Es ist mir bewusst, Herr Peterson, aus der Sicht eines Psychologen schreiben. Im Grunde geht es um den alten Grundsatz: “Irgendwann ist die Amme nicht mehr Schuld.” Und aus diesem Grunde ist es auch (vielfach) einfach ein Versagen der Eltern, die die Kinder zu selbstständigen Wesen erziehen sollten. Ich schreibe dies aus Sicht einer Mutter - von Anfang an habe ich gesagt, wenn ich etwas nicht wusste: “Warte, da muss ich auch nachschlagen.” Ich bin auch derart gestaltet, dass ich von Anfang an meine Kinder dazu erzogen habe, im Rahmen ihrer eigenen Möglichkeiten zu handeln. (Selbstredend nicht ohne vorherige Absprache, dieses wäre grob fahrlässig. Stets habe ich dennoch ein Auge darauf.) Es klappte und klappt dann auch mit Vertrauen und Selbstvertrauen. Und selbstredend gab es damals “Hahnenkämpfe” zwischen meinem 23-jährigen Sohn, der mittlerweile aus dem Haus ist und meinem Mann. Dies ist ein einfaches natürliches Verhalten. Was den Absatz über die Eltern angeht: Auch dieses ist doch natürlich. Zu den Eltern besteht im Normalfall ein gegenseitiges emotionales Verhältnis. Im Gegensatz zu den Freunden von den Eltern. Wessen Meinung ist Ihnen wichtiger, Herr Peterson: Die von Menschen, die Sie lieben, die Ihnen vertraut sind, Freunde nennen oder die, die lediglich Bekannte von Ihnen sind? Oder sind wirklich alle Meinungen gleich wichtig für Sie?
Es gibt Menschen, die ihr Leben lang emotional abhängig von ihren Eltern bleiben. Meistens beruht die Abhängigkeit auf Gegenseitigkeit. Ein Loslassen ist für beide Seiten mit übermäßigen Ängsten verbunden und wird deshalb vermieden. Die seelische Abhängigkeit führt dazu, dass derjenige, der sie erlebt, große Schwierigkeiten dabei hat, eigene, dauerhafte, erwachsene Beziehungen zu anderen Menschen einzugehen. Oft bis hin zur Beziehungsunfähigkeit. Er bleibt in gewisser Weise auf emotionaler Ebene lebenslang behindert. Deshalb ist es so wichtig, dass Eltern ihre Kinder „freigeben“, sie ihr Leben leben lassen und es ist wichtig, dass sich ein junger Mensch neue gleichberechtigte Bezugspersonen sucht. Das bedeutet nicht, dass er seine Eltern nicht mehr liebt, oder diese ihn nicht lieben. Im Gegenteil, echte Liebe drückt dich im Fall von Eltern und Kind, in dem Wunsch aus, das eigene Kind möge eine eigenständige Persönichkeit werden, die den elterlichen Schutz über ein gewisses Alter hinaus nicht mehr nötig hat. Doch emotional „geschädigte“ Eltern haben in der Regel auch Schwierigkeiten ihre Kinder „gehen zu lassen“. Die Kinder antworten darauf, indem sie den unausgesprochenen Wunsch der Eltern, oder des Elternteiles „erfüllen“. So ergeben sich mitunter verhängnisvolle, gegenseitige Abhängigkeitsverhältnisse. Liebe bedeutet den Anderen ein selbstbestimmtes, freies Leben führen zu lassen. Ihn nicht mit Ansprüchen, Vorwürfen, schlechtem Gewissen usw. zu fesseln. Einige Menschen sind ihr Leben lang auf der Suche nach Anerkennung und Liebe seitens ihrer Eltern. Oft bildet eine erfolglose Suche den Grund für ihr Unglücklichsein. In Partnerschaften „spielen“ sie die Beziehung zum „vermissten“ Elternteil unbewusst immer wieder durch. Solange sie sich nicht von dem Elternteil lösen, verbleiben sie in einem negativen Bann, der jede glückliche Beziehung zu „guten“, passenden Partnern verhindert.
Danke Herr Peterson. Hab ich so durchgemacht und knabber heute noch dran. Super Analyse!
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