112-Peterson: Woher wissen Sie, ob es nach Ihrem Willen läuft?

Seien Sie im Gespräch bedacht und versuchen Sie nicht die Wahrheit zu verdrehen. Eine Lüge könnte Ihnen möglicherweise schaden.

Es gibt eine wichtige Regel: Streben Sie nach dem, was sinnvoll ist, nicht nach dem, was zweckmäßig ist. Ich denke, das ist eine knifflige Regel: Zweckmäßig könnte sein, dass wir ein Gespräch führen und ich etwas Konkretes von Ihnen möchte. Viele Gespräche laufen so ab, weil man ein Ziel vor Augen hat: Ich will etwas von dieser Person, und dann orientiert man sich in der Konversation an dem, was man erreichen will. Man ordnet seine Worte der Motivation seines Wunsches unter. 

Man könnte fragen: Was ist daran falsch? Nun, wissen Sie wirklich, was Sie wollen? Haben Sie sich nicht schon einmal geirrt oder könnten Sie mir eine Alternative nennen? Gibt es eine Alternative? Sie müssen etwas von der Person wollen, um überhaupt mit ihr interagieren zu können. Sie könnten „spielen“ und schauen was passiert oder die Wahrheit sagen, über was das Sie sich erhoffen und ebenfalls abwarten. Sie wissen nicht, was passieren wird, wenn Sie die Wahrheit sagen, das ist sicher. Sie könnten „loslassen“, was Sie wollen und einfach sagen, was Sie denken. Es ist auch ein Akt des Glaubens anzunehmen, dass die Wahrheit Sie frei macht und, dass die ausgesprochene Wahrheit aus der Möglichkeit eine Ordnung macht, die gut ist. Die Wahrheit zu sagen ist ein Abenteuer, und das ist besser als Zweckmäßigkeit, insbesondere weil Sie vielleicht falsch liegen mit dem, was Sie wollen. 

Wenn Sie engstirnig sind und Ihr Blick auf die Welt und Sie selbst nicht so weit ist, wie er sein könnte, Sie ein bisschen verbittert sind, neigen Sie vielleicht dazu, die Wahrheit in einem Gespräch zu verbiegen und zu verdrehen, um das zu bekommen, was Sie wollen. Und dann bekommen Sie vielleicht etwas, was Ihnen schadet. Das passiert oft, und das ist ein Teil des Grundes, warum es eine tiefe moralische Aufforderung gibt, die Wahrheit im religiösen Sinne zu sagen. Es läuft auf die Hypothese hinaus, dass es nichts Besseres gibt, was Ihnen passieren kann, als das, was Ihnen passieren wird, wenn Sie ehrlich sind.

Damit meine ich nicht, dass man alles unbedacht ausplaudert. Es bedeutet nicht, dass man einfach irgendetwas sagt, was einem in den Sinn kommt. Man muss mit der Wahrheit vorsichtig sein, aber der Gedanke ist, dass, wenn sich etwas als Konsequenz daraus ergibt, dass man sich wahrheitsgemäß verhält, und es nicht so aussieht, als würde es den eigenen Vorstellungen entsprechen. Der Gedanke ist, wenn sich etwas als Folge einer wahrheitsgemäßen Auseinandersetzung mit der Wahrheit herauskristallisiert und es nicht so aussieht, als ob es nach Ihrem Willen läuft, dann warten Sie ab, dass sich die Geschichte noch weiterentwickelt. Woher wissen Sie, ob es nach Ihrem Willen läuft oder nicht und an welcher Zeitspanne wollen Sie das festmachen? Es verursacht Wellen, besonders wenn es eine tiefe Wahrheit ist, und das destabilisiert alles, aber vielleicht ist das besser als ein falsches Ergebnis.

Dies ist ein Auszug aus einem Video von Jordan B. Peterson.

Jordan B. Peterson (* 12. Juni 1962) ist ein kanadischer klinischer Psychologe, Sachbuchautor und emeritierter Professor. In seinen Vorlesungen und Vorträgen vertritt er konservative Positionen und kritisiert insbesondere den Einfluss der Political correctness und die Genderpolitik. Sein 2018 erschienes Buch 12 Rules for Life war internationaler Bestseller.

Foto: Shane Bart Balkowitsch CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Klara Altmann / 03.10.2024

Und ich dachte immer, die Wahrheit wäre eine Selbstverständlichkeit zwischen den Menschen. Denn welche Kommunikation sollte schon funktionieren und welche Form der Zusammenarbeit oder sonstigen Beziehungen, die immer auf Vertrauen beruhen, sollte schon ansatzweise stabil sein, wenn man zum eigenen Vorteil lügt? Muss man das so lange ausführen? Zudem sind jene Menschen leicht zu durchschauen, die einfach nur etwas “für sich” erreichen wollen, es steht ihnen in der Regel auf die Stirn geschrieben. Und wer lässt sich schon mehr als einmal belügen und betrügen und wer kommt auf der anderen Seite dauerhaft mit dieser Masche durch? Dafür braucht man keinen tieferen religiösen Sinn, man braucht nur etwas Lebenspragmatismus. Der gesamte Ruf eines Menschen beruht auf seiner Verlässlichkeit, also wer würde diesen für einen einmaligen Vorteil aufs Spiel setzen? Manchmal sind die Erklärungen hier wirklich seltsam. Es kann ja sein, dass in bestimmten Kreisen die Lüge selbstverständlicher sein mag als die Wahrheit, aber ich würde nicht vermuten, dass man dort sehr erfolgreich ist. Es sei denn, man wäre direkt Teil der Mafia.

Ralf Pöhling / 02.10.2024

Im Deutschen gibt es zwei sehr wahre Sprichworte: “Lügen haben kurze Beine” und “Lügner brauchen ein gutes Gedächtnis”. Was das meint, ist klar: Man kann sein Leben nicht auf Lügen aufbauen, weil die Wahrheit irgendwann immer ans Licht kommt. Dies gilt umso mehr, je mehr Lügen es werden und je größer sie sind. Denn dann (das nächste Sprichwort) “Fällt das Kartenhaus in sich zusammen”. Jetzt gibt es leider ein internationales Phänomen, dass sich verschiedene Regierungen dieser Welt gegenseitig im Lügen unterstützen, damit deren Völker nicht merken, dass sie von den eigenen Machthabern belogen werden, denn die meisten Normalbürger auf diesem Planeten ohne Erfahrung im Sicherheitsapparat oder der Spitzenpolitik verstehen die größeren politischen Zusammenhänge nicht und betreiben bei der Demokratie einfach Outsourcing. Sie wählen also jemanden, der den Job für sie erledigen soll. Wenn es bereits kräftig rappelt, ist dass dann dummerweise “der starke Mann”, der das dann übernehmen soll und leider nicht “der intelligente Mann”. Und das sorgt dann dafür, dass das internationale Lügengeflecht immer dichter wird und am Ende alle aufeinander schießen, weil sie eine Wahrheit annehmen, die gar nicht die Wahrheit ist, sondern ein fatales Geflecht von Lügen, das “der starke Mann” dann meist mit brachialer Gewalt vom Tisch fegt. Viel sinnvoller ist aber die langsame Reduktion der Lügen und ihre Ersetzung durch neue echte Wahrheiten auf einer neuen gemeinsamen Basis. Das erfordert viel lokales und dezentralisiertes Feingefühl, ist aber letztlich besser, als das gesamte Lügengebäude einfach durch einen Weltkrieg aus der Welt zu räumen. Die Lügen müssen dabei langsam und in kleinen Dosen aus der internationalen Gemeinschaft ausgeschlichen und durch eine gemeinsame Wahrheit ersetzt werden. Und was den Titel des Artikels betrifft: Es gibt leise Kanäle, da kann man reden und dann an den folgenden Taten sehen, wer sich an die Absprachen hält.

Sam Lowry / 02.10.2024

Wem hilft denn die Wahrheit, wenn alle vollkommen verrückt geworden sind und alles mögliche glauben? Z.B., dass jemand mit etwas oder wenig Fieber das “Marburg-Virus” hat. Wird aber erstmal überall im Mainstream verbreitet, danach wird es Entwarnung geben. Und manche schreiben, entgegen der 24 % bewiesenen Letalität von 88 %. Hauptsache Angst und Panik verbreiten. Wahrheit? War gestern…

jener ari / 02.10.2024

Sinnvoll ist also nicht das Gleiche wie zweckmässig. Was unterscheidet den Sinn vom Zweck? Mein Sprachgefühl sagt mir, dass der Zweck etwas Kurzfristiges, Konkretes und Unmittelbares ist, während der Sinn etwas Ewiges, Übergeordnetes, etwas Abstraktes, Metaphorisches ist. Wer zweckmässig handelt, erreicht ein bestimmtes Ziel. Wer sinnvoll handelt, geht in die richtige Richtung.

Sigrid Miller / 02.10.2024

Danke für die Inspiration, Mr. Peterson! Ich sehe mir gern Ihre Vorträge und Interviews auf yt an. Ich habe schon oft die Erfahrung gemacht, dass die Wahrheit ein schnelles Pferd braucht. Das hindert mich aber nicht daran, diese immer wieder mal auszusprechen. Mein Motto ist: Ich lüge nicht. Aber nicht, weil ich so einen feinen Charakter habe, sondern, weil ich mir dann ständig merken muss, wem ich was genau erzählt habe und wem nicht. Und das ist für mich reine Zeitverschwendung und Verschwendung von Hirnkapazität.  Damit kann ich viel bessere Dinge anfangen! Ich wünsche Ihnen alles Gute!

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