112-Peterson: Welcher Partner passt zu mir?

Stellen Sie sich vor, Sie sind auf der Suche nach einer stabilen Partnerschaft. Sie überlegen sich also: „Nun, was möchte ich von meinem Partner beziehungsweise von meiner Partnerin?“ Unterm Strich wünschen Sie sich wohl, dass nicht zu viel Diskrepanz zwischen Ihnen und dieser Person in den fünf grundlegenden Persönlichkeitsfaktoren besteht (Den sogenanntenBig Five“; Anm. d. Red.). Wenn Sie zum Beispiel sehr extrovertiert sind und einen sehr introvertierten Partner haben, wird Sie ein ständiger Konflikt darüber begleiten, wie viel soziale Aktivität Sie als Paar vertragen. Und es ist sehr, sehr schwierig für Menschen, die sich in diesen Dimensionen stark unterscheiden, zu einem Konsens zu kommen.

Denn es ist ja nicht nur eine Frage der Meinung, es ist wirklich eine Frage der Verschiedenheit. Zwei Extreme treffen hier aufeinander. Es ist eben einfach so, dass introvertierte Menschen groß angelegte soziale Interaktion nicht so sehr genießen. Gespräche unter vier Augen mögen sie, aber den Umgang in einer Gruppe nicht, sondern es ermüdet sie eher. Während eine sehr extrovertierte Person verdorren würde, wenn sie isoliert leben müsste, weil ein großer Teil dessen, was sie positiv motiviert, mit sozialer Interaktion verbunden ist.

Wenn man hingegen ein verträglicher Mensch ist und an einen besonders streitbaren Partner geraten ist, wird man ebenfalls in Schwierigkeiten kommen, weil der verträgliche Partner dem anderen stets zustimmen wird, nach dem Motto: „Was immer Du willst.“ Während der streitbare Partner irgendwann fordern wird: „Ich möchte zur Abwechslung mal wissen, was Du zum Teufel willst“, und mit seiner Forderung sehr hart und anspruchsvoll sein kann. Und die verträgliche Person wird die streitbare Person hart und sperrig finden, und die streitbare Person wird die umgängliche Person inkonsequent und unfähig finden, für sich selbst einzustehen.

Unangenehm und beunruhigend, nichts zu tun

Hier wären wir mal wieder bei einer der primären Quellen für Spannungen zwischen Männern und Frauen, denn Frauen neigen dazu, in ihrer Verträglichkeit höher zu sein als Männer. Die Differenz liegt bei etwa einer halben Standardabweichung, was nach psychologischen Gesichtspunkten ein ziemlich großer Unterschied ist. Was das im Grunde bedeutet, nur damit Sie einen Eindruck davon haben, wie groß der Effekt ist, ist, dass, wenn Sie eine Gruppe von Männern und Frauen haben und zufällige Paare auswählen, die Frau in 60 Prozent der Fälle umgänglicher sein wird als der Mann. Das ist also kein überwältigender Anteil, aber doch aussagekräftig und für psychologische Maßstäbe ziemlich groß. Also, das ist das Problem mit dem Faktor Verträglichkeit.

Kommen wir nun zum Persönlichkeitsfaktor Gewissenhaftigkeit beziehungsweise Perfektionismus. Wenn Sie gewissenhaft sind, dann sind Sie fleißig und ordentlich. Und ordentliche Menschen scheinen besonders empfindlich für Ekel zu sein. Es war schwer, genau zu spezifizieren, warum fleißige Menschen fleißig sind, denn hierfür gibt es im Tierreich kaum Vorbilder, auf die man sich stützen könnte. Wir haben auch kein theoretisches Modell, aber dafür eine neue Idee. Es ist nicht meine Idee, sondern die Idee meiner Doktorandin Christine Brophy, nämlich, dass fleißige Menschen es unangenehm und beunruhigend finden, nichts zu tun.

Es scheint also nicht der Fall zu sein, dass Fleiß sie glücklich macht oder sie mit positiven Emotionen füllt. Das käme mehr bei der Extraversion beziehungsweise Begeisterungsfähigkeit vor, denn Extraversion ist die positive Emotionsdimension. Nein, es ist so, dass fleißige Menschen es nicht aushalten können, herumzusitzen und nichts zu tun. Das folgende ist natürlich Spekulation, aber Menschen sind im Allgemeinen natürlich immer am Austausch von Arbeit beteiligt, besonders am wechselseitigen Austausch von Arbeit. Daher kann man sich vorstellen, dass in einer Gemeinschaft, in der jeder jeden kennt, die Menschen, die hart arbeiten, sich permanent über jene, die völlig unproduktiv sind, ärgern (...)

Viel Glück beim täglichen Auskommen

Ich glaube, Menschen haben im Großen und Ganzen ein Gefühl der ethischen Verpflichtung füreinander, die Arbeit zu teilen, und die Menschen, die gewissenhaft sind, nehmen das besonders ernst. Sie fühlen sich also schlecht, wenn sie nicht fleißig an etwas Produktivem arbeiten. Wenn man nun mit einem gewissenhaften Menschen zusammen ist, ist der Vorteil, dass die Person arbeitet wie ein Besessener und der Nachteil besteht ebenfalls darin, dass sie arbeitet wie ein Besessener. Wenn Sie also einen Partner suchen, mit dem Sie sich entspannen und Spaß haben wollen und der unverkrampft ist, dann ist ein gewissenhafter Mensch wahrscheinlich keine sehr gute Wahl. Auf der anderen Seite kann es gut sein, wenn Sie selbst ein gewissenhafter Mensch sind und mit jemandem zusammenleben, der wenig gewissenhaft ist, weil ihr Partner Ihnen vielleicht helfen kann, sich zu entspannen. Am Ende werden Sie aber kaum miteinander glücklich werden, weil der andere nicht einmal ansatzweise so hart arbeitet wie Sie.

Noch schlimmer wird es in Sachen Ordnung. Vielleicht haben Sie eine Zeit lang in einer WG gelebt und waren immer ordentlicher als Ihre Mitbewohner. Was bedeutet das? Es bedeutet, dass Sie sich schneller über Unordnung ärgern als die anderen. Und Sie müssen nicht einmal viel früher als Ihre weniger ordentlichen Mitbewohner durch Unordnung gestört werden, um am Ende derjenige zu sein, der immer herumläuft und aufräumt.

Eines der Dinge, die sich aus der psychometrischen Analyse ergeben haben, ist, dass Frauen etwas ordentlicher sind als Männer, und ich vermute, dass dies einer der Gründe für die ungleiche Verteilung der Hausarbeit ist. Stellen Sie sich vor, dass Ihre Ordnungsliebe 25 Sekunden vor Ihrem Partner ausgelöst wird. Das reicht schon, um Sie zu demjenigen zu machen, der sich immer als Erster um das Chaos kümmert. Wenn Sie also eine sehr ordentliche Person sind und mit einer unordentlichen Person zusammenleben, kann ich Ihnen nur viel Glück beim täglichen Auskommen miteinander wünschen. Die ordentliche Person wird als verklemmt, übertrieben detailverliebt und unfähig, sich zu entspannen abgestempelt werden (...)

Ein weiterer Grund, warum es nützlich ist, seine Persönlichkeit zu verstehen, besteht darin, dass es Ihnen eine bessere Möglichkeit gibt, jemanden zu finden, mit dem Sie auf lange Sicht tatsächlich leben können. Natürlich denke ich nicht, dass der ideale Partner genauso sein sollte, wie man selbst, denn dann hätten beide die gleichen Stärken und Schwächen. Dann entsteht auch ein Problem. Denn eine verträgliche Person kann von einer etwas streitbareren Person profitieren und umgekehrt. Natürlich ist uns das optimale Gleichgewicht für ein langfristiges Gedeihen einer Beziehung nicht bekannt, aber ich denke, man kann festhalten, dass, wenn zwei Menschen hinsichtlich ihrer Eigenschaften zu unterschiedlich sind, der Bereich der Verschiedenheit zu einer ständigen Quelle des Konflikts wird.

 

Dies ist ein Auszug aus einer Vorlesung von Jordan B. Peterson. Hier geht's zum Auszug und hier zum gesamten Vortrag.

Foto: jordanbpeterson.com

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Marcel Seiler / 06.11.2019

Weise Worte! Ich kenne Psychotherapien, in denen verlangt wird, dass einer der beiden sich ändern soll, und zwar je nach Präferenz des Therapeuten. In der “befreiten” Ideologie der Psychotherapie meiner Zeit sollte normalerweise der verträgliche Partner lernen, “Streit auszuhalten”. Oder er sollte lernen, Unordnung auszuhalten. Oder… Anstatt die Menschen zu nehmen, wie sie sind, wurde angenommen, jeder könnte sich beliebig ändern, wenn er nur lange genug “an sich arbeitet”. Ein Fehler!

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Jordan B. Peterson, Gastautor / 31.05.2023 / 10:30 / 26

112-Peterson: Auch Frauen sind grausam

Wir reden viel über toxische Männlichkeit, vor allem in Gestalt körperlicher Gewalt. Was ist das weibliche Gegenstück dazu? Ausgrenzung und Rufmord. Als ich mich mit…/ mehr

Jordan B. Peterson, Gastautor / 19.04.2023 / 11:00 / 8

112-Peterson: Schule ist nicht auf Jungs ausgerichtet

Die Schule ist nicht besonders gut auf Jungs ausgerichtet. Sie sind nicht dafür geschaffen, sieben Stunden am Tag still zu sitzen und sich zu Tode…/ mehr

Jordan B. Peterson, Gastautor / 28.12.2022 / 10:00 / 4

112-Peterson: Der Feind in uns

Wer ist hier der Feind? Die Schlange in unserem Herzen? Die Lüge auf unserer Zunge? Die Arroganz unseres Intellekts? Die Feigheit unserer Weigerung zu sehen?…/ mehr

Jordan B. Peterson, Gastautor / 21.12.2022 / 10:00 / 25

112-Peterson: Die israelische Frage

Jordan B. Peterson sprach mit Benjamin Netanyahu über das Existenzrecht Israels. Im Folgenden geben wir einen Auszug aus einem Gespräch zwischen Jordan B. Peterson und…/ mehr

Jordan B. Peterson, Gastautor / 27.07.2022 / 10:00 / 52

112-Peterson: Der Westen spielt mit dem Feuer

Was würde es für die Russen bedeuten, zu verlieren? Glauben Sie, Russland wird einfach klein beigeben? Und wir werden nicht ebenso mitverlieren? Das wird nicht…/ mehr

Jordan B. Peterson, Gastautor / 30.06.2022 / 10:00 / 9

112-Peterson: Kollektivisten landen immer beim Individuum

Vertretern der postmodernen Identitätspolitk ging plötzlich folgendes auf: Man müsse in puncto Unterdrückung Rasse und Geschlecht zusammen denken, also etwa anhand des Beispiels einer schwarzen…/ mehr

Jordan B. Peterson, Gastautor / 08.06.2022 / 10:00 / 7

112-Peterson: Der Weg zur Besserung

Wenn man sich eingesteht, dass das eigene Leben schrecklich ist, weil man 50 Dinge falsch macht, heißt das, dass man diese Dinge auch richtig machen…/ mehr

Jordan B. Peterson, Gastautor / 18.05.2022 / 10:00 / 18

112-Peterson: Politiker und ihr Image

Politiker sagen oft: „Wir müssen unser Image schützen.“ Ach, wirklich? Welches Image denn genau? Wie wäre es, wenn sie das, was sie repräsentieren, auch tatsächlich…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com