112-Peterson: Wenn junge Leute in die Politik wollen

Ich wurde gefragt, was ich einem jungen Menschen raten würde, der in die Politik gehen will. Nun, das erste, was ich sagen würde, ist, dass es ein Fehler ist, ein zynisches Verhältnis zur Politik zu entwickeln. Denn trotz all der Gründe, die es gibt, um Politik zynisch zu betrachten, gibt es viel mehr Gründe, zynisch gegenüber dem Konflikt oder der Tyrannei zu sein, die unweigerlich entstehen würden, wenn wir das schmutzige Geschäft der Politik nicht richtig handhaben können. Ich würde Ihnen also vor allem raten, werden Sie deswegen nicht vorzeitig zynisch.

Als Nächstes würde ich fragen: Was wissen Sie? Und das ist eine sehr wichtige Frage, denn letzten Endes geht es darum, was es eigentlich genau bedeutet, in die Politik zu gehen. Bedeutet es, nach politischer Macht zu streben? Nun, zuallererst sollten Sie nicht nach Macht streben, sondern nach Kompetenz, und um Kompetenz erwerben zu können, sollten Sie lieber etwas lernen. Also würde ich sagen: Wenn Sie in die Politik gehen wollen, dann sollten Sie sich mit allen Dingen vertraut machen, die man im Leben braucht. Sie können auch einfach anfangen, das politische Spiel zu spielen, und sich damit vertraut machen. Ich muss Ihnen aber ehrlich sagen: Sie sollten überlegen, ob Sie zunächst nicht lieber einen Job ergreifen und vielleicht eine Karriere aufbauen wollen.

Vielleicht ist es keine schlechte Idee, eine erfolgreiche Karriere zu entwickeln, bei der andere Menschen von Ihnen abhängen, sodass Sie anfangen zu verstehen, was diese Art von Verantwortung bedeutet. Und dann ist es vielleicht keine so schlechte Idee, eine Familie zu gründen, weil reife erwachsene Menschen dazu neigen, Familien zu gründen, und sie verwandeln sich, wenn sie Familien haben. Denn wenn man Kinder hat, dann wird jemand anders wichtiger für einen als man selbst. Man ist nicht eher reif, bis das passiert ist, und deshalb ist es notwendig.

Nur so haben wir eine Chance auf Besserung

Wenn Sie also in die Politik gehen wollen, sollten Sie im Grunde vor allem nach Kompetenz streben, und alles lernen, was Sie lernen können. Das würde sie zu einer vernünftigen, weisen Person machen, egal wie viel Autorität Sie anstreben.

Ich habe den Werdegang vieler Menschen verfolgt, die in die Politik gegangen sind. Wenn Ideologen sich in der Machthierarchie nach oben arbeiten, heißt das, dass sie besonders effektive Avatare beziehungsweise Marionetten ihrer jeweiligen ideologischen Haltung sind. Daran ist jedoch absolut gar nichts nützlich. Das wird auf keinen Fall irgendwelche Probleme der realen Welt lösen, ganz im Gegenteil. Und wenn es das ist, was es bedeutet, in die Politik zu gehen, dann würde ich sagen, halten Sie sich davon auf jeden Fall fern. Aber wenn es darum geht, seinen Charakter zu entwickeln und dann irgendwann seine soziale Verantwortung wahrzunehmen, dann sollten Sie danach greifen und mehr Macht annehmen, denn wir brauchen Leute, die kompetent, achtsam, wahrhaftig, mutig und offen genug sind, um in die Politik zu gehen. Nur so haben wir eine Chance auf Besserung.

Was müssen Sie können? Sie müssen zumindest in einer Sache wirklich gut sein. Sie müssen sich spezialisieren, müssen ein guter Netzwerker sein, viele Leute kennen, ehrlich sein, sich artikulieren können, eine Vision haben, eine Strategie haben, man muss etwas über Geschichte, Wirtschaft und Politik wissen. Es wäre gut, etwas von Wissenschaft zu verstehen. Man muss schon einiges auf der Tasche haben, bevor man es wagen sollte, das Gebiet der Politik mit einem gewissen Grad an Selbstvertrauen zu betreten. Denn sonst ist man nur eine tickende Zeitbombe, und man wird lediglich mit Allgemeinplätzen zur Verbesserung der Welt aufwarten, mit seinem Zauberstab wedeln und sich wundern, dass man nichts besser, sondern alles nur noch schlimmer macht.

Dies ist ein Auszug aus einem Vortrag von Jordan B. Peterson. Hier geht's zum Auszug.

Foto: jordanbpeterson.com

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Leserpost

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Jürgen Probst / 08.01.2020

Man zeige mir einen Politiker, der zumindest zum großen Teil die Kriterien des Herrn Peterson erfüllt. Schauen Sie sich z.B. Kevin Kühnert an oder AKKoder Frau Baerbock und und und…an: Es kommt das kalte Grausen oder das nackte Elend.

Bernhard Maxara / 08.01.2020

Dem ist kaum etwas hinzuzufügen. Bereits Sokrates ermahnte den jungen, in die Politik strebenden Alkibiades, sich zu fragen, ob er für eine solche Aufgabe das nötige Rüstzeug mitbringe. Denn das doppelte Nichtwissen - d.h. etwas nicht zu wissen und außerdem nicht einmal zu wissen, daß man es nicht weiß - führt zu Selbstüberschätzung, Engstirnigkeit und Unfähigkeit, aus Fehlern zu lernen. - Genau damit haben wir es heute zu tun. Folgt doch die Schulausbildung bereits seit über zwanzig Jahren gemäß dem von Rainer Kunze so schön formulierten Satz, seinerzeit auf die “DDR” gemünzt: “Unwissende! Wir wollen euch lehren, - damit ihr unwissend bleibt…”

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