Ein durchaus interessanter Artikel. Auch wenn längerfirstige Überlegungen durch die gegenwärtigen Ereignisse in den Hintergrund gedrängt werden. Ich halte die Fragen und Anmerkungen von Petersson für wesentlich fundierter und wissensbasierter als die Antworten von Kagan. Nationale Besonderheit ist keine Eigenschaft von Rußland, das nimmt jede europäische Nation für sich in Anspruch. Interessant ist die Hinwendung zu den nationalen, christlichen Wurzeln vieler russischer Intellektueller. Das war nicht nur bei Tolstoi so, Dostojewski ist geradezu ein Paradebeispiel. Selbst in sowjetischen Zeiten gab es den Begriff der “Dorfliteratur”, die das betont Wladimir Below ist einer der bekannteren. Das gibt es auch in Frankreich und England. Auch das halte ich nicht für eine russische Besonderheit. Lesen Sie Gustav Freytag ” Die Ahnen,” dort finden sie Ähnliches. Arne, Ihren ersten Beitrag finde ich erhellend. Offensichtlich verfügen Sie über gründlichere Kenntnisse als die meisten “Welterklärer.” Die Ergänzung des Herrn Bender ist natürlich notwendig. Früher gab einmal den Witz, daß drei neue Irrenanstalten eingerichtet werden - eine bei Frankfurt, eine bei Hamburg und Bayern wird überdacht. Mittlerweile sollte das Land überdacht werden.
An Kostas Aslanidis: Danke für die Anregungen. ...fuehlen wir uns ueberhaupt nicht als Europaer. - Das war mir neu. Da will ich doch mehr wissen. Ich muss mich mal intensiver damit beschäftigen. Das auflösen von Missverständnissen ist ja immer eine wichtige Aufgabe, da man sonst immer knapp aneinander vorbeiredet und sich unnötig streitet.
Es erinnert etwas an Tucholsky, Wo kommen die Löcher im Käse her…Rußland liegt eben wo es liegt…in den dortigen Weiten hat man andere Sorgen als im deutschen Wald mit seinen gezählten und ausgerichteten Bäumen. Der Himmel ist hoch und der Zar ist weit. In Sibirien sind die Menschen ganz anders als in Moskau. Und so ist das Denken auch oft für uns Westler. Wenn man sich mal anschaut, was und wie russische Medien berichten über den Krieg, ist man oft erstaunt und erschüttert. Überhaupt die Vorstellung von der Welt. Noch wenige Tage vor dem Krieg telefonierte mit dem Regierungschef von Luxemburg. Man spürt bei vielen Russen die Sehnsucht nach Anerkennung im Westen. Dabei kopieren sie dann oft vermeintlich westliche Verhaltensweisen, spielen Westler, Superdemokraten. Minderwertigkeitskomplexe, die sich dann oft in Überheblichkeit äußern. Russland ist anstrengend. Die meisten Familien haben ein furchtbares Leben hinter sich seit 100 Jahren. Sie brauchen Ruhe für sich und ihre Entwicklung, Befreiung von Obrigkeit und Ausbeutung, und auch ausländischen Begehrlichkeiten. Mir tun sie oft furchtbar leid, aber sie lassen sich nicht helfen. Ich hab mich früher um Studenten von dort gekümmert. Ihre Dankbarkeit war rührend. Es hat sehr lange gedauert, bis sie auftauten für offenere Gespräche. Begabte, kluge Menschen, zurückhaltend. Vom Wind verweht.
“Es gibt also ein Narrativ der russischen Einzigartigkeit, verbunden mit einem gewissen Hang zum Durcheinander.” Oh, das trifft mit Sicherheit auch auf einige Autoren hier auf der Achse zu !!! Herr Peterson, sie sollten versuchen, sich davon zu distanzieren! MfG
Und warum , Herr Höldergrün, werden in Russland Stalinstatuen restauriert, und warum wird MEMORIAL verboten ? Ich behaupte ja nicht, dass der Stalinismus fröhliche Urstände feiert, aber ich bin mir sicher, dass der Putin, der ihn mit der Muttermilch aufgesogen hat, leider immer noch “umnachtet” , sonst würde er keinen Krieg anzetteln.
@Werner Grandl :”... Nation, Glaube, Familie, etc., sind in den Augen des westlichen Mainstreams Werte von vorgestern, die es zu überwinden gilt. Zusätzlich sind die Rohstoffe Sibiriens (und der Ukraine) eine lohnende Beute für westliche Konzerne.” Wenn das keine treffende Erklärung ist - mir fällt da auch nichts anderes ein, Prima! MfG
Sir haben drei Machtzentren in dieser Welt - Russland, USA und China. Europa spielt keine Rolle. Russland betreibt gerade eine, wie sie meinen, nach vorn Verteidigung. Dabei geht es nicht nur um politische Interessen, nein, es tobt auch ein Kulturkampf. Die meisten Menschen in Europa, besonders in Deutschland haben mit Glauben nichts mehr am Hut. Sie haben überhaupt keine Ahnung von Gläubigkeit als einen Ausdruck des Bedingungslosen Vertrauens auf Gott und Christus. Die meisten Russen vertrauen darauf, dass der christliche Gaube sie sicher durch ihren Lebensweg führen wird. Ich finde es z.B. schändlich, dass die Kirchen wegen Corona durch die Pfarrer geschlossen wurden. Wo bleibt deren Glauben an Gott und Christus. Dazu noch die ganzen ideologischen Verwerfungen wie Feminismus, Gender, politisch korrekte Sprache, Glauben sie wirklich das die Russen, in diesem Fall nicht nur die orthodoxe Kirche, sich nicht vor dem Wahnsinn schützen will?
@Markus Baumann; Putin konnte mit deutlicher Hilfe westlicher, v.a. US-amerikanischer Akteure/Agenten die Jelzin-Nachfolge antreten. Er zeigte seine Westlichkeit durch False-Flag-Attentate, die - ganz in westlicher Manier - den zweiten Tschetschenien-Krieg legitimieren sollten. Etwas weniger westlich schien, jedenfalls damals noch, seine umgehende Gleichschaltung des einzigen objektiven (West- und Ost-Perspektive bietenden) TV-Senders NTV mittels Polizei-Überfall. Aber da war er dem Westen nur ein paar Schritte voraus, wie wir “seit Corona” spätestens erleben. Etwas voraus ist er auch im Corona-Zirkus, gebremst nur durch “unwestliche” Unwilligkeit seiner Untertanen, besonders in der Provinz.—Zur Rolle der orthodoxen Kirche im Verhältnis zum russischen Staat: In diese symbiotische Richtung begannes sich schon während des Zweiten Weltkriegs, also unter Stalin, zu entwickeln. (Ähnlich in Rumänien und Bulgarien.)—Ich stehe zu meiner Einschätzung, daß Rußland und die Russen nicht wesentlich aus dem Spektrum der westlichen Nationalkulturen herausfallen. (Als ich 2000 über das Sajan-Gebirge ins erst 1944 angegliederte Tuwa kam, merkte ich dagegen sehr deutlich, daß ich eine Kulturgrenze überschritten hatte. DORT ist wirklich Osten, Sibirien bis zur Pazifikküste aber ist kaum anders als Osteuropa. Oder Mittelwest-Arme-Leute-USA.)
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