Sabine Drewes, Gastautorin / 17.06.2019 / 06:11 / Foto: CIA / 50 / Seite ausdrucken

17. Juni – Der gestohlene Ehrentag

Ich wage einfach mal, frech zu behaupten, das freiheitsfeindliche Bild, das viele Deutsche von ihresgleichen zeichnen, ist ein Trugbild – allerdings eines, dem sie seit Jahrzehnten ziemlich blind folgen. Ein Trugbild, das von Schulen und Bildungseinrichtungen, von Medien und Politik kräftig befördert wurde und das kaum hinterfragt wird. Und nun haben wir den Salat.

Fragen Sie einmal Ihre Mitbürger, besonders die jüngeren, was ihnen zum Thema Freiheitsbestrebungen der Deutschen einfällt. Ich fürchte, das Ergebnis fiele ziemlich ernüchternd aus. Was ist das Fatale daran? Je länger wir uns einreden, wir Deutschen „können“ keine Freiheit, desto größer ist die Gefahr einer sich selbsterfüllenden Prophezeiung. Zugleich nehmen wir Etlichen den Mut, sich offen für die Freiheit einzusetzen, und sei es „nur“ für die Meinungsfreiheit.

Es ist ein hochbrisantes Ergebnis, welches das Institut für Demoskopie Allensbach (siehe hier, hier und hier) kürzlich bekanntgab: Nur noch 18 Prozent der Deutschen glauben, sie könnten in der Öffentlichkeit frei ihre Meinung äußern, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen. Wenn also 82 Prozent ihre Ansichten lieber für sich behalten oder nur im engsten Familien- und Freundeskreis aussprechen, werden die verschiedenen Positionen nur noch verzerrt abgebildet. Stirbt die Meinungsfreiheit, sterben am Ende auch alle anderen Freiheiten. Wollen wir das? Wenn wir dies nicht wollen, dann muss es nicht nur erlaubt sein, sondern dann ist es sogar dringend notwendig, auch die Erinnerung an deutsche Freiheitskämpfe wachzuhalten.

Einer dieser Freiheitskämpfe fand heute vor sechsundsechzig Jahren statt, am 17. Juni 1953. Um Kritikern gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen: Natürlich ist heute kein „runder“ Gedenktag, aber man muss die Friedliche Revolution von 1989 auch im Kontext von 1953 sehen. Die Freiheitskämpfer von 1989 stehen auf den Schultern der Freiheitskämpfer von 1953. 1989/90 wurde vollendet, was 1953 begann. Aus diesem Grunde kann man die Geschehnisse vor dreißig Jahren nicht isoliert von 1953 betrachten. Dieser Zusammenhang wird kaum je beachtet, vielfach sogar negiert.

Da muss es niemanden wundern, wenn die wenigsten Menschen mit dem 17. Juni groß etwas anfangen können. Er ist seit langem völlig zu unrecht total unterbelichtet. Meine persönliche und deshalb – um es gleich zu sagen – nicht repräsentative Erfahrung geht dahin, wenn mit diesem Tag überhaupt etwas verbunden wird, dann ausschließlich eine eher vage Erinnerung an einen gescheiterten Arbeiteraufstand. Das ist allerdings eine unzulässig verkürzte Sicht und eine, die sich etliche Schulen zu eigen gemacht haben, falls sie denn diesen Aufstand im Unterricht überhaupt thematisieren. Viele verzichten seit langem gleich ganz darauf.

Der 17. Juni wäre ein idealer Feiertag

Die Jüngeren werden vermutlich nicht einmal wissen, dass der Deutsche Bundestag bereits am 2. Juli 1953 beschloss, diesen Tag ab dem 4. August zum „Tag der Deutschen Einheit“ zu erklären, was er bis einschließlich 1990 blieb. Es war im übrigen ein SPD-Politiker, von dem der Vorschlag ausging, den 17. Juni zu einem gesetzlichen Feiertag der Bundesrepublik Deutschland zu erheben: Herbert Wehner. Pikant: sein Parteifreund Egon Bahr, 1953 Chefkommentator des RIAS, befürwortete damals schon das Appeasement an die SED-Diktatur. Er forderte am 18. Juni, als noch zahlreiche Betriebe bestreikt wurden, die Menschen dazu auf, ihren Widerstand gegen die kommunistische Zwangsherrschaft aufzugeben.

Später waren es seine Partei und die Grünen, die diesen Feiertag verhöhnten und am vehementesten bekämpften. Man muss leider konstatieren: Von Ausnahmen abgesehen, hatte sich der Westen im Zusammenhang mit dem 17. Juni nicht mit Ruhm bekleckert, obwohl es gerade an diesem Tag um die von ihm zum Essential erklärte Freiheit ging.

Der Aufstand, der am 16. Juni 1953 als Protest gegen die Normenerhöhungen der SED begann und am 17. Juni zu einem wahren Volksaufstand gegen das verhasste Regime und schließlich zu einem Freiheitskampf und zu einem Kampf für ein ungeteiltes Deutschland umschlug, verdient es, in der Öffentlichkeit mehr Beachtung zu finden und in das Bewusstsein des kollektiven Gedächtnisses der Deutschen einzugehen.

Nach meiner Überzeugung hätte Kanzler Kohl besser daran getan, den 17. Juni als Nationalfeiertag des geeinten Deutschlands zu belassen, anstatt diesen Feiertag auf das offizielle Datum der Wiedervereinigung zu verlegen. Damit wurde den Freiheitskämpfern ihr Ehrentag am Verhandlungstisch gestohlen. Mit dem 3. Oktober, der willkürlich gewählt wurde und ohne jeden weiteren historischen Bezug ist, verbinden viele Bürger kaum mehr Gefühle als mit dem 23. Mai, dem Tag der Verkündigung des Grundgesetzes und der Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Von einem Nationalfeiertag aber sollte idealerweise eine positive und zugleich tiefgreifende emotionale Botschaft ausgehen. Sonst ist er im eigentlichen Sinne kein Feiertag, sondern „nur“ ein Gedenktag.

Während der 9. November ein problematisches Datum bleibt, wäre der 17. Juni ein idealer Gedenk- und Feiertag. Im Vordergrund der Erinnerung an den 17. Juni steht zwar meist das Scheitern des Aufstandes. Damit aber wird man diesem Tag in keiner Weise gerecht. Der Aufstand schwoll am 17. Juni zu einer Stärke an, die die SED das Fürchten lehrte. Ihre Führung hatte sich in geradezu panischer Angst vor dem Volk im Haus der Ministerien (heute Bundesfinanzministerium) in Berlin verschanzt und die Kontrolle über die unterdrückte Bevölkerung verloren. Das Volk zwischen Ostsee und Erzgebirge, zwischen Elbe und Oder, erhob sich in allen Landesteilen und in über 700 Städten und Gemeinden sowie in über eintausend Betrieben und Genossenschaften gegen die von den Sowjets aufoktroyierte kommunistische Gewaltherrschaft und gegen die Teilung Deutschlands.

Nazis im Dienst der Kommunisten

Es war der erste große, von breiten Bevölkerungsteilen getragene, ja der erste nennenswerte Aufstand im kommunistischen Machtbereich überhaupt. Und er ging von den Deutschen aus! Ja, von den angeblich so braven, obrigkeitshörigen Deutschen, die nach Lenins Lesart erst eine Bahnsteigkarte lösen würden, bevor sie Revolution machten. Das Bild stimmt hinten und vorne nicht. Ich bin sicher, Lenin hätte 1953 seine Meinung über die Deutschen entsetzt korrigiert, hätte er noch gelebt. Denn dieser Aufstand von Millionen Menschen für die Freiheit und Einheit wäre ein riesiger Erfolg geworden, wenn er nicht durch sowjetische Panzer brutal niedergewalzt worden wäre. Die Teilung Deutschlands wäre dann schon 1953 Makulatur gewesen; dies hätte uns unendlich viel Leid und die bis heute andauernden Folgen der jahrzehntelangen Teilung erspart.

Erinnern sollten wir uns auch daran: 1953 lagen die Schrecken der nationalsozialistischen Diktatur erst acht Jahre zurück. Der 17. Juni 1953 straft all jene Lügen, die behaupten, die Deutschen hätten aus zwölf menschenverachtenden Jahren nichts gelernt und seien besonders anfällig für totalitäre Versuchungen sowie unfähig, sich für die Freiheit zu erheben. Im Gegenteil: Gerade östlich der Elbe erkannten viele, dass hier eine Willkürherrschaft durch eine andere abgelöst worden war; dass sich zwar die Farben und Embleme, nicht aber die repressiven Methoden wandelten. Niemand anders als Kurt Schumacher (SPD) hatte die Kommunisten als „rotlackierte Nazis“ bezeichnet und immer wieder vor ihnen gewarnt.

Etliche ehemalige nationalsozialistische Konzentrations-, Kriegsgefangenen- und Straflager wie Buchenwald, Sachsenhausen, Waldheim, Torgau, Bautzen (siehe hier). wurden von der sowjetischen Besatzungsmacht ab 1945 weiterbetrieben; in ihnen kamen nicht wenige ums Leben, die gar keine persönliche Schuld auf sich geladen hatten, darunter auch zahlreiche Gegner der sowjetischen Besatzungspolitik. Umgekehrt wendeten sich nicht wenige ehemalige Nationalsozialisten über Nacht zu Kommunisten, ohne dass die Sowjets und die 1946 gegründete SED dagegen Einwand erhoben hätten. Vielmehr kam es ihnen zupass. Denn auch nach 1945 ging es darum, ein Volk zu unterdrücken und ihm den Willen einer totalitären Macht aufzuzwingen. Das ging am besten mit Leuten, die sich auf ihr Handwerk verstanden.

Mehr als seelenlose Befehlsempfänger

Hubertus Knabe hat in seinem Buch „17. Juni 1953. Ein deutscher Aufstand“ sehr kenntnisreich, sehr eindrucksvoll, sehr präzise und unglaublich spannend die Geschehnisse rund um die denkwürdigen Juni-Tage des Jahres 1953 nachgezeichnet und analysiert. Wer das Buch gelesen hat, der wird den 17. Juni möglicherweise mit anderen Augen sehen. Er wird erkennen, dass er trotz des Scheiterns ein grandioser Erfolg war. Knabe schreibt auf den Seiten 21/22:

Dabei gab es in der deutschen Geschichte keine andere Revolution, die ein auf Gewalt und Unterdrückung beruhendes Herrschaftssystem so schnell, so flächendeckend und so vollständig aus den Angeln hob.

Der spontane Protest gegen die SED-Regierung blieb kein passiver. Und dies, obwohl es keinen Plan, kein organisatorisches Zentrum, keinen Anführer, ja nicht einmal einen zentralen Aufruf zum Sturz des Regimes gab (Knabe, Seite 153/154). In Merseburg und an weiteren kleinen Orten gab es Ansätze zur Absetzung der bisherigen Regierenden. Auf dem Lande, wo die SED noch schwächer in der Bevölkerung verankert war, gab es Beispiele für geordnete Machtübernahmen. So etwa in Kollm bei Görlitz. In Bitterfeld wurde für wenige Stunden die Macht im Rathaus von einem durch ein überbetriebliches Streikkomitee gewählten neuen Bürgermeister übernommen (Knabe, Seite 201).

Solche Machtübernahmen geschahen in aller Regel friedlich, wie auch die Demonstranten selbst in der Mehrheit friedlich und diszipliniert für ihre Belange stritten. In Halle rief das dortige Streikkomitee zu einer zentralen Kundgebung auf dem Hallmarkt auf; sein Sprecher forderte freie Wahlen, eine 40-prozentige Senkung der HO-Preise und den Rücktritt der Regierung. Es wurde zum Generalstreik aufgerufen, und am nächsten Tag wollte man die Stadtverwaltung übernehmen. Wie in Berlin am Brandenburger Tor sangen auch hier die Demonstranten gemeinsam das Deutschlandlied (Knabe, Seite 207).

In der seit 1945 geteilten Stadt Görlitz gelang es den Aufständischen, für wenige Stunden, die Macht zu übernehmen. Hier waren sie deshalb so erfolgreich, weil es schon in den Mittagsstunden zu einer Massenkundgebung kam. In dieser Stadt waren etwa 40 Prozent der Einwohner Vertriebene aus den deutschen Ostgebieten; ihre Abneigung gegen das SED-Regime war besonders groß (Knabe, Seite 217/218). An etlichen Orten wurden die Gefängnisse gestürmt, um die politisch Inhaftierten freizulassen (Knabe, Seite 189ff.).

Neben den bekannten Bauarbeitern aus der Berliner Stalinallee erhoben sich, was weniger bekannt ist, auch die Bauern massiv gegen das SED-Regime (Knabe, Seite 232f.). Es bleibt festzuhalten: Ein Teilvolk der Deutschen, quer durch alle Schichten, hatte in jenen Junitagen alles riskiert – für die Freiheit. Dabei erreichte es fast sein Ziel. Dass es diesen Kampf am Ende verlor, ist nicht seine Schuld und umso tragischer zu bewerten. Sowjetische Truppen setzten diesem kurzen Tag der Freiheit ein blutiges Ende. Aber dieser Kampf um die Freiheit war nicht umsonst und verdient unser aller Respekt – und Dank. Dieser zu recht heroisch zu nennende Freiheitskampf hat den Deutschen ein Stück ihrer Würde zurückgegeben; er hat der Welt gezeigt, dass die Deutschen keine seelenlosen Befehlsempfänger sind.

Das ist vielleicht der Hauptgrund dafür, warum der 17. Juni bis heute besonders in linken Kreisen wie eine peinliche Entgleisung behandelt wird, an die man möglichst nicht erinnert werden möchte. Diesen Gefallen sollten wir ihnen nicht tun. Vor allem aber haben das die Menschen nicht verdient, die in jenen Tagen des Aufstandes ihr Leben, ihre Gesundheit und ihre kurz wiedergewonnene Freiheit verloren.

Unser Selbstbild ist negativ eingefärbt

1989 war die Lage in Deutschland und auf der weltpolitischen Bühne eine andere als 1953. Trotzdem wussten die Menschen auch 1989 nicht, was sie erwarten würde. Ihre Proteste waren ebenfalls mit hohem persönlichem Risiko behaftet. Die blutige Niederschlagung des Aufstandes auf dem Platz des Himmlischen Friedens am 4. Juni 1989 zeigte ihnen sehr deutlich, was auch ihnen im schlimmsten Falle blühen könnte. Für ihren Mut, gegen die Repressionen, gegen die Wahlfälschungen vom 7. Mai und für die Freiheit auf die Straße zu gehen, verdienen unsere ostdeutschen Landsleute alle Anerkennung. Auch die Proteste auf Kirchentagen, die über eine Million Ausreiseanträge sowie die stetig anschwellende Massenflucht sorgten neben der wirtschaftlichen Pleite dafür, dass das SED-Regime 1989 in seinen Grundfesten erschüttert wurde.

Doch in dem Maße, wie das Regime die Kontrolle über den unterdrückten Teil der Deutschen verlor, in dem Maße stieg auch das Risiko an, dass die Machthaber im Bewusstsein ihres nahenden Endes noch einmal mit voller Gewalt um sich schlagen könnten. Sie taten es dann auch in den Tagen und Nächten des 7./8. Oktober 1989. Es gab entsprechende Pläne und fertige Anweisungen, die landesweiten Proteste blutig zu beenden. Ich will hier nicht die Ereignisse vom Herbst 1989 vorwegnehmen. Noch ist es nicht soweit. Aber es begann merklich zu brodeln hinter Mauer und Stacheldraht. Trotz der unvermindert bestehenden Gefahr für Leib und Leben ließen sich immer weniger Menschen einschüchtern.

Wir Deutschen neigen dazu, das Negative unserer Geschichte mit Verve herauszukehren und uns selbst auf die Anklagebank zu setzen. Und zwar gnadenlos. Unser Selbstbild ist entsprechend negativ eingefärbt. Dabei vergessen wir, dass dort, wo harte Schatten fallen, die Sonne umso heller scheint. Es geht nicht um die Glorifizierung der deutschen Geschichte. Doch kann man nicht ständig darüber jammern, dass wir Deutschen in Sachen Freiheit und Demokratie versagt hätten und gleichzeitig die Erinnerung an den Einsatz jener Deutschen für eine freiheitliche Demokratie – wenn schon nicht tilgen, so doch zumindest stark relativieren wollen.

Gerne beneiden wir andere Nationen um ihre tatsächlichen oder vermeintlichen Freiheitskämpfe oder verklären diese. Eigene Leistungen für die Freiheit und Einheit der deutschen Nation in einer langen, wechselvollen Geschichte eines Volkes, das stets mitten in Europa lebte und deshalb immer auch ein Spielball vieler Mächte war, achten wir vergleichsweise gering. Diese Selbstherabsetzung zieht sich wie ein roter Faden durch unser Geschichtsverständnis.

Elisabeth Noelle-Neumann hatte recht: Wir sind eine verletzte Nation. Aber es steht nirgendwo geschrieben, dass wir dies auf immer und ewig bleiben müssen. Das haben viele Ostdeutsche besser begriffen als jene Westdeutsche, die in die Freiheit hineingeboren wurden. Ausgerechnet jene, die seit 1968 die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland verhöhnten und gegen die Einheit Deutschlands in Freiheit wetterten, lassen wir ein schäbiges Spiel auf der Klaviatur des ewigen Verletztseins spielen. Sie sind die Letzten, die ein Recht hätten, den mutigen Einsatz unserer Landsleute für die Freiheit schlechtzureden. Für so viel Niedertracht sollten sie sich schämen.

Eine eindrückliche Biuldersammlung vom 17.Juni 1953 findet sich hier im Archiv des Spiegel.

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Alexander Mazurek / 17.06.2019

Nun, die Anpassung, und Unterwerfung sichern das Überleben, so die Erkenntnis von Darwin … Ein Erbe der Aufklärung, bis dahin gab’s ja ein Gewissen, welches, so Sokrates, des Gottes bedurfte, der nun aber abgeschafft ist. “Captive mind”, 1953, von C. Milosz führt die Rechtfertigungsgründe unserer freiwilligen Sklaverei auf. “Ein kleiner Fehler im Anfang am Ende ein großer wird”, wusste schon Aristoteles. Ohne eine Umkehr vor den “kleinen Fehler” gibt es keine Hoffnung auf Besserung.

Dr. Hans Wilhelm Meier / 17.06.2019

Ein wirklich sehr guter Artikel. Danke ! - Aber einen Satz muß ich herausgreifen, der so zwar viel zu oft geschrieben wird, aber dennoch nicht stimmt. : “Wir Deutschen neigen dazu, das Negative unserer Geschichte mit Verve herauszukehren und uns selbst auf die Anklagebank zu setzen.”  Es sind nicht “wir Deutschen” , die dies tun. Es ist nur ein kleiner Teil von uns. Der aber ist so laut, daß man den Eindruck hat, es wäre die Mehrheit. - Der 17. Juni wurde in der Bevölkerung der Bundesrepublik ab etwa 1965 überwiegend als “Bundesbadetag” wahrgenommen, weil “die da oben”  ihn nur sehr halbherzig, nein nicht einmal viertelherzig gesehen und begangen haben. Deshalb ist er auch verschwunden.

Marcel Seiler / 17.06.2019

Danke für diesen Artikel! – Ich selbst hasse den 3. Oktober, an dem Deutschland sich regelmäßig in Schwere und Schuld huldigt. Innerlich boykottiere ich ihn: wer will schon zu einem Deutschland des 3. Oktobers gehören? Der 17. Juni wäre ein absolut geeigneter Nationalfeiertag. Im Sommer. Mit Grillen und Baden. Vielleicht mit Feuerwerk am Abend. Und mit Freiheit als Mittelpunkt. – Übrigens sollte unsere Nationalhymne lauten: Freiheit, Recht und Einigkeit, mit der Freiheit als erstes.

Dr. Gerhard Giesemann / 17.06.2019

Die Nationalsozialisten waren eben für einen Sozialismus (Stichwort Gebrüder Strasser) in einem Lande. DAS kam Josef Stalin sehr entgegen, der war ebenfalls für Sozialismus in (s)einem Lande - im Streit mit Trotzky, der es eher international wollte. War das der Grund dafür, dass sich Hitler und Stalin sogar zu einem Pakt verstiegen haben, samt geheimer Zusatzprotokolle zur Aufteilung Europas im Osten? Selbst wenn es ein Missverständnis gewesen sein sollte - politisch wirksam war es allemal. Der 17. Juni hätte für die Sowjets das bedeutet: Das Vorschieben ihrer Interessensphäre weit nach Westen wäre gescheitert, ganze acht Jahre nach ihrem grandiosen Sieg über das Deutsche Reich. Das ging natürlich nicht, das war zu früh. Später, wirtschaftlich erschöpft, konnte sie nichts mehr verhindern. Insofern ist der jetzige Nationalfeiertag, der sich der Wiedervereinigung widmet, zugleich auch ein Gedenken an den 17. Juni 1953. Am Klügsten wäre es gewesen, beide Feiertage (weiterhin) zu begehen - aber der Deutsche soll ja schaffen, für Hinz und Kunz und Moslem, und nicht so viel feiern. Ich jedenfalls feiere heute, das Wetter ist schön, um 12.00 Uhr macht der Biergarten auf - mal sehen, wer mitmacht. Und wir singen die zweite Strophe: Deutsche Frauen, deutsche Treue, deutscher Wein und deutscher Sang ... . Darf auch ein Bier sein.

Wolfgang Kaufmann / 17.06.2019

Der Deutsche will die herrschende Lehre perfekt umsetzen, der Deutsche will der Mehrheit gefallen. Unsere kulturelle DNA hat kein Revolutions-Gen, dafür aber gleich drei Gene für Gläubigkeit, Konformität und vorauseilenden Gehorsam. – Was uns ebenfalls fehlt, ist Skepsis; die Theorie vernebelt uns den Blick auf die Wirklichkeit. Bei uns sind Regierungen erfolgreich, die das eine sagen und das Gegenteil tun. – Der Euro sei so stabil wie die Mark? Keiner hafte für die Schulden des anderen? Hallo, keiner da? Wir reden von europäischen Lösungen und hintergehen die Partner mit Sonderwegen bei Energie, Einwanderung und Exportüberschuss. Quousque tandem?

Karl Eduard / 17.06.2019

Ich kann den Quark von den “Freiheitskämpfern” von 1953 nicht mehr lesen. Heute sind alle Quellen zugänglich und dennoch wird so eine Legende verdichtet. Wenn in Westdeutschland Arbeiter streikten, dann taten die das auch nicht wegen der Freiheit, sondern um ihre wirtschaftliche Situation zu verbessern. Und in der DDR ging es konkret um die Marmelade auf dem Brot. Es gab erhebliche Normerhöhungen, das heißt, für mehr Arbeitsleistungen gab es denselben Lohn. Und wer die erhöhte Norm nicht schaffte, hatte Lohneinbußen. Zeitgleich wurden die Preise für Grundnahrungsmittel erhöht. Man hatte also weniger im Portemonai und konnte sich damit weniger als zuvor kaufen. Ich wünschte wirklich, die jeweiligen Artikelschreiber würden sich mit dieser Zeit beschäftigen, anstatt Heldenmärchen zu töpfern. Ich empfehle von Stefan Heym “5 Tage im Juni”, wer es milde und als Belletristik mag.

Andreas Rochow / 17.06.2019

Danke, verehrte Sabine Drewes. Es spricht Bände, dass dieses von Ihnen formulierte würdige Gedenken an den 17. Juni 1953 (nur) in den “alternativen Medien” veröffentlicht wird. Die Programmverantwortlichen des ö.-r. Zwangsgebühren-Rundfunks und die Mainstreampresse fühlen sich hingegen einer linksgrünen Permanentpropaganda, der entsprechenden Geschichtsklitterung und einem verkitschten Schuldkult verpflichtet. Sie haben folglich den klaren Blick auf das Volk und die Welt total verloren.

Dr. Roland Stiehler / 17.06.2019

Ich bin Ihnen wie viele Landsleute auch sehr dankbar, dass sie das Geschichtsbild der Deutschen wieder etwas geradegerückt haben. Die 68 `er Bewegung war sicherlich eine Antwort auf das immer noch vorhandene nationalsozialistische Gedankengut in der Bevölkerung. Diese Bewegung ist aber völlig aus dem Ruder gelaufen und marschierte durch die Institutionen bis heute. Der Schriftsteller Martin Walser hatte das vor Jahren erkannt (seine Rede in der Paulskirche), wurde aber von den Eiferern und Fanatikern in gemäßigt faschistoider Manier zum Exempel sofort und gründlich in den Boden gestampft. Auf dieser linksgrünen Welle reitet die Kanzlerin bis heute, aber sie wird in absehbarer Zeit brechen. Viele erkannten und immer mehr ahnen, was dadurch für ein immenser Schaden angerichtet wurde. Auch wenn sich die Eiferer in den Propagandasendern und -Blättern als Wellenbrecher versuchen, per Internet drängt die Wahrheit in die Öffentlichkeit.

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