112-Peterson: Welche Erzählung vereint uns?

Die Voraussetzung für eine Zivilgesellschaft, ist dasselbe Narrativ, dem alle folgen.

Wenn man sich einen Film ansieht, erkennt man mit der Zeit das Ziel des Protagonisten oder des Bösewichts, der auf der Leinwand dargestellt wird und man macht sich dieses Ziel zu eigen, indem man die Emotionen der Personen nachempfindet. Die Struktur der Figur, die auf der Leinwand dargestellt wird, wird nachgeahmt. Man lebt das alles in sich aus. Das ist das Prinzip, wie man sich auch in andere Menschen aus seinem Umfeld hineinversetzen kann.

Es funktioniert nicht so, dass Sie jemandem zuhören und herausfinden, was er sagt, um daraus zu schlussfolgern, was er denkt. Sie hören jemandem zu, bis Sie herausgefunden haben, was er vorhat, und sobald Sie das geschafft haben, können Sie diesen Bezug übernehmen. Anschließend verfügen Sie über die gleichen Emotionen. Das ist es, was Menschen vereint. 

Stellen Sie sich einen Raum mit 5.000 Menschen vor, die an einem Vortrag teilnehmen und denken Sie danach an einen Raum mit 5.000 Schimpansen. Die 5.000 Schimpansen würden sich gegenseitig in Stücke reißen, weil niemand in der Lage wäre, zu wissen, was der andere vorhat. 

Unterdrückung und Ausbeutung?

Die 5.000 Menschen, die dem gleichen Vortrag zuhören und der gleichen Sache auf die gleiche Weise Aufmerksamkeit schenken, haben praktisch identische emotionale Zustände. Das bedeutet, dass ihr Verhalten untereinander vorhersehbar ist. Das bedeutet, dass eine der Voraussetzungen für eine zivile, produktive und friedliche Gesellschaft darin besteht, dasselbe Wertesystem zu leben. Man könnte einwenden, dass wir nicht dasselbe Wertesystem brauchen, aber das tun wir, denn wenn wir nach einem anderen Wertesystem oder einer anderen Erzählung (Narrativ) leben, dann laufen wir emotional in verschiedene Richtungen, wir werden einander nicht verstehen und wir werden in Konflikte geraten. Dieser Konflikt kann im Handumdrehen tödlich werden.

Es ist Voraussetzung für eine Zivilgesellschaft, dass jeder in derselben Erzählung vereint ist. Das wirft die Frage auf, was die Erzählung ist, die uns vereint. Eine weitere Frage lautet, was die Erzählung sein sollte? Die Postmodernisten haben herausgefunden, dass wir die Welt durch eine Erzählung beziehungsweise ein Meta-Narrativ betrachten, aber für die Postmodernisten ist es ihr Mantra, skeptisch gegenüber Meta-Narrativen zu sein, weil es vereinigende Narrative sind. Mit dieser Haltung stößt man auf das Problem der internen Uneinigkeit, denn wenn man kein vereinigendes Narrativ hat, dann ist man gegen sich selbst gespalten. Außerdem hat man das Problem der sozialen Uneinigkeit, denn wenn wir nicht die gleiche Sache aus dem gleichen Grund als Meta-Erzählung sehen, dann können wir nicht miteinander auskommen. 

Die Art und Weise, wie die Postmodernisten über dieses immense, katastrophale Problem hinweggehen konnten, bestand darin, dass sie die These aufstellten, dass die Erzählung, die uns eint, nur eine von Macht und Unterdrückung ist. Sie behaupten außerdem, dass die fundamentale Motivation Ihre eigene interne Tyrannei ist und Ihre Identität oder Ihr natürliches Selbst unterdrückt. Wenn man dann eine Beziehung zu jemandem aufbaut, wie z.B. eine Ehe, dann ist das nur eine Manifestation patriarchalischer Unterdrückung, und wenn man eine Geschäftsbeziehung aufbaut, dann ist das eine Beziehung gegenseitiger Ausbeutung, und so weiter, das geht den ganzen Weg hinauf in der politischen Hierarchie, den ganzen Weg zurück in die Vergangenheit. Man könnte sich keine düsterere Sichtweise der menschlichen Existenz ausdenken als diese.

Dies ist ein Auszug aus einem Video von Jordan B. Peterson.

Jordan B. Peterson (* 12. Juni 1962) ist ein kanadischer klinischer Psychologe, Sachbuchautor und emeritierter Professor. In seinen Vorlesungen und Vorträgen vertritt er konservative Positionen und kritisiert insbesondere den Einfluss der Political correctness und die Genderpolitik. Sein 2018 erschienes Buch 12 Rules for Life war internationaler Bestseller.

Foto: Gage Skidmore CC BY-SA 2.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Sam Lowry / 25.09.2024

Es ist nicht die Erzählung, sondern das Thema, das verschiedene Menschen eint. Beispiel: “Der Mike liegt wieder im Krankenhaus.” “Ach, wieso?” Und schon ist man in demselben Mitgefühl geeint. Einer erzählt etwas, der andere hört zu (statt auf sein Handy zu schauen wie im Buntentag oder allerorten). Dann wechselt das Thema zu Arbeitskollegen und ich bin gar nicht mehr interessiert. Schaue auf den Monitor und die aktuelle Wetterkarte und höre nur noch halb zu. Mich wundert es nur, dass man trotzdem eine “Freundschaft” aufrechterhalten kann, wenn nur so wenige Themen übereinstimmen. Ich spielete heute ein Stück von Wiglaf Droste vor und habe mich krummgelacht. Sie hat das gar nicht interessiert. Es ist etwas anderes als ein Erzählung oder ein Thema, das einen verbindet. Mit Sicherheit auch die gemeinsame Vergangenheit, auch wenn man Erinnerungen nicht teilen kann (Jiddu Krishnamurti). Ich war auf einer anderen Party als sie, aber man glaubt, man hätte es gemeinsam und dasselbe erlebt. Hat man nicht!

W. Renner / 25.09.2024

„Die Voraussetzung für eine Zivilgesellschaft, ist dasselbe Narrativ, dem alle folgen.“ Na dann hat TakaTuka Land ja die perfekte Zivilgesellschaft … und Zitronenfalter falten Zitronen.

Lutz Liebezeit / 25.09.2024

“Wir haben es mit einer monolithischen und ruchlosen weltweiten Verschwörung zu tun, die ihren Einfluß mit verdeckten Mitteln ausbreitet: mit Infiltration statt Invasion, mit Umsturz statt Wahlen, mit Einschüchterung statt Selbstbestimmung, mit Guerillakämpfern bei Nacht, statt Armeen am Tag. Es ist ein System, das mit gewaltigen menschlichen und materiellen Ressourcen eine komplexe und effiziente Maschinerie aufgebaut hat, die militärische, diplomatische, geheimdienstliche, wirtschaftliche, wissenschaftliche und politische Operationen verbindet. Ihre Pläne werden nicht veröffentlicht, sondern verborgen, ihre Fehlschläge werden begraben, nicht publiziert, Andersdenkende werden nicht belobigt, sondern zum Schweigen gebracht, keine Ausgabe wird in Frage gestellt, kein Gerücht wird gedruckt, kein Geheimnis enthüllt.” Das stammt aus der berühmten Rede von John F. Kennedy, für die er wahrscheinlich sterben mußte. - mit Guerillakämpfern (Antifa) bei Nacht - mit Infiltration (Jubelpresse) statt Invasion - mit Umsturz statt Wahlen (Minderheiten diktieren der Mehrheit) - mit Einschüchterung statt Selbstbestimmung (Nazis, Mobbing) - Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn’s dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Die spalterische, gewalttätige Gesellschaft ist das Produkt der inneren Feinde und die sitzen in den Altparteien.

Fred Burig / 25.09.2024

@Gerd Quallo: “Viel heiße Luft, um uns die Bibel unterzujubeln.” .... Aber wenn sich die Menschen wenigstens an die 10 Gebote , welche in dieser historischen Schrift dokumentiert sind, halten würden, dann wäre die Welt wohl schon eine bessere, oder? Es sei denn, sie zweifeln auch diese Regeln des Miteinander grundsätzlich an ...... aber dann könnten sie sich auch nicht so als “Gutmensch” präsentieren! .... MfG

G. Kramler / 25.09.2024

Ohne Märchenonkel können die Kinder nicht sein. Sagt der Märchenonkel.

Volker Kleinophorst / 25.09.2024

Welche „Erzählung“ eint uns denn? Die Einfalt der Vielfalt wohl nicht, die spaltet.  Letztlich bleibt dann ja nur das Unsagbare. Die Vielfalt des eigenen Volkes. Oder gibt es andere Vorschläge?

Gerd Quallo / 25.09.2024

Viel heiße Luft, um uns die Bibel unterzujubeln. Aber Skepsis geht über Herdenmentalität. Zumindest bei Menschen mit Hirn und Charakter. Und die Schwafel-Floskel Narrativ geht mir inzwischen sowas von auf den Keks.

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