soll da die Spende eines Investors an Brandenburger Grüne gegeben haben um deren Wohlgefallen für Eingriffe in ein Naturschutzgebiet zu erwirken(???) ... Recherchieren!

Rolf Mainz / 08.07.2021

Potenzielle grüne Wähler werden sich von derlei Fakten nicht beeindrucken lassen. Das einmal festgefügte Weltbild steht fest - ganz ähnlich, wie es vielen Deutschen auch zwischen 1933 und 1945 sowie zwischen 1949 und 1989 erging… Zur Kanzlerschaft wird es vermutlich nicht reichen, zur Vizekanzlerschaft sicher schon. Und - um das Unheil zu maximieren - wird die SPD auch noch bei der nächsten Regierung zum Zuge kommen. Ein wahrhaft toxischer Cocktail für Deutschland, der sich damit zu materialisieren droht. Aber die Mehrheit des deutschen Wählers will es anscheinend so. Offenbar ein Hang zur Selbstquälerei.

Bernd Meyer / 08.07.2021

Frau Baerbock wird nie verstehen, dass Sie sie eigentlich in Schutz nehmen. Nein, Sie sind nicht zu hart. Das ist Wahlkampf (neben Ihnen brauche ich allerdings eine Lupe). Auf Bundesebene werde ich zum ersten Mal CDU wählen. Wünschen wir Frau Baerbock und diesem Land, dass sie nie Kanzlerin wird. Wenn Sie nichts dagegen haben, fließt meine Wahlkampfspende an achgut.com und nicht an die Partei. Semper fi!

Reinmar von Bielau / 08.07.2021

Fake it til you make it! Arroganz, frisieren des eigenen Lebenslaufes, Gutmenschsein: nach dem momentanen Stand der Politik in Berlin, passt Annalena perfekt ins Kanzleramt.

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