700 Millionen Deutsche gäbe es, wenn sie sich seit 1950 vermehrt hätten wie der Gazastreifen, dem in dieser Zeit der Sprung von 200.000 auf zwei Millionen Einwohner gelingt. Stattdessen geht es von 70 Millionen damals nur auf gut 80 Millionen heute. Ihr Durchschnittsalter nähert sich einem halben Jahrhundert. Hingegen hätte ein Gaza-Deutschland mit einem Durchschnittsalter von kaum 18 Jahren noch Enormes vor sich.
Nirgendwo auf der Welt wären weniger Frauen berufstätig, 15 statt realiter 75 Prozent, um sich ganz dem Nachwuchs widmen zu können. Dessen überbordende Fülle würde dem Land einen Kriegsindex von 5.0 statt lediglich 0.7 bescheren. Nicht 700, sondern 5.000 Jünglinge zwischen 15 und 19 Jahren würden um die 1.000 Positionen konkurrieren, die von den 55–59-Jährigen alsbald geräumt würden.
Zwischen Rhein und Oder gäbe es rund 120 Millionen männliche Bürger im traditionellen Kampfalter von 15 bis 29 Jahren. Die tatsächlich vorhandenen 6 Millionen Jünglinge genießen mehrheitlich globalen Respekt für ihre Friedensliebe und Willkommensbereitschaft. Wäre es nicht herrlich, wenn jetzt zwanzigmal so viel Pazifismus aus Deutschland in die Welt getragen würde? Könnte dabei auch die immer noch seltene Liebe zu Polen erblühen, das sich mit drei Millionen Jünglingen dieser Altersgruppe begnügt? Schließlich könnte jeder von ihnen beim westlichen Nachbarn auf vierzig neue Freunde rechnen.
Breslau, Danzig und Stettin sind deutsche Städte wie Berlin!
Würde Polen, wo der Autor derzeit lebt, seine Sympathie für Palästina auch auf ein 700 Millionen-Deutschland ausweiten? Würde dieses Gefühl selbst dann anhalten, wenn die rechtsextreme Melodie „Breslau, Danzig und Stettin sind deutsche Städte wie Berlin“ plötzlich durch ganz Europa hallte? Würde man, in Analogie zu Israels Abzug aus Gaza im Jahre 2005, gar schon mal Szczecin räumen und sich darauf verlassen, dass 120 Millionen Hitzköpfe sich damit zufrieden gäben?
Oder würde man schließlich doch wissen wollen, worin sich Deutschland und Palästina heute unterscheiden? Es ist schon richtig, dass beide Führungen bis 1945 direkt aus Berlin heraus bei der Judenvernichtung zusammenarbeiten. Deutschland aber hat anschließend Genozide und Eroberungen nicht nur einstellen müssen, sondern auch für alle Zukunft verworfen. Überdies wird es zum Pionier der Vergreisung, also zum ersten Land, in dem die Kinderzahl pro Frau unter zwei fällt. Heute benötigt man zwanzig Frauen für das Gebären von 15 Söhnen.
Hingegen entkommt Hitlers Holocaust-Partner, der Palästinenserführer Mohammed Amin al-Husseini, aus dem besiegten Berlin über die Schweiz nach Nahost, um seinen anti-jüdischen Kampf fortzusetzen. Doch selbst begabte Hassprediger, welcher Religion auch immer, richten nur wenig aus, solange ihre alten heiligen Bücher ohne zornige junge Männer auskommen müssen. Und selbst der begabteste Friedensengel bleibt wirkungslos, solange der Nachschub an Kriegswilligen unerschöpflich ist. Islam ist mithin nicht das Problem.
Der Koran enthält auch pro-israelische Stellen
Für Korangläubige (5:20, 21) gibt es schließlich klare pro-israelische Anweisungen: „Moses sprach zu seinem Volke: / Besinnt euch auf Allahs Huld gegen euch, als Er aus eurer Mitte Propheten erweckte und euch zu Königen machte und euch gab, was Er keinem anderen (Volke) auf der Welt gegeben. / Betretet das Heilige Land, das Allah für euch bestimmt hat, und kehret nicht den Rücken, denn dann werdet ihr als Verlorene umkehren.“
Die Frömmigkeit dient mithin als Vorwand für die 60 Söhne, die pro 20 Gaza-Frauen geboren werden. Bis 2005 richtet sich ihr Terror gegen die israelische Besatzung. Als der Gaza-Streifen durch Sharons undurchdachten Abzug jedoch „judenrein“ wird – und auch noch keine einzige Rakete beherbergt –, gehen die jungen Araber umgehend gegen ihresgleichen vor.
In der „Schlacht von Gaza“ besiegt das gerade erst entstehende Hamas-Militär die Fatah und kann eine Hundertschaft ihrer Anführer töten. Seitdem dient der nicht endende Krieg gegen Israel als erstrangiges Mittel gegen das Auflodern neuer palästinensischer Bürgerkriege. Tötet Juden, sonst töten wir euch, lautet die auf allen Seiten verstandene Botschaft. Ohne diese Option würde Palästina ein zweiter Jemen, der seit 1967 im zehnten Heimatgemetzel steht und nebenher Saudi-Arabien mit Raketen beschießt.
Nur weil 20 israelische Frauen immerhin 27 Söhne aufziehen, also geringe Verluste absorbieren können, ist Widerstand überhaupt möglich. Mit einer deutschen Demographie gäbe es Israel nicht mehr. Allerdings kann es die genozidalen Träume der Umwelt nur so lange durchkreuzen, wie eine geniale Raketenabwehr mit einer treffgenauen Luftwaffe kombiniert wird. Bodenoffensiven müssen aufgrund der höheren Verluste unterbleiben.
Bibi geht nicht in die Hamas-Falle
Die Gegenseite weiß das. Iran hatte Hamas deshalb mit Langstreckenraketen gegen Jerusalem und Tel Aviv aufgerüstet, um Netanyahu in eine Invasion zur Ausschaltung dieser Extrembedrohung zu locken und dann mit Libanons Hisbollah im Norden eine zweite Front zu eröffnen. Israel hat durch Truppenmobilisierungen so getan, als ob es in diese Falle gehe, sich aber auf das Ausschalten der iranischen Kriegstechnik beschränkt. Teheran braucht jetzt erst einmal Zeit, um die weiter wachsende Jugend Gazas wieder aufzurüsten.
Nach 1945 entgeht Deutschland – zum Glück für sich selbst und die Menschheit – einer Großzügigkeit, wie sie kurz darauf den Palästinensern bedingungslos gewährt wird. Obwohl die 130 größten deutschen Städte plattgebombt sind und das verkleinerte Land 14 Millionen Flüchtlinge beherbergt, wird den Vertriebenen oder Ausgebombten von niemandem lebenslanger Unterhalt garantiert, der selbst Urenkel mit einschließt.
Eben das aber erfolgt, als 1948 arabische Armeen ihren Krieg zu Vernichtung Israels verlieren und die Haganah im Gegenzug aus arrondierten Gebieten die Bewohner vertreibt, um dem nächsten Ausrottungsversuch besser standhalten zu können. Alsbald bezahlen überwiegend westliche Regierungen für die arabischen Flüchtlinge bis heute all das, was ihre deutschen Geistesverwandten sich damals mit allem Recht nicht einmal vorstellen können.
Der permanente Kriegszustand als Folge all der Wohltaten motivieren 2018 die US-Regierung dazu, die Zahlungen für die demografische Hochrüstung einzustellen. Deutschland stellt sich vehement gegen Washingtons Versuch, der gegen 2040 Wirkung gezeigt hätte. Die neue US-Regierung folgt Berlin und schickt wieder Geld. Der Teufelskreis geht weiter.
Rache für die zuletzt gefallenen Führungskräfte
Gaza hat 2021 rund 330.000 Jünglinge zwischen 15 und 29 Jahren. Aus ihnen rekrutieren sich die Aktivisten der aktuellen Gefechte und Brandstiftungen. Sie trauern und schwören Rache für die zuletzt gefallenen Führungskräfte. Doch sie sehen Israels Gegenschläge auch als Chance für ihr Vorankommen in der Hierarchie. Sie können niemals weich oder gar friedensbereit werden, weil ihnen rund 420.000 Knaben unter 15 Jahren im Nacken sitzen. Jeder als „Verrat“ gegeißelte Kontakt mit Israel würde zum willkommenen Vorwand für den eigenen Aufstieg in Kommandopositionen.
Washington und Berlin zahlen mehr als je zuvor für Gaza, doch eine Zukunft für seine immer zahlreicheren Heißsporne bieten sie nicht. Mit gutem Recht kann man Gazas Jugend als Kinder des Westens bezeichnen, weil es sie ohne dessen finanziellen Anreize gar nicht gäbe. Arabische Staaten ohne solche Prämien – etwa Tunesien oder Libanon – liegen längst bei zwei oder weniger Kindern pro Frauenleben. Wer die Bevölkerungsexplosion in Gaza fortsetzen will und trotzdem Frieden verlangt, sollte den durchaus von Auswanderung träumenden nahöstlichen Nachwuchs bei sich aufnehmen und nicht mehr gegen Israels Juden in Stellung bringen.
Dabei sind die westlichen Palästina-Finanziers eher ignorant als bösartig oder gar besonders antisemitisch. Sie haben allerdings immer noch nicht die Lektion gelernt, die Ho Chi Minh 1946 für ein demografisch brisantes Vietnam den kinderarmen Franzosen erteilte und damit auch den Amerikanern, die den 1954 von Europa verlorenen Krieg von 1955 bis 1975 als eigene Langzeitniederlage fortsetzten: „Ihr werdet zehn von uns töten, wir werden einen von euch töten, doch am Ende werdet ihr es zuerst leid sein."
Gunnar Heinsohn hat 1993 an der Universität Bremen Europas erstes Institut für vergleichende Völkermordforschung aufgebaut. Von 2011 bis 2020 lehrte er Kriegsdemographie am NATO Defense College (NDC) in Rom.