112-Peterson: Warum sollten wir eine Familie gründen?

Uns hat eine große Unreife und Unwissenheit ergriffen, weil wir Folgendes nicht verstehen: Wir brauchen einen Sinn im Leben, der uns im Angesicht von Leid unterstützt, oder wir werden bitter, nihilistisch, bösartig und hoffnungslos.

Ich glaube, ein wichtiger Grund für den Zusammenbruch der Familie ist unser idiotisches, einseitiges Konzept von Rechten und Freiheiten. Was ist denn der Grund dafür, dass jemand keine Familie gründen will? Die Antwort könnte lauten, dass dieser Mensch einfach nutzlos ist, weil er kaum auf sich selbst aufpassen kann, geschweige denn auf jemand anders. Aber diesen Teil lassen wir hier mal aus dem Spiel, auch wenn die schiere Unfähigkeit natürlich ein triftiger Grund sein kann.

Ein weiteres Hindernis für eine Familliengründung wäre eine Art unreifer Hedonismus. Nach dem Motto: „Was soll ich mit der Bürde einer Familie? Warum soll ich mir die Zwänge einer dauerhaften Beziehung antun, wenn ich die freie Wahl haben kann?“ Zunächst einmal: Warum solllte eine Familie eine Bürde sein? Und zweitens: Warum sollte die angebliche freie Auswahl, die man zu haben glaubt, Freiheit sein? Viele antworten dann, dass sie sich nicht auf einen Partner beschränken wollen. Ich würde in solchen Fällen sagen, dass die anderen sich wahrscheinlich wünschen, dass diese Person am besten überhaupt keinen Partner hat.

Uns hat also eine große Unreife und Unwissenheit ergriffen, weil wir Folgendes nicht verstehen: Wir brauchen einen Sinn, der uns im Angesicht von Leid unterstützt, oder wir werden bitter, nihilistisch, bösartig und hoffnungslos. Der Sinn, der uns durch das Leiden führt, findet sich in der Übernahme von Verantwortung. Jedes Mal, wenn ich das vor Publikum sage, wird alles still. Warum? Weil das seit 60 Jahren niemand mehr sagt. Aber eigentlich weiß es jeder.

Gebete aus aller Welt

Werden wir mal etwas konkreter: Meine Frau und ich wurden in den letzten Jahren beide sehr krank (Achgut berichtete). Auch meine Tochter wurde auf sehr brutale Weise krank. Wir hatten reichlich Gelegenheit, darüber nachzudenken, wodurch genau dieser Zustand für meine Frau und mich so erträglich wurde, wie es eben möglich war. Die Antwort liegt auf der Hand: Durch die Liebe für unsere Kinder, durch die Liebe füreinander, durch die wechselseitige Liebe für unsere Freunde und durch die Liebe, die uns durch die Öffentlichkeit entgegengebracht wurde.

Als meine Frau 2019 für längere Zeit im Krankenhaus lag, haben uns Gebete für sie aus aller Welt erreicht. Meine Schwester hat sie morgens immer ausgedruckt und ihr ins Krankenhauszimmer gehängt. Unsere ganze Familie hat in dieser Zeit bemerkenswert zusammengehalten. Meine Frau hatte 2018 die Diagnose einer sehr langsam wachsenden Krebsart erhalten. Uns wurde versichert, dass es keinen Grund zur Sorge gäbe.

Dann wurde sie operiert und ging einen Monat später mit Schmerzen an der Einschnittstelle erneut zum Arzt. Nach 10 Minuten wurde uns eröffnet, dass sie eine Fehldiagnose hatte und ihre Krebserkrankung innerhalb von 11 Monaten zu 100 Prozent tödlich verlaufen würde. Das war natürlich ein absoluter Schock. Tammy reagierte darauf mit gewohnter Tapferkeit und Anmut, indem sie es auf eine gewisse Wese annahm. Sie sagte mir, dass viele ihrer Verwandten mit Ende 50 gestorben seien und sie gelernt habe, dies als möglichen natürlichen Verlauf der Dinge zu akzeptieren.

Je mehr Verantwortung, desto mehr Bedeutsamkeit

Dann erzählte sie aber unserem Sohn davon. Und dieser reagierte nicht einmal ansatzweise so unbekümmert wie sie. Und da wurde ihr klar, dass die Bedeutung ihres Lebens nicht unbedingt der Bedeutung entsprach, die sie sich selbst beimaß, sondern dass es seine eigene immanente Bedeutung hatte. Und dass es möglich war, dass ihrem Sohn das viel bewusster war als ihr. Der Grund dafür, dass sich in Tammy dieses Umdenken manifestierte, war, dass sie ihren Sohn wirklich liebt und ihm eine sehr gute Mutter war. Und in diesem Moment bekam sie die Verantwortung, die sie für ihn auf sich genommen hatte, wieder zurück. Ich glaube, diese Erfahrung trug maßgeblich zu ihrer Entscheidung bei, alles Nötige zu tun, um zu überleben.

Warum sie überlebt hat, ist natürlich eine komplizierte Angelegenheit, und genau wissen wir es nicht. Aber diese Geschichte ist ein Beispiel dafür, wie uns Sinnhaftigkeit im Leben durch Schwierigkeiten trägt. Wenn man leidet, kann man von Glück reden, wenn man ein Beziehungsnetz gepflegt hat, das einen wieder aufbaut. All das kann man in der Ehe finden, wenn man Glück hat und die richtigen Opfer bringt. Warum also Verantwortung übernehmen? Um dem Leben die richtige Bedeutung zu geben! Die Bedeutung, die einem durch die Katastrophen des Lebens hilft. Und je mehr Verantwortung man übernimmt, desto mehr Bedeutsamkeit ist vorhanden, wenn man sie braucht.

Außerdem ist in unserer Kultur die Idee fest verankert, dass es uns allen obliegt, freiwillig unser Kreuz zu tragen, während wir aufwärts stolpern. Das ist eine Feier der am stärksten möglichen Verantwortung. Dass man buchstäblich die Bürde von Betrug, Tod, Schmerz, Qual, Tyrannei und Gräueltaten auf seine Schultern nimmt und den Berg hinaufsteigt. Und paradoxerweise findet man in der Bereitschaft, diese Verantwortung zu übernehmen die Bedeutsamkeit, die es uns erlaubt, diese Last zu tragen.

Dies ist ein Auszug aus einem Video von Jordan B. Peterson.

Foto: Shane Bart Balkowitsch CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Sam Lowry / 31.01.2024

Sorry, aber das der “Benzo-Entzug” sogar schlimmer ist als der Heroin-Entzug sollte man in seiner Position schon wissen. Ich hatte sogar nach 5(!) Jahren Abstinenz plötzlich noch von jetzt auf gleich eine extreme “Entzugserscheinung”. Valium (Benzodiazepam) ist da gnadenlos. Ich muss mich ja bedanken, das dann trotzdem noch weitere 8 Jahre durchgestanden zu haben, und jetzt hänge ich gerade wieder fest an der Bier-Dose/Tetrapack Sangria. Therapie-Platz? Fast unmöglich. Wenigstens eine 10-tägige Entgiftung? Fast unmöglich. Ich versuche es seit Monaten und lande am Ende immer wieder im KH Lahnstein, die mir mal gerade 100 Tagessätze aufgebrummt haben. Da gehe ich jedenfalls nie wieder hin. Sicher. Aber dieses insolvente versiffte KH ist für mich ausschließlich zuständig. Und noch eine Überdosis Dis…. kann und will ich mir nicht antun… nur um in ein anderes KH zu kommen und dann doch wieder in die Geschlossene Lahnstein. Es ist einfach nur noch furchtbar. Von wegen freie Krankenhauswahl. Das steht nur noch auf dem Papier in der Ablage “Rund”...

Gabriele Klein / 31.01.2024

@R. Ebeling: Ihre Bemerkung aus dem Bauche die nur ihr ganz persönliches Geschmacksempfinden widerspiegelt halte ich so überflüssig wie die des Besuchers eines kostenlosen Konzerts der dieses hernach als “Kratzmusik” bezeichnet um sich so, nach dem kostenlosen Besuch zu dem ihn kein Mensch zwingt, ein Gefühl der Erhabenheit zu verschaffen. Über Kunst jeglicher Art und deren Absicht scheiden sich die Geister, das ist nunmal so. Ferner, es ist nicht IHR Blog sondern der von Achgut und das sollte man irgendwo respektieren. Was würden eigentlich Sie sagen, würde man solche Dinge auf Ihrem Blog vom Stapel lassen…. die grundsätzlich überall möglich sind.Womit wir bei der Goldenen Regel wären…...

Klaus Keller / 31.01.2024

Welchen Sinn im Leben benötigt eine Antilope in Afrika oder ein Blauwal im Pazifik? Als Feuchtnasenaffen oder wie die Gattung heißt benötigen wir die Herde um zu überleben. Nicht umsonst fühlen wir uns in großen Gruppen stärker. In der Biologie ist erfolgreich wer seinen Nachwuchs groß werden lässt. Ein wichtiger Faktor: Im Frieden beerdigen die Söhne ihre Väter und im Krieg die Väter ihre Söhne. Das hat Folgen. Schon aus diesem Gründen ist der Krieg zu vermeiden, besonders dann wenn die 1-Kindfamilie der Standard ist. Ggf erklärt das jemand Herrn Pistorius. Wer auf der Suche nach Gott ist: Das Himmelreich ist nahe, nämlich inwendig in euch, nur hat man versäumt den Leuten den Weg dahin beizubringen, meinte jemand.

Marta Geist / 31.01.2024

Ja, so sehe/glaube ich das auch.  Unmöglich ,  unsere so dramatische stoff(wechsel)gebundene irdische Existenz - essen = töten müssen, um zu leben / leben , unmittelbar mit dem Tod vor Augen… akzeptieren und auch nur annähernd verstehen zu können.  Woher - wohin - was ist der Sinn ?  vielleicht die Trinität   .Liebe- Wahrheit - Schönheit .  “Unser Wissen ist Stückwerk. ... Wir sehen jetzt in einem Spiegel in einem dunklen Wort ;  dann aber von Angesicht zu Angesicht.  jetzt erkenne ich stückweise ; dann aber werde ich erkennen, gleich wie ich erkannt bin. Nun aber bleiben Glaube, Liebe, Hoffnung..” (Korinther 13 , 12-13) Wir können nur hoffen und uns trösten lassen. Danke, J.P. Peterson, für Ihren Beitrag.

Gabriele Klein / 31.01.2024

Ein herausragender Artikel, danke! Die Frage wie es kommt dass trotz aller Widrigkeiten und Judenhass die jüdische Familie die kinderfreundlichste mir scheint. ( nirgendwo erlebte ich so viele glückliche Kinder wie bei meinem Israelaufenthalt,  siehe auch Jesus: lass die Kinder zu mir kommen….) scheint es mir wert gestellt zu werden. Trotz allem sozialen Leid schafft man es dennoch im Großen und Ganzen dass man dieses nicht auf d. Rücken d. Kinder austrägt. Nur mit Hilfe d. jüdischen Lehre welche zum Glück via Christentums wenigstens verwässert in die Welt getragen wurde, scheint mir sowas letztlich möglich.

Helmut Driesel / 31.01.2024

  All das kann man sich natürlich auch einbilden. Alles Lebendige bekommt einen Vorschuss, der über Kindheit und Jugend trägt. Alles darüber hinaus ist Glück oder Passion. Wen interessiert, ob es mir genug ist oder genug war? Das Versagen ist wie das Klima nur in der Rückschau anzunehmen. Auch das Intervall, so 30 Jahre, ist zweckmäßig. Es geht entweder aufwärts oder abwärts, so ab 60 geht es meistens abwärts. Kinder und Familie können Fluch sein oder Segen. Die Apokalypse kann mir nichts anhaben. Das Grauen morgen mag sein, wie es will. Ihr Kinder anderer Leute, macht mir keine Vorwürfe deswegen. Schert Euch in Euer Schicksal! Ich möchte mir nicht ausmalen, wie schön Leben sein kann oder könnte. Die Vision von Zukunft ist nichts wert. Sie ist ein Betrug an der Gegenwart. Wenn Embryos eine Familie gründen, denken sie dabei an nichts. Familie ist ein Kollateralschaden animalischer Begierden. Der Mönch hat aber fromm zu sein, um ein Heiliger zu werden. Dem Manne ist das Heilige fremd. Daher die Anmaßung, das eigene Sein fortzupflanzen. In der Familie offenbart sich das niedere Animalische des Menschseins. Das Subjekt ist dem ausgeliefert.

Thomas Taterka / 31.01.2024

Heute genügt mir Marcel Reif und der Rat seines Vaters völlig .

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