112-Peterson: Warum nicht einfach kinderlos und glücklich sein?

Sie wollen etwas haben, an dem Sie sich abarbeiten können, etwas, das das Beste aus Ihnen herausholt. Also brauchen Sie Probleme. Oder würden Sie sich lieber all ihrer Probleme entledigen, würden Sie sich aufs Bett legen wollen, um sich mit irgendwelchen Soaps im Fernsehen abzufüllen? Tatsächlich möchten Sie lieber Probleme haben, aber solche, die Sie lösen können. Denn da ist diese Sache mit dem Überwinden von Schwierigkeiten, an denen wir wachsen. 

Sie merken das zum Beispiel, wenn Sie Kinder haben. Die psychologische Fachliteratur ist sich einig, dass Leute, die keine Kinder haben, glücklicher sind. Daraus ziehen mache Psychologen den voreiligen Schluss, dass es nicht gut ist, Kinder zu haben. Unser Ziel, glücklich zu sein und Kinder zu haben, bedeutet offenbar ein Risiko für das Glücklichsein.

Aber Moment mal, ist das nicht der falsche Maßstab? Natürlich sind Sie weniger glücklich, sobald Sie Kinder haben, denn Sie müssen sich Sorgen um sie machen. Meine Nachbarin sagte einmal zu mir, wir können nur so glücklich sein, wie das unglücklichste unserer Kinder. Das ist eine sehr kluge Erkenntnis. Aber dass Kinder uns in dieser Hinsicht nicht glücklich machen, bedeutet nicht, dass man keine haben sollte.

Seien Sie nicht so dumm, wenn es ums Glücklichsein geht. Im Streben nach Glück liegt etwas Erhebendes. Wenn Sie zum ersten Mal Eltern geworden sind und ihr frisch geborenes Baby in den Armen halten, spüren Sie natürlich eine große Verantwortung. Sie denken, verdammt, was mache ich jetzt? Von da an sind Sie erledigt, für den Rest Ihres Lebens. Sie werden nie wieder ruhig schlafen, denn Sie werden sich um dieses Wesen Sorgen machen, für das Sie verantwortlich sind. Aber zu was taugen Sie eigentlich, wenn sie so etwas nicht hinbekommen? Erst wenn Sie diese oder eine ähnliche Verantwortung auf sich nehmen, sind Sie wirklich herausgefordert. 

Nirgends steht, dass Glück Sinn des Lebens ist

Wenn das Glück Ihnen hold ist, sollten sie natürlich begeistert sein. Aber die Vorstellung, dass man nur diesen Zustand anstreben müsse, das ist eine extrem schwache Auffassung von dem, was unser Leben ausmacht. Denn sobald etwas Schreckliches passiert, sind Sie erledigt. Sie denken dann, dass Ihr Leben eigentlich glücklich sein sollte. Aber was ist, wenn Sie plötzlich Krebs haben? Was dann? Wie läuft das jetzt für Sie mit dem Glücklichsein? Oder es geht gar nicht um Sie selbst, vielleicht hat Ihr Vater Alzheimer. Es gibt selten jemanden, der nicht einen Handschlag von sich entfernt mit einer Katastrophe konfrontiert ist. Das, was unser Leben ausmacht, ist eben nicht das Glücklichsein an sich, wenigstens diese Erkenntnis können wir aus solchen Geschichten ableiten. 

Gott gewährt den Menschen, mit denen er in den biblischen Geschichten einen Bund eingeht, sehr gerne Glück und Wohlergehen, aber nirgends steht, dass dies der Sinn ihres Lebens ist. Stattdessen gilt folgender Grundsatz: Setze dir hohe Ziele und reiß dich verdammt nochmal zusammen! Verpflichte dich diesem höchsten Plan. Genau das ist es, was uns Katastrophen bewältigen hilft. Und meiner Meinung nach ist das eine sehr viel erwachsenere Perspektive auf das Leben, denn Sie brauchen nicht sehr aufmerksam zu sein, um zu sehen, dass das Leben im Wesentlichen aus Tragik und Leid besteht. Das ist unvermeidbar. Das heißt nicht, dass das Leben deshalb unerträglich ist oder unser Dasein keine Berechtigung hat. 

Es heißt vielmehr, dass Sie mit dem Leben, wie es nun mal ist, fertig werden müssen, dass Sie vorbereitet sein müssen, und die Voraussetzung dafür ist die Bereitschaft, für sich selbst und andere Verantwortung zu übernehmen. Und wenn Sie das richtig machen, dann haben Sie möglicherweise ab und zu Phasen, in denen Sie glücklich sind. Wenn Sie abends dasitzen, vielleicht für eine halbe Stunde, und Ihr Gewissen Sie nicht plagt, es nichts gibt, was Sie gerade tun müssten, Sie sich entspannen können und denken, alles ist gut, Gott sei Dank. Dann ist das der Moment, in dem Sie Ihr Glück finden können. Sich das bewusst machen heißt, erwachsen zu werden. 

Dieser Beitrag ist ein Ausschnitt aus dem Vortrag „Biblical Series X: Abraham: Father of Nations“. Hier geht’s zum Original-Vortrag auf dem YouTube-Kanal von Jordan B. Peterson.

Foto: jordanbpeterson.com

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Leserpost

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peter luetgendorf / 28.11.2018

O.T. Schöner Artikel! Ich bin mal für Übersetzungen (speziell Peterson videos) angefragt worden. Würde gerne daran arbeiten! Meine mail adresse hat sich geändert. Gruß peter luetgendorf

Frances Johnson / 28.11.2018

“Meine Nachbarin sagte einmal zu mir, wir können nur so glücklich sein, wie das unglücklichste unserer Kinder. Das ist eine sehr kluge Erkenntnis.” Auf jeden Fall. Ich muss dabei an Phasen mit Erkrankungen denken. Im Augenblick scheint mir der Staat zu übergriffig in Deutschland. Das potentielle Glück kann ausbleiben. Die Erfahrungen in Schulen mit von manchen “Geschenke” genannten Individuen spielen auch eine Rolle. Was will man für ein Kind? Geborgenheit. Sicherheit.

Roland Stolla-Besta / 28.11.2018

Ein sehr bedenkenswerter Text. Aber was bitte ist das „Glück“? Den Ausspruch meines Lateinlehrers vor fast 60 Jahren habe ich nie vergessen: „Zufriedenheit ist das Glück des kleinen Mannes.“ Was aber ist dann das Glück? Von Franz Schubert stammt der mir ebenfalls unvergeßliche Satz: „Dort, wo du nicht bist, ist das Glück.“ Tatsächlich kommt es wohl wirklich nicht auf das Glück an. Das Leben ist wohl eine Aufgabe,  auch wenn es die dekadente Spaßgesellschaft anders sehen möchte.

A.S. Sawa / 28.11.2018

Wer ein eigenes Bett hat, ein Dach ueber den Kopf und fast jeden Tag satt wird, ist gluecklich - der Unterschied zu einem Millionaer ist geringer als wir denken. Viele sind nur zu dumm, ihr Glueck zu erkennen. Herr Peterson erinnert mich an einen alten Schulfreund, den ich nach 25 Jahren zufaellig wieder getroffen hatte und der Psychiater geworden ist. Wie geht es dir, hat er gefragt und auf meine Antwort ” mir gehts gut, ich bin sehr gluecklich"viel ihm nicht besseres ein als ein - “bist du sicher dass du dir da nichts vormachts” Na ja, von gluecklichen Menschen kann ein Psychiater natuerlich nicht leben.

K. Freitag / 28.11.2018

Leute, die keine Kinder haben, sind glücklicher? Natürlich sind Sie weniger glücklich, sobald Sie Kinder haben? Wenn Sie zum ersten Mal Eltern geworden sind und ihr frisch geborenes Baby in den Armen halten, spüren Sie natürlich eine große Verantwortung? Haben Sie Kinder, Herr Peterson? Mir scheint, hier spricht der Blinde von der Farbe!

Esther Burke / 28.11.2018

Das erste Wort unserer Tochter S. war “sky” - vom Rucksack aus, auf demRuecken ihres Vaters sitzend ; bald darauf kam die Frage : “wie kommt das Licht in die Sterne ?”  -  An der Antwort arbeiten wir immer noch…  Glueck ? ja, durchaus manchmal,  aber vor allem das Gefuehl, dass (das) Leben “richtig” sein kann…

Gabriele Klein / 28.11.2018

Danke für den sehr guten Artikel und das brillante Zitat ihrer Nachbarin. Das mit der Verantwortung hat nur einen kleinen Haken. Wie kann man diese Verantwortung übernehmen, wenn ein verantwortungsloser Staat sie nach Geburt gegen den Willen der Eltern ergreift? Wie kann man sie übernehmen in einem Staat, der über die sogenannte Frucht der Leibes genauso totalitär zu verfügen sucht wie über die der Arbeit seiner Bürger? Im unteren Teil der Lohntüte findet sich statt Lohn nunmehr die staatlich zertifizierte “Seifenoper”. Geblieben sind von diesem Teil nur noch die zu entrichtenden Steuern.  Und, im unteren Teil des Päckchens elterlicher Verantwortung   findet sich noch die Haftung   für das erzieherische Werk des Staats. Dieses beginnt in Kindergärten die die Religionsfreiheit der Eltern nicht achten und auf Weisung des Staates diametral entgegen den Werten der Eltern handeln.  Fortgesetzt wird es in Schulen der “Kriminalität”.......... Und nach dem “Diplom” übernehmen dann die leiblichen Eltern? Nein Danke!  Die Seifenoper im unteren Teil der Lohntüte wäre unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg undenkbar gewesen…und das mit “dem Staat ein Kind schenken” auch…. Leider haben sich die Zeiten geändert, denn die Alliierten sind weg…...

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