112-Peterson: Was ist Glaube?

Ich hasse die Frage, ob ich an Gott glaube. Denn die meisten Leute wissen nicht, was sie eigentlich damit meinen.

Vor allem von Christen werde ich danach gefragt. Und diese wollen meistens, dass ich ihre Glaubenstheorie bestätige. Doch ihnen ist nicht klar, dass sie überhaupt eine Glaubenstheorie haben, weil sie denken, dass der Glaube offensichtlich wäre. Das ist jedoch überhaupt nicht der Fall.

Ist Glaube unsere Bereitschaft, die Realität einer Reihe von Fakten verbal zu bestätigen?Das würde zumindest ein Empiriker oder Rationalist sagen. Die meisten Christen, die mir diese Frage stellen, sind Rationalisten und Empiriker, ohne dass es ihnen selber klar ist. Also wünschen sie sich, dass ich sage, dass Gott auf dieselbe Weise existiert wie ein Tisch.

Das ist jedoch überhaupt keine nützliche Frage. Sie ist nicht richtig formuliert. Und dann gibt es ja noch so viele andere Formen des Glaubens. Man kann das eine sagen, aber das andere tun. An was glaubt man nun in diesem Fall? Glaubt man an das, was man gesagt hat oder an das, was man getan hat? Die Menschen sind ja voll von solchen Widersprüchen.

Die tiefschürfendste und aufdringlichste Frage

Allgemein gesprochen würde ich also sagen: Unsere Taten sagen viel mehr über das aus, woran wir glauben als unsere Worte. Wären wir wirklich integer, würden unsere Taten unseren Worten entsprechen. Das ist aber sehr selten. Man sagt also: „Ich glaube an Christus.“ Ich frage mich dann immer: „Ist das wirklich so? Wo liegt der Beweis? Versetzen Sie mit Ihrem Glauben Berge? Und wenn nicht: Wie tief ist Ihr Glauben wrklich?“ Denn im engeren Sinne kann man mit genügend Glauben Berge versetzen. Ist das buchstäblich der Fall? Man sieht also, die Frage nach dem Glauben an Gott ist eine dumme Frage.

Natürlich bewegen wir tatsächlich Berge, indem wir Erdbewegungsmaschinen wie Bagger benutzen. Sicherlich handelt es sich dabei auch gewissermaßen um eine Glaubensmanifestation, wenn man das Ganze ausreichend entwirrt. Aber wenn man Bibeltexte liest, muss man schon ein bisschen Vorstellungskraft mitbringen. Es handelt sich dabei ja nicht einmal ansatzweise um eine Sammlung wissenschaftlicher Texte.

Die meisten, die mich fragen, ob ich an Gott glaube, stellen diese Frage als Falle. Was sie eigentlich meinen, ist: „Sind Sie willens, mir zu sagen, dass das, woran ich glaube, wahr ist?“ Aber aus dieser Perspektive können wir diese Frage nicht beantworten. Damit irritiere ich viele, und mir wird gesagt, dass ich doch nicht einfach den Glauben eines anderen Menschen hinterfragen kann. Aber umgekehrt wird mein Glaube doch auch hinterfragt: „Glauben Sie an Gott?“ Da kann ich doch auch zurückfragen: „Glauben Sie an Ihren Glauben? Was meinen Sie genau?“ Das ist die tiefschürfendste und aufdringlichste Frage überhaupt. Darauf kann man doch nichts Zwangloses antworten. Daher sage ich: „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.“

Dies ist ein Auszug aus einem Video von Jordan B. Peterson.

Foto: Gage Skidmore CC BY-SA 2.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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CKrull / 20.03.2024

“Ich träume von einer Welt ohne Religionen. Religion kidnapped die Moral und verleitet Menschen dazu, grausam zu sein.” Ian McEwan:  ‘Kindeswohl’

Fred Burig / 20.03.2024

@finn waidjuk:”.... Ich glaube nicht an einen Gott.” Das ist ihre Entscheidung! Nur, wer beispielsweise die 10 Gebote des christlichen Glaubens beherzigt, ist ja wohl für alle Fragen des Miteinanders auf dieser Welt, bestens beraten, oder? MfG

Prisca Kawubke / 20.03.2024

Ich hasse Diskussionen und mittlerweile auch Diskurse über Glauben und Religion und ignoriere diese Dinge meistens nach Möglichkeit. Bei Jordan Peterson lese ich nur um der Person willen rein. Zum Glück war der Text von Herrn Peterson sehr kurz. Die verlogene Friedensreligion aus der Wüste des Nahen Ostens gibt mir endgültig den Rest. Finis - lasst mich endlich in Ruhe!

Fred Burig / 20.03.2024

@finn waidjuk: “...Letztendlich ist die Frage nach dem Glauben auch nicht bedeutungsvoller als die nach der Entscheidung: Beatles oder Stones. Und egal, wie die Antwort darauf ausfiel, meines Wissens nach wurde deswegen noch nie jemand umgebracht.” Ach, und was ist mit John Lennon, der von Mark David Chapman, der unter spirituellen Zwängen religiöser Beeinflussung stand, umgebracht wurde? Sie verharmlosen da wohl etwas, oder? MfG

Rainer Niersberger / 20.03.2024

Ein etwas muessiger Artikel, vor allem auch deshalb, weil wir den Begriff Glauben gerne durch Wuenscheb oder Hoffen ersetzen duerfen. Wenn ich etwas weiss, was nichts mit richtig oder falsch zu tun hat, glaube ich nicht, wenn ich etwas nicht weiss, hilft manchen der Glaube. Diskussionen ueber religiöse Fragen halte ich fuer sinnlos, aehnlich die ueber Ideologien. Es treffen 2 Unvereinbarkeiten aufeinander, zwei voellig unterschiedliche Kategorien und letztlich 2 unterschiedliche Hirnareale. Dass sich Religionen, der Glaube an irgendetwas, als evolutionär zweckmäßig oder vorteilhaft erwiesen hat, trotz seiner Risiken, ist empirisch bewiesen. Das Bedürfnis mancher Menschen danach auch. Logik, Wissenschaft und selbst die Historie der Religionen bis zum Monotheismus zeigen, dass es hier zunaechst um die Befriedigung der Homoeostase qua Erklärung von zunaechst nicht Erklaerbarem und das Problem der bewussten Endlichkeit geht, die maßgeblich Religion und Glauben hervorgebracht haben. Nun laesst allein die sukzessive Verkleinerung des nicht Erklaerbaren Zweifel zu und das ohne Zweifel bestehende Nichtwissen und Nichtbegreifen beweist lediglich die Begrenztheit des Ueberlebensorgans Gehirn, was die Erkenntnis betrifft. Abgesehen davon, dass das All wohl nicht unendlich, aber unbegrenzt ist, sollte Gott nicht als Erklaerbaer dienen, der nach der “Schöpfung” vor 13, 7 Mrd Jahren erstaunlicherweise die Sache laufen ließ. Das, was wir heute sehen, ist in seiner Unperfektheit, die bis zum menschlichen Gehirn reicht, das Werk eines, der etwas herumprobiert hat und dann schmollend aufgab. Korrekturbedarf gaebe es jedenfalls genug.  Aber der Allmaechtige hat ” entschieden”, sich rauszuhalten. Warum er dann trotzdem immer noch angefleht wird, ist unklar. Uebrigens wurde ein Gott, Jahwe, sogar befördert, leider aber auch entweibt. Von Menschen. Ist das nicht erstaunlich. Ebenso wie das verspätete Auftreten, in einem Fall zu Dritt. Wobei die Dreierloesung mit Verzögerung kam.

finn waidjuk / 20.03.2024

Sehr geehrter Herr @ Burig: mit Ihrer Aussage, dass sich zwei parallele Strahlen im “Unendlichen” treffen, sind sie einem Denkfehler aufgesessen. Da, mathematisch gesehen, “Unendlich” kein “Ort” ist, den man je erreichen kann (es gibt sogar unendlich viele Unendlich) bedeutet dies logischerweise, dass sich die parallelen Strahlen auch niemals schneiden werden. So weit, so logisch.

finn waidjuk / 20.03.2024

Ich glaube nicht an einen Gott. Das ist natürlich kein Beweis für seine Nichtexistenz. Genauso wenig wie der Glaube an Gott seine Existenz beweist. Ich finde von daher die ganze Frage belanglos. Sie bringt niemanden weiter. Seit 2000 Jahren wird darüber diskutiert. Sind wie seitdem auch nur einen Schritt weitergekommen? Letztendlich ist die Frage nach dem Glauben auch nicht bedeutungsvoller als die nach der Entscheidung: Beatles oder Stones. Und egal, wie die Antwort darauf ausfiel, meines Wissens nach wurde deswegen noch nie jemand umgebracht. Könnte man dies doch nur von der Frage nach dem Glauben an Gott auch sagen.

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