Vince Ebert / 10.03.2010 / 13:52 / 0 / Seite ausdrucken

130 Prozent für die Demokratie

Was ist der Unterschied zwischen Demokratie und Diktatur? Churchill sagte: Ich sammle Witze, die Menschen über mich machen. Stalin sagte: ich sammle Menschen, die Witze über mich machen. Genau genommen ist Demokratie keine Regierungsform, sondern ein Verfahren zur Eindämmung von Macht. Denn viele Politiker sind wie Windeln. Sie müssen regelmäßig ausgewechselt werden. Und zwar aus dem gleichen Grund.
Angefangen hat die demokratische Idee im alten Griechenland. Mit den ein oder anderen Kinderkrankheit. Socrates zum Beispiel wurde von seinem eigenen Volk per Abstimmung zum Tode verurteilt, weil den Athenern sein philosophisches Geschwafel auf den Geist gegangen ist. Seitdem ist bekannt: Der Schierlingsbecher hat einen bitteren Nachgeschmack. Alles in alles eine sehr demokratische, aber keine besonders humane Entscheidung. Wobei wir nicht wirklich wissen, wie nervtötend sein Geschwafel wirklich war.
Die bloße Tatsache, dass der Wille des Volkes in einer freien Wahl zum Ausdruck kommt, heißt erst mal nicht sehr viel. Im Grunde genommen bedeutet Demokratie lediglich, dass zehn Füchse und ein Hase darüber abstimmen können, was es zum Abendessen gibt. Freiheit dagegen bedeutet, wenn Meister Lampe mit einer Schrotflinte zur Abstimmung kommt.
Daher ist es auch ein großes Problem, wenn man Völker demokratisieren möchte, die nie gelernt haben, mit Freiheitsrechten umzugehen. Man kann nicht einfach irgendwo einmarschieren, den Diktator entmachten, freie Wahlen abhalten und dann glauben, alles ist in Butter. Wenn eine Gesellschaft nie gelernt hat, mit Presse-, Religions- und Meinungsfreiheit umzugehen, führen freie Wahlen unter Umständen zu noch viel schlimmeren Regimen.
Wobei in Afghanistan die letzten freien Wahlen wirklich sehr gut liefen. Dort kamen Regierung und Opposition gemeinsam auf sensationelle 130 Prozent!
Jetzt sagen Sie vielleicht „Naja, ist ja alles gut und schön, aber es dürfen halt eben auch die Dumpfbacken wählen.“ Aber ist das wirklich so schlimm? Vor etwa 100 Jahren führte der Wissenschaftler Sir Francis Galton ein interessantes Experiment durch. Er lies eine Gruppe von 800 Menschen das Gewicht eines Ochsens schätzen. Erstaunlicherweise betrug der daraus ermittelte Durchschnittswert bis auf wenige Gramm dem tatsächlichen Gewicht des Tieres. Ganz ähnlich verhält es sich in der Demokratie: Im Schnitt ist die große Masse vielleicht nicht sonderlich intelligent, aber was sie auf jeden Fall erkennt, sind die Ochsen.
Lohnt es sich wirklich, als Wähler besonders gut informiert zu sein? Die verblüffende Schlussfolgerung lautet: Nein! Da die Stimme eines Einzelnen kaum eine Chance hat, das Wahlergebnis wirklich zu beeinflussen, spielt es auch kaum eine Rolle, ob es sich dabei um eine gut oder schlecht informierte Stimme handelt. Wozu sich einen Kopf machen? Angenommen, Sie haben bei der letzten Bundestagswahl FDP gewählt, weil sie gehofft haben, dass Westerwelle nach dem Wahlsieg einen flächendeckenden Mindestlohn von 35 Euro einführt. Dann kostete sie dieser Fehler keinen müden Cent, denn ihre Einzelstimme war ja sowieso nicht wahlentscheidend. Das ist der Grund, weshalb sich ziemlich wenige Menschen Parteiprogramme durchlesen und sich stattdessen für andere Dinge interessieren. Bei der US-Präsidentschaftswahl 1992 war die bekannteste Tatsache von Bush, dass er Broccoli hasste. Fast alle Amis wussten, dass sein Hund Millie hieß. Einige Amerikaner glauben sogar bis zum heutigen Tag, der Vorname von Bush ist „Fuck“.

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