Rainer Grell / 10.06.2018 / 16:30 / Foto: Mattbuck / 26 / Seite ausdrucken

30.000 „Rechte“ im Stadion

Allenthalben hört man, außer von rechts natürlich, der Nationalstaat sei tot, passé, überholt, überlebt. Gut, meinetwegen. Aber noch nie habe ich die naheliegende Forderung gehört, die Nationalmannschaft in den verschiedenen Sportbranchen abzuschaffen und eine „Europamannschaft“ zu bilden. Mein Vorschlag, wenigstens die Fußballnationalmannschaft in DFB-Auswahl umzubenennen, stieß dort auf taube Ohren. Im Gegenteil: Bei „Länderspielen“ (was für ein Wort!) spielt Deutschland gegen England (wobei Great Britain übrigens vier „Fußballnationalmannschaften“ hat) oder gegen welches Land auch immer.

Und zu Beginn werden die Nationalhymnen beider Länder gespielt und – mehr oder weniger – gesungen. Jeder Spieler der Nationalmannschaft trägt stolz den Titel „Nationalspieler“, mag er auch als deutscher Staatsbürger ohne türkische Staatsangehörigkeit dem türkischen Staatspräsidenten sein Trikot von Manchester City mit der (türkischen) Widmung überreichen: „Für meinen verehrten Präsidenten – hochachtungsvoll“.

Und damit bin ich mitten im Thema. Am 16. Mai 2018 habe ich diesen Leserbrief an die „Welt“ geschickt, der im Wesentlichen unverändert abgedruckt wurde:

„Leider hat Theo Zwanziger schon vor Jahren meinen Vorschlag abgelehnt, die deutsche Nationalmannschaft in ‚DFB-Auswahl‘ umzubenennen und auf das Abspielen und Absingen der deutschen Nationalhymne vor ‚Länderspielen‘ zu verzichten. Der Mythos ‚Nationalmannschaft‘ besteht also weiter. Und wer auch nur kurz in einem Pflichtspiel ‚für Deutschland‘ aufgelaufen ist, kann stolz und werbewirksam als ‚Nationalspieler‘ firmieren. Dann sollte aber auch klar sein: Wer als Nationalspieler bei der Nationalhymne die Lippen zusammenpresst, hat in der deutschen Nationalmannschaft ebenso wenig verloren wie jemand, der Erdoğan huldigt oder ihn gar als seinen Präsidenten bezeichnet. Nur am Rande: Als die ‚Nichtsänger‘ Klose und Khedira mal kurzzeitig die Kapitänsbinde trugen, haben sie bei der Nationalhymne wenigsten die Lippen bewegt. Offenbar hatten beide ein Gefühl für das, was sich gehört.“

Löw scheint politisch naiv zu sein

Nun ist es beileibe nicht so, dass mir das ein Herzensanliegen wäre. Mir geht es nur um Ehrlichkeit und Konsequenz. Deswegen hätte ich Joachim Löw auch geraten, Ilkay Gün­doğan und Mesut Özil bei der WM 2018 zu Hause zu lassen. Löw hat anders entschieden und wundert sich jetzt über die Pfiffe, mit denen jeder Ballkontakt Gündoğans im Spiel gegen Saudi-Arabien in der Leverkusener BayArena begleitet wurde. Die „Welt“ meldete danach:

„Joachim Löw zeigte sich nach der Partie denn auch einigermaßen entgeistert über die neuerlichen Unmutsbekundungen, vor allem gegenüber Gündogan. ‚Ich frage mich allmählich, was soll Ilkay nun tun? Er hat sich der Presse gestellt, er hat gesagt, es war kein politisches Statement. Was soll er denn noch machen?‘"

Mein Gott, Löw scheint politisch genauso naiv zu sein wie seine beiden „türkischen Jungs“. Wenn ein Sohn türkischer Eltern, der in Deutschland geboren ist und nur die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, einem Politiker wie Erdoğan eine solche Widmung aufs Trikot schreibt, was soll das denn anders sein als ein politisches Statement? Angela Merkel kann ihre zahlreichen Rechtsbrüche als Bundeskanzlerin auch nicht dadurch bagatellisieren, dass sie erklärt, das waren keine Rechtsbrüche. Fertig.

Erstaunlich ist, dass ausgerechnet ein Fußballpublikum das Verhalten des Nationalspielers so kritisch bewertete. Aber SpOn stellt das flugs klar: „Es geht nicht um Politik“, „Der Kern des würdelosen Spektakels ist Rassismus.“ Wow! 30.000 „Rechte“ im Stadion. Eine solche Mobilisierung muss der AfD erst mal jemand nachmachen.

Okay, vermutlich haben nicht alle gepfiffen. Ich hätte es auch nicht getan, wäre ich unter den Zuschauern gewesen. Ist einfach nicht mein Stil. Bleibt die Löw-Frage: Was soll er (der arme Gündoğan) denn machen? Ganz einfach: Er wusste vorher, was er machen soll, also sollte er es jetzt auch wissen. Ist schließlich 27. In dem Alter wurde Sebastian Kurz gerade Außenminister. Also!

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

klaus brand / 10.06.2018

@Hubert Bauer / 10.06.2018 Zitat: “Ich sehe es ganz anders. Fußballnationalspieler verdienen (bekommen) mit Anfang Zwanzig schon 5 Mio € p. a.” Falsch. Fußballnationalspieler in Deutschland verdienen beim Erreichen des Weltmeistertitels einige 100.000 Euro. Den genauen Betrag ergoogeln Sie sich bitte selbst, er ist in diesem Zusammenhang allerdings auch völlig bedeutungslos. Zitat: “Da lebt man automatisch in einer anderen Welt.” Fußballspieler in Deutschland verdienen in der Bundesliga absurde Gehälter von - ich bin kein Spezialist in diesem Bereich - 500.000 bis 10.000.000 Euro pro Jahr. In welcher Welt sie dann leben hängt ganz von jedem einzelnen ab. Deren Äußerungen zu jedwedem politischen Vorgang darf ich sehr wohl bewerten. Das tue ich auch. Ich halte manche für intellektuell unterbelichtet (Özil, Gündogan), manche für mittelschlau (Hummels, Neuer), und einige für superschlau (Lahm, Gomez). Das hat nichts mit deren fußballerischen Qualitäten zu tun, Gerd Müller war sicher nicht die hellste Leuchte auf der Torte, aber hat soweit ich es weiß die meisten Tore in der Equipe, die früher als “Nationalmannschaft” bekannt war erzielt. Entscheidend ist, ob diese Spieler sich zu dem Land bekennen, für das sie auf den Rasen auflaufen, und daß sie das mit dem Absingen der Nationalhymne auch bezeugen, oder ob sie das nicht tun. Können sie das nicht, so bleibt ihr absurd hohes Bundesligagehalt davon unbeeinflußt, aber dann gehören sie eben nicht in diese Nationalmannschaft. Sie dürfen dann in jeder von ihnen gewählten Welt leben, meinetwegen auf Melmak. Aber Alf würde sie, so glaube ich, auch nicht mögen.

Robert Jankowski / 10.06.2018

Zum Einen ist es die Nationalmannschaft und ich freue mich, dass es zumindest da für einige Zeit möglich ist seinem Nationalstolz zu frönen. Das stärkt nämlich (außer bei den türkischen Spielern) auch das Zugehörigkeitsgefühl z.B. bei vielen hier lebenden Ghanaern, von denen bzw. ihren Kindern viele im Fußball aktiv und erfolgreich sind. Einen Jonathan Tah, einen Gideon Jung, einen Moritz-Broni Kwarteng oder einen Gerald Asamoah kann man dazu, stellvertretend für Viele, nennen. Fakt ist, dass es nicht alleine um die Nationalelf als Symbol eines gewissen Chauvinismus geht, sondern darum, dass sich zwei Nationalspieler mit einem Mann ablichten lassen und ihn “Mein Präsident” nennen, der ein islamistischer Autokrat ist und für Abschaffung der Demokratie und die Gleichschaltung des Staates steht. So naiv kann Jogi Löw doch nicht wirklich sein, dass er meint mit einer Presseerklärung (=Lippenbekenntnis) wäre die Sache vom Tisch. Beide Spieler hätten von der WM ausgeschlossen wwerden müssen. Da weder der Trainer, noch der DFB Anstalten machen, dies zu tun, ist diese Nationalelf für micht gestorben. Sie ist genauso tot, wie die, vom DFB immer hoch gehaltenen Pseudointegration der Herren Özil und Gündogan.

Thorsten Kiefer / 10.06.2018

Ich sehe das noch entspannter. Özil und Gündogan sind erwachsene Menschen und können in ihrer Freizeit ziemlich viel machen, was nicht explizit vom Gesetz verboten ist. Der ganze Vorgang ist aus meiner Sicht eine Blamage für den DFB, der seit Jahren Werbefilmchen für “Vielfalt”, “Integration” und allgemeines Multikulti-Gedöns produziert und verbreitet. Wer hat eigentlich einen Sportverband für solche Art politischer Einflussnahme beauftragt? Die Millionen Beitragszahler sicher nicht. Jetzt fällt die ganze Propaganda dem DFB vor die eigenen Füße. Das wäre jetzt der perfekte Zeitpunkt die politische Volkserziehung einzustellen und mal ehrlich darüber zu reflektieren, was denn “Integration” und “Vielfalt” genau bedeuten soll und was nicht. Und wen man eigentlich warum so penetrant mit Werbefilmchen belehren will.

Sebastian Weber / 10.06.2018

Gündogan hat sich nicht der Presse gestellt. Man hat ihm die Möglichkeit gegeben, seine Distanzierung von Deutschland zu relativieren und “sorry” zu sagen.

P.Steigert / 10.06.2018

Für die politische Linke ist die Unterscheidung zwischen Fremden und Einheimischen generell Rassismus. Dabei stellt man sich naiv hinter das Deckmäntelchen der offiziellen Nationalität. Das tut auch der DfB und Löw. Wenn wir mal von Türken wegkommen. Da gab es z.B. mal einen naturalisierten “Nationalspieler” Neuville, der hatte noch nicht einmal B-Niveau in der deutschen Sprache. Ich würde zu dem Thema auch gerne wissen, wie viele der Eltern der inzwischen sehr vielen optisch afrikanischen Jugendspieler des DfB illegal nach Deutschland gekommen sind. Man schiebt das der Gesellschaft einfach so unter, aber das wird nicht gutgehen. Was auf den Straßen und Schulen nicht zu verkraften ist, kann auch nicht von einzelnen, sportlichen Erfolgen überdeckt werden. Zu den aktuellen Sportfunktionären gibt es in der Geschichte leider etliche negative Vorgänger bzgl. kritiklosen Mitmachens.

Werner Arning / 10.06.2018

Löw und auch die Fußballer, sollten sie eine politische Meinung haben, werden einen Teufel tun und es sich mit den Mainstream-Medien verderben. Die Beurteilungen der Medien bestimmen unter Umständen ihren Marktwert nicht unwesentlich mit. Eigentlich niemand, der in der Öffentlichkeit steht, kann sich derzeit, eine vom politischen Mainstream abweichende Meinung erlauben. Es würde seiner Karriere sicher nicht förderlich sein. Insofern kann man die Aktion Özils und Gündogans ja fast als mutig bezeichnen. Sie haben allerdings auch nicht viel zu befürchten. Viel gefährlicher wäre es derzeit etwa Sympathien für die AfD oder für Trump zu bekunden. Selbst für Kurz wird so schnell kein Prominenter öffentlich Sympathie bekunden. Ganz zu schweigen von Orban. Jeder, der im Verdacht steht, sich politisch rechts zu bewegen, steht auf vermintem Gebiet und sollte tunlichst jede falsche Bewegung vermeiden. Özil und Gündogan schützt und stärkt ihr türkischer Migrationshintergrund. Als dem Islam näherstehend, gelten sie als unverdächtig. Ein Österreicher, der sich für Kurz aus dem Fenster lehnt, oder ein Amerikaner, der das für Trump täte, dürfte mit weniger Verständnis rechnen. Abgeschwächt gilt das wohl auch für Israelis und Netanjahu, und andere Nationalitäten, die der deutschen Politvorgabe nicht folgen.

Michael Scheffler / 10.06.2018

Die Frage sollte lauten: “Was soll Löw machen.” Die Beiden nicht mitnehmen. Erstens gintsuf der Position genügend Leute, die zweitens auch noch motiviert sind. Und eventuell sich auch noch für unsere Nationalmannschaft die gewissen Extraprozente reinhängen.

Klaus Fellechner / 10.06.2018

Pfeifen was sonst.Wenn es schon die BKlerin nicht macht,dann wir! Im übrigen gibt es keine Nationalmannschaft, nur Die Mannschaft,alles klar? POLITISCH WOLLEN WIR KEINE NATION MEHR SEIN,JEDENFALLS WENN ES NACH DEM HEUTIGEN POLITISCHEN MAINSTREAM GEHT!

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Rainer Grell / 17.01.2021 / 15:00 / 41

Wann hatten die Deutschen Gelegenheit, Demokratie zu lernen?

Wann hatten wir in Deutschland eigentlich Gelegenheit, Demokratie zu lernen? Nach dem Antritt des neuen Jahrhunderts, ein Jahrzehnt nach der Französischen Revolution, riet Friedrich Schiller…/ mehr

Rainer Grell / 19.11.2020 / 11:00 / 10

Vorbild Kamel

Schon Dädalus, eine Figur der griechischen Mythologie, hatte die Idee: Für sich und seinen Sohn Ikarus konstruierte er einen Flugapparat nach dem Vorbild der Vögel…/ mehr

Rainer Grell / 26.09.2020 / 06:15 / 97

Demokratie auf Tauchstation?

Die Corona-Pandemie war die Stunde der Exekutive. Niemand hat das deutlicher zum Ausdruck gebracht als die Stuttgarter CDU-Abgeordnete Karin Maag, als sie in der Bundestags-Debatte am…/ mehr

Rainer Grell / 06.09.2020 / 16:30 / 7

Homeoffice – da war doch was…

Vor 25 Jahren schrieb ich einen Artikel über „Telearbeitsplätze in der Landesverwaltung Baden-Württemberg: Bilanz eines gescheiterten Projekts“. Falls Sie mir nicht glauben: Hier ist der Beweis.…/ mehr

Rainer Grell / 04.09.2020 / 06:00 / 67

Israelfreundin Angela Merkel?

Angela Merkel hat als Bundeskanzlerin so ziemlich alle Ehrungen erfahren, die jüdische Organisationen und der Staat Israel zu vergeben haben: Leo-Baeck-Preis des Zentralrats der Juden…/ mehr

Rainer Grell / 29.07.2020 / 16:00 / 18

Pädophilie-Skandale: Greift die ganze Härte des Gesetzes?

Vor zehn Jahren nahm mit der Aufdeckung des Missbrauchsskandals am Canisius-Kolleg, einem vom Jesuitenorden getragenen, privaten und staatlich anerkannten katholischen Gymnasium in Berlin-Tiergarten, eine Debatte ihren Fortgang,…/ mehr

Rainer Grell / 27.07.2020 / 16:00 / 17

Schleyer und der Sultan

Jetzt, wo alle am Umbenennen sind, darf ich nicht abseits stehen. Ich möchte mir nicht von meinen Kindern und Enkeln posthum vorwerfen lassen, wo war…/ mehr

Rainer Grell / 01.07.2020 / 15:00 / 3

Rostock, der Tod und die D-Mark

Die letzte Juni-Woche ruft jedes Jahr die Erinnerung an ein Erlebnis in mir wach, das in diesem Jahr 30 Jahre zurückliegt. Am Montag, den 25.…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com